Conti vs. Schaeffler:Ein fauler Kompromiss

Die fränkische Schaeffler-Gruppe gewinnt die Übernahmeschlacht um Continental - und bestimmt nun in Hannover. Dabei gibt es einen prominenten Verlierer.

Melanie Ahlemeier

Für Moralisten, die an das Gute im Menschen und in der Wirtschaft glauben, nimmt der Übernahmekampf um die große Continental AG mit der Minderheitsbeteiligung des fränkischen Angreifers scheinbar ein gutes Ende. Nach rund einem Monat wird die Schlammschlacht öffentlich beigelegt - und die Schaeffler-Gruppe aus Herzogenaurach kann auf vier Jahre maximal 49,99 Prozent an Conti in Hannover übernehmen.

Conti vs. Schaeffler: Continental-Chef Manfred Wennemer will nicht im Schatten von Maria-Elisabeth Schaeffler stehen - und geht.

Continental-Chef Manfred Wennemer will nicht im Schatten von Maria-Elisabeth Schaