Continental:"Verdaut hat das noch keiner"

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Wie geht es nach dem Einstieg Schaefflers bei Continental weiter? Konzern-Betriebsratschef Hickert über die Ängste der Mitarbeiter, warum er nicht mit der Groß-Investorin spricht - und warum Ex-Kanzler Schröder kein Heilsbringer ist.

Melanie Ahlemeier

Zeitenwende bei Continental: Die Schaeffler-Gruppe, ein auf Wälzlager und Kupplungen spezialisierter Mittelständler aus Herzogenaurach, steigt im großen Stil beim Dax-Konzern ein. Befristet auf vier Jahre dürfen die Franken maximal 49,99 Prozent am Automobilzulieferer mit Stammsitz in Hannover übernehmen, im Aufsichtsrat werden sie mit vier Sitzen vertreten sein. Wie haben die Conti-Mitarbeiter die Entscheidung aufgenommen und wie geht es nun weiter? Fragen an den Konzern-Betriebsratsvorsitzenden Bruno Hickert.

Die Hauptdarsteller der Conti-Geschichte: Noch-Chef Manfred Wennemer (links), Kontrolleur Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, Groß-Investorin Maria-Elisabeth Schaeffler und Aufsichtsratsvorsitzender Hubertus von Grünberg. (Foto: Montage: sueddeutsche.de)

sueddeutsche.de: Herr Hickert, die Schaeffler-Gruppe darf im großen Stil bei der dreimal größeren Continental AG einsteigen. Haben Sie und Ihre Kollegen, die Conti-Mitarbeiter, die Entscheidung des Conti-Aufsichtsrats schon verarbeitet?

Bruno Hickert: Verdaut hat das noch keiner. Egal, wo ich momentan hinkomme, gibt es nur ein Thema. Und das heißt Schaeffler.

sueddeutsche.de: Das geplante Schaeffler-Engagement bei Conti kam ohne Vorwarnung. Wie haben die Mitarbeiter davon erfahren?

Hickert: Die Gelegenheit zu einer rechtzeitigen Betriebsversammlung ist uns durch die Medien genommen worden. Wir sind immer wieder aufs Neue überrascht worden, welche Informationen an die Medien durchgesickert sind. Das waren zum Teil Spekulationen, zum Teil aber auch Wahrheiten. Für die Mitarbeiter gab es Infoblätter und Informationsveranstaltungen.

sueddeutsche.de: Welches Gefühl prägt die Situation der Conti-Mitarbeiter derzeit stärker: Angst oder Skepsis?

Hickert: Das reicht von "toll" und "sehr gut" bis hin zur großen Verunsicherung. Da ist alles drin.

sueddeutsche.de: Wie hat sich der Betriebsrat über die als verschwiegen geltende Schaeffler-Gruppe aus dem fränkischen Herzogenaurach informiert?

Hickert: Wir sind zuerst ins Internet gegangen. Da gibt es viel Wissenswertes. Wahrgenommen hatten wir Schaeffler bis dato nicht.

sueddeutsche.de: IG Metall und IG Bergbau/Chemie haben Schaeffler nur einen Tag nach der offiziellen Bekanntgabe des Groß-Engagements eine Standort- und Jobgarantie abgerungen. Warum die Eile?

Hickert: Die Verunsicherung unter den Arbeitnehmern war sehr groß. Es war uns wichtig, die Interessen der Arbeitnehmer möglichst zeitnah in einer eigenen Vereinbarung zu sichern.

sueddeutsche.de: Auf welche Details sind Sie besonders stolz?

Hickert: Ich weiß nicht, ob man von Stolz reden kann. Wir sind froh, dass wir den direkten Kontakt zu Schaeffler hatten und dass uns diese Zusagen zur Standortsicherung und zur Arbeitsplatzerhaltung zumindest mittelfristig schriftlich gegeben wurden.

sueddeutsche.de: Sie haben die Garantie für die Jahre 2010 bis 2014. Reicht das?

Hickert: Wir haben noch keine Erfahrungen mit Frau Schaeffler und auch nicht mit der Gruppe. Ich kann nur sagen, dass der Zeitraum von Mitte Juli bis zur Einigung an den Nerven gezerrt hat. Von daher sind wir froh über die zeitnahe Einigung. Damit sind auch die permanenten Spekulationen vorbei.

sueddeutsche.de: Als Konzernbetriebsrat müssten Sie jetzt - nach dem Ende der öffentlichen Schlammschlacht - durchatmen können.

Hickert: Die eigentliche Arbeit steht uns noch bevor. Wir haben jetzt ein Stück Papier. In den kommenden Jahren werden wir nicht die Hände in den Schoß legen. Wichtig ist, dass wir jetzt mit allen Arbeitnehmervertretern aller Divisionen am Ball bleiben und gemeinsam die weitere Entwicklung begleiten.

Lesen Sie weiter, warum Bruno Hickert nicht mit Groß-Investorin Maria-Elisabeth Schaeffler sprechen möchte.

sueddeutsche.de: Im Betriebsverfassungsgesetz heißt es, dass Unternehmen den Betriebsrat über Veränderungen "rechtzeitig" in Kenntnis zu setzen haben. War das bei Conti der Fall?

