Das Opel-Fiasko:Ohnmacht und Verzweiflung

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Die Causa Opel: Noch nie hat die Politik sich so eingesetzt - und noch nie hat ein Konzern den Politikern, Gewerkschaften und Arbeitnehmern im Land gezeigt, wie unwichtig sie sind.

Matthias Drobinski

Kurz vor seinem Tod 1998 schrieb der Soziologe Niklas Luhmann: "Politische Macht bleibt nicht zuletzt deshalb attraktiv, weil sie in der Lage ist, mit Risiken umzugehen. Sie verwandelt, gleichsam intuitiv, Zukunftsunsicherheit in Konsens- und Durchsetzungsprobleme." Anders gesagt: Ein politisches System ist dann stark, wenn es Angst in Auseinandersetzung verwandeln kann.

(Foto: Foto: Reuters)

Angst ist diffus und macht ohnmächtig, Auseinandersetzungen sind konkret. Sie machen die Menschen zu Subjekten, die sich auf die eine oder andere Seite schlagen können, die wählen können, was und wen sie wollen. Ein politisches System oder eine politische Klasse, die das immer weniger kann, hat ein Legitimationsproblem. In der Auseinandersetzung, ob Opel nun bei GM bleibt oder zu Magna kommt, tritt dieses Problem zutage.

Nie zuvor hat sich die Politik in Deutschland so sehr für ein einzelnes Unternehmen eingesetzt wie für Opel. Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier trat kampfgestimmt in Rüsselsheim auf, nach der Wahl machte Kanzlerin Angela Merkel Opel zur Chefsache, der Bund stellte viel Geld zur Verfügung und noch mehr Geld in Aussicht. Und dann - Merkel redet gerade mit Obama - wird das alles zur Makulatur.

Der Machtkampf bei General Motors wendet sich, der Verkauf von Opel ist gestoppt, ein harter Sanierer soll nach Deutschland kommen. Vergebens scheint der Kanzlerin Mühe um ihrer Bürger Arbeitsplätze zu sein, verloren das Staatsgeld. Noch nie hat die deutsche Politik sich so eingesetzt, und noch nie hat ein global agierendes Unternehmen den Politikern, Gewerkschaften und Arbeitnehmern im Land gezeigt, wie unwichtig sie sind.

Schön, könnte man sagen, da sitzen sie alle in einem Boot: die enttäuschte Kanzlerin, die verzweifelten Opelaner, die verunsicherten Arbeitnehmer, die sich nun fragen können, zum Objekt welcher Interessen und Prozesse sie nun bald werden mögen.

Nur: Bürger und Politik wollen in diesem Fall nicht in einem Boot sitzen. Sie wollen nicht gemeinsam in der Nussschale ohnmächtig irgendwelchen Wellen und Strömungen ausgeliefert sein. Sie erwarten, dass die Politik einer Regierung in der Lage ist, Zukunftsangst zu Auseinandersetzungen um die Zukunft zu transformieren. Das aber kann sie im Fall Opel nicht - auch Karl-Theodor zu Guttenbergs Meinung, man solle Opel "geordnet" insolvent gehen lassen, zählt nichts in der GM-Konzernetage.

Die Bürger spüren das, ob sie bei Opel arbeiten oder nicht. Sie spüren schon länger, dass da etwas erodiert, was nun im Streit um Opel besonders klar sichtbar geworden ist. Die nationale Politik verliert an Macht und Legitimität, in Frankreich ist das derzeit übrigens nicht weniger schmerzhaft zu spüren als in Deutschland; wer nach den Ursachen der Politikverdrossenheit sucht, der findet sie hier. Warum soll noch einer wählen gehen, wenn er sich als Objekt sieht und nicht mehr als Subjekt, das sich auf die eine oder andere Seite schlagen kann?

© SZ vom 09.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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