Autoindustrie:Daimler braucht den Aufbruch

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Daimler braucht ein Aufbruch-Signal nach außen und innen. Andernfalls droht ihm das gleiche Schicksal, das Gründervater Gottlieb Daimler mit seinem Motorwagen einst den Kutschenbauern einbrockte: Sie starben allmählich aus. (Foto: REUTERS)

Ola Källenius muss als Daimler-Chef den Autokonzern durch schwierige Zeiten lenken. Doch es sieht so aus, als fehle ihm die richtige Strategie. Das ist verheerend.

Kommentar von Stefan Mayr

Wenn Ola Källenius am Dienstag die Jahreszahlen für 2019 vorstellt, wird der Daimler-Chef wieder von Effizienz-Steigerung und Stellenabbau reden, und vom "nachhaltigen Luxus", dem neuen Claim des Stuttgarter Konzerns. All das klingt gut, doch es wird die Analysten und Investoren nicht überzeugen. Denn es fehlt nach wie vor eine Strategie, wie der neue Vorstandschef das Unternehmen durch die schwierige Zukunft lenken will. Källenius muss noch viel entschlossener umsteuern. Der träge gewordene Konzern braucht ein Aufbruch-Signal nach außen und innen. Andernfalls droht ihm das gleiche Schicksal, das Gründervater Gottlieb Daimler mit seinem Motorwagen einst den Kutschenbauern einbrockte: Sie starben allmählich aus.

Mangelnden Fleiß kann man Källenius kaum vorwerfen, er dreht an Tausenden Stellschrauben, und das wohl auch in die richtige Richtung. Er speckt die Modellvarianz ab, begräbt den gefloppten Pritschenwagen und verschärft den Stellenabbau. Aber was fehlt, ist der große Wurf. Ein Zeichen, das nicht nur der Börse zeigt, wo er wie hinwill, sondern auch den verunsicherten Mitarbeitern. Die machen sich Sorgen nicht nur um ihren Job, sondern um das Unternehmen an sich.

"Nachhaltiger Luxus"? Das reicht nicht

Wofür will Mercedes in Zukunft stehen? Man weiß es nicht. Källenius' Motto "nachhaltiger Luxus" überzeugt jedenfalls nicht. Im Gegenteil: Nachhaltigkeit und Luxus widersprechen einander, und wenn Källenius über Klimaneutralität spricht oder in Las Vegas ein futuristisches Null-Emissions-Auto präsentiert, muss er aufpassen, dass er seine Glaubwürdigkeit nicht verspielt. Denn gleichzeitig rast Mercedes in der Formel 1 im Kreis herum, und das ist definitiv die unnachhaltigste Sportart der Welt. Wenn es Källenius wirklich ernst meint mit seinen Aussagen über Effizienz und Umweltschutz, dann kann es nur eine Entscheidung geben: Raus aus der Formel 1.

Dieser zunehmend umstrittene Rennzirkus kostet Daimler pro Jahr eine dreistellige Millionensumme, die anderswo viel besser investiert ist. Es wäre auch eine Botschaft an die Mitarbeiter: Seht her, Daimler meint es endlich ernst sowohl mit dem Sparkurs als auch mit dem Richtungswechsel vom Verbrenner- zum Elektro-Motor, vom maßlosen Rasen zum nachhaltigen Fahren. Sollte Källenius an der Formel 1 festhalten, legte er damit zwei Dinge bloß: seine Unentschlossenheit und die Unfähigkeit der Firma zum Wandel.

Dieter Zetsche ist als Aufsichtsrat untragbar geworden

Der Schwede ist seit Mai Vorstandsvorsitzender. Jüngst wurde ihm ein Analyst aus London als Berater zur Seite gestellt. Das wirkt nach drei Gewinnwarnungen wie ein Hilferuf. Daimler, die (Noch-)Ikone der deutschen Wirtschaft, braucht Nachhilfe von außen. Der Druck auf Källenius steigt. Er muss jetzt liefern, sonst werden die zunehmend ungeduldigen Investoren seine Ablösung fordern. Der Aktienkurs ist im Keller. Längst könnten Konzerne wie Google (ein Konkurrent beim autonomen Fahren) Daimler aufkaufen, sie müssten dafür nur einen Bruchteil ihrer Barreserven angreifen. Sie tun es wohl auch deshalb nicht, weil sie sich den schweren Klotz nicht ans Bein binden wollen. Der Elektroautobauer Tesla ist inzwischen doppelt so viel wert wie Daimler, obwohl er weniger Fahrzeuge verkauft und weniger Gewinn macht.

Ja, Daimler schreibt noch schwarze Zahlen, und die Pkw-Sparte Mercedes fuhr 2019 einen Absatzrekord ein. Aber dennoch hat sich der Gewinn halbiert. Und künftig drohen zusätzliche Kosten für die Dieselaffäre sowie Milliarden-Strafzahlungen, weil der CO₂-Ausstoß der Flotte weit über den EU-Grenzwerten liegt. All das sind Altlasten, die Källenius von seinem Vorgänger Dieter Zetsche geerbt hat. Der Schwede muss diese jetzt entschlossen abräumen - und nebenher die Transformation stemmen, hin zur elektrischen, digitalisierten und geteilten Mobilität.

Dabei müssten ihn auch die Hauptaktionäre unterstützen, indem sie vom Plan abrücken, Dieter Zetsche 2021 nach zweijähriger Abkühlphase zum Aufsichtsrats-Chef zu machen. Denn Zetsche ist als Aufsichtsrat untragbar geworden. Wie soll er die Beseitigung der von ihm verursachten Altlasten ohne Interessenskonflikte überwachen? Und wie soll Källenius Probleme lösen, wenn diese einst von seinem Oberaufseher verursacht wurden? Die Lage ist vertrackt. Wenn Källenius der Befreiungsschlag nicht gelingt, muss man sich um Daimler Sorgen machen.

© SZ vom 11.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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