Bruno Hickert ist Conti-Konzern-Betriebsratsvorsitzender und arbeitet am Standort Aachen. (Foto: Foto: oH)

Hickert: Die Definition "rechtzeitig" wird von beiden Seiten unterschiedlich definiert. Das Betriebsverfassungsgesetz lässt da eine gewisse Dehnbarkeit zu. Die Continental-Geschäftsleitung hat den Betriebsrat aus ihrer Sicht sicherlich immer sehr zeitnah informiert, zumindest gab es die Informationen. Die hätte ich aber natürlich gerne eher erhalten. Insgesamt hätte ich mir mehr Transparenz gewünscht.

sueddeutsche.de: Haben Sie schon einen Termin bei Frau Schaeffler?

Hickert: Frau Schaeffler ist nicht die Unternehmensleitung. Unser Verhandlungspartner wird nach wie vor die Conti-Geschäftsleitung bleiben.

sueddeutsche.de: Was hat für den neuen Conti-Chef Karl-Thomas Neumann jetzt oberste Priorität?

Hickert: Wenn ich mir etwas wünschen kann, dann ist das ein idealer Informationsfluss und ein partnerschaftliches Miteinander. Für Conti heißt das: Herr Neumann muss das fortführen, was Herr Wennemer eingeleitet hat.

sueddeutsche.de: Was heißt das konkret?

Hickert: Die von Siemens aufgekaufte VDO muss weiter in den Konzern integriert werden. Darüber hinaus muss der Konzern auf Erfolgskurs gehalten werden. Das ist schon eine Herausforderung.

sueddeutsche.de: Seit dem VDO-Deal vor einem Jahr geht es mit der Conti-Aktie steil bergab. War der Kauf des Siemens-Sorgenkindes die falsche Entscheidung?

Hickert: Es gibt durchaus sinnvolle Ergänzungen. Natürlich geht dieser Prozess nicht einfach vonstatten. Ich denke aber, dass es die richtige Entscheidung war.

Lesen Sie weiter, warum es mit Noch-Chef Manfred Wennemer gute und schlechte Zeiten gab.

sueddeutsche.de: Seit der Jobverlagerung nach Osteuropa vor einigen Jahren war zwischen den Mitarbeitern und Noch-Conti-Boss Manfred Wennemer die Eiszeit ausgebrochen. Im Kampf gegen Schaeffler standen die Angestellten wieder auf Wennemers Seite. Haben Sie schon ein Abschiedsgeschenk gekauft? Ihr Chef räumt Ende der Woche das Büro.

Hickert: (lacht) Ich weiß gar nicht, ob das üblich ist.

sueddeutsche.de: Geht man in Freundschaft oder Feindschaft auseinander?

Hickert: Wir haben mit Herrn Wennemer gute und weniger gute Zeiten gehabt. Wir haben sicherlich auch eine Eiszeit gehabt. Doch bei allen Differenzen muss man sagen: Er hat das Unternehmen vorangetrieben. Das hat viele Arbeitsplätze gekostet, es sind aber auch viele Arbeitsplätze entstanden.

sueddeutsche.de: All der Streit und Ärger sind vergessen?

Hickert: Es gab sicherlich harte Auseinandersetzungen in der Sache. Die waren aus unserer Sicht zwingend notwendig. Trotzdem hat die Continental ihren Weg fortgesetzt. Ich kann nur sagen: Herr Wennemer hat eine verdienstvolle, wertvolle Arbeit gemacht. Es hat mich persönlich auch etwas überrascht, dass er zurückgetreten ist.

sueddeutsche.de: Herr Wennemer hat das Anpirschen der Schaeffler-Gruppe sogar öffentlich als "egoistisch, selbstherrlich und verantwortungslos" gegeißelt.

Hickert: Ich hätte es gut gefunden, wenn er diesen Prozess begleitet hätte.

sueddeutsche.de: Geht Herr Wennemer mit einer dicken Abfindung?

Hickert: Das ist mir nicht bekannt, dazu kann ich nichts sagen.

sueddeutsche.de: Der ehemalige Conti-Chef und heutige Aufsichtsratschef Hubertus von Grünberg gilt als der heimlicher Architekt des Coups - er kennt die Witwe Schaeffler sehr gut. Hat er das Unternehmen verraten?

Hickert: Zur Person von Grünberg kann ich nicht viel sagen. Äußerungen habe ich nur über Dritte mitbekommen. Es wäre nicht richtig, wenn ich das kommentiere.

sueddeutsche.de: Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder überwacht den Einstieg Schaefflers bei der Conti AG. Gelingt die Mission?

Hickert: Er kann sicherlich dazu beitragen, dass gemachte Zusagen eingehalten werden. Aber mehr erwarte ich auch nicht.

sueddeutsche.de: Schaeffler darf auf vier Jahre maximal 49,99 Prozent der Conti-Anteile übernehmen. Wie geht es nach Ablauf der Frist weiter?

Hickert: Das weiß ich nicht. Wir können die Situation nur beobachten. Selbst in der Wennemer-Ära haben wir es nicht geschafft, vier Jahre in die Zukunft zu schauen.

sueddeutsche.de: Der Milliarden-Deal muss finanziert werden. Wie glaubwürdig ist die Zusicherung Schaefflers, dass Conti nicht zerschlagen wird?

Hickert: Conti verdient gutes Geld.

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