New York:Big Apple vor der Pleite

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Die New Yorker sind stolz auf ihre Widerstandskraft - doch eine Krise wie die Corona-Pandemie haben auch sie noch nicht erlebt. (Foto: AFP)
  • Der größten Stadt der USA droht aufgrund des Coronavirus die Pleite.
  • Verantwortlich dafür sind hohe Ausgaben für die Unterstützung der Arbeitslosen, einbrechende Einnahmen und die Aussicht auf eine Rezession.
  • Bürgermeister Bill de Blasio und Gouverneur Andrew Cuomo bitten um Bundeshilfe. Dass sie ausreichend finanziell unterstützt werden, ist aber eher unwahrscheinlich.

Von Claus Hulverscheidt, Köln

Es muss ein recht trauriger Anblick gewesen sein, der sich Beobachtern an diesem Frühlingsmorgen des Jahres 1975 im Weißen Haus bot. Abraham Beame, Bürgermeister der Stadt New York, und Hugh Carey, Gouverneur des gleichnamigen Bundesstaats, hatten sich vor Präsident Gerald Ford aufgebaut. Doch sie kamen nicht als stolze Repräsentanten einer Weltmetropole, sondern als Bittsteller: New York, so Bürgermeister Beame, stehe vor der Pleite, gebe Washington kein Geld, dann werde die Stadt in sozialen Unruhen, Gewalt und Chaos versinken. Ford erbat sich einen Tag Bedenkzeit - und lehnte ab.

Viereinhalb Jahrzehnte später könnte sich die Geschichte exakt so wiederholen. Denn nach langem Aufschwung droht New York erneut der finanzielle Kollaps. Schuld sind diesmal nicht abwandernde Industrieunternehmen, die Globalisierung und die Stadtflucht der Schönen und Reichen, sondern das Coronavirus. Kaum ein Ort auf der Welt ist von der Pandemie medizinisch wie finanziell so stark getroffen wie die selbsterklärte Welthauptstadt zwischen Hudson River und Long Island Sound - und wenige US-Politiker sind sich so spinnefeind wie der amtierende Bürgermeister Bill de Blasio, Gouverneur Andrew Cuomo und Präsident Donald Trump.

Nach Berechnungen der Unabhängigen Haushaltsaufsichtsbehörde New Yorks (IBO) droht der Stadtkasse bis Mitte 2021 ein Loch in zweistelligem Milliardenumfang, allein die Steuereinnahmen könnten um 9,7 Milliarden Dollar geringer ausfallen als bisher geplant. Zu den Gründen zählen unter anderem die wegbrechenden Gewinne der Unternehmen und - noch mehr - der massive Verlust an Arbeitsplätzen. Allein bis März kommenden Jahres rechnet das IBO mit einem Abbau von rund 475 000 Stellen. Das entspräche jedem zehnten Arbeitsplatz in der Stadt.

Besonders kritisch ist dabei, dass viele Jobs nicht nur vorübergehend verloren gehen könnten, sondern dauerhaft. Das gilt laut IBO unter anderem für den Einzelhandel, das Gastgewerbe sowie Kulturstätten, wo keine rasche Rückkehr zu den Verhältnissen der Vor-Corona-Zeit zu erwarten ist und vielen Firmen das Aus droht. Aber auch in fast allen anderen Branchen sei ein Stellenabbau zu erwarten, die Leidtragenden seien vor allem Menschen, die ohnehin nicht gut verdienten. Insgesamt müsse man beim Blick auf die Beschäftigung mit "der schlimmsten Rezession seit den frühen 1970ern" rechnen, so die Behörde.

Bürgermeister de Blasio und Gouverneur Cuomo, die beide Mitglied der Demokratischen Partei sind, sich aber seit Jahren ständig gegenseitig das Leben schwermachen, haben sich angesichts der schlechten Zahlen bereits in Stellung gebracht. "Wir werden nicht in der Lage sein, selbst einfache Dienstleistungen anzubieten und als Gesellschaft normal zu leben, wenn wir keine Hilfe der Bundesregierung bekommen", sagte de Blasio. Ausgabensenkungen, wie sie manche von ihm verlangten, seien dagegen angesichts der Krise kaum möglich. "Es gibt viele Dinge, die kann man nicht einfach kürzen. Und deshalb werden wir weiter um die Unterstützung aus Washington kämpfen müssen, die wir verdienen", so der Bürgermeister.

Cuomo ging bereits einen Schritt weiter und beantragte für den Bundesstaat New York einen zinslosen Kredit der Bundesregierung über vier Milliarden Dollar. Das Arbeitsministerium in der Landeshauptstadt Albany erklärte, das Geld werde unter anderem dazu gebraucht, um all jenen Menschen Arbeitslosenhilfe zahlen zu können, die in den vergangenen Wochen ihren Job verloren hätten. Nach Berechnungen des Wall Street Journal hat der Staat New York in gerade einmal sechs Wochen die Hälfte seiner Reserven für die Arbeitslosenunterstützung aufgebraucht.

Trump hat sich zu den Wünschen nach Finanzhilfen noch nicht geäußert. Was er vom Bürgermeister und vom Gouverneur seiner Heimatstadt hält, hat er allerdings in den vergangenen Jahren in Dutzenden Tweets deutlich gemacht: Beide, so das Fazit des Präsidenten, seien "unfähig und dumm".

© SZ vom 22.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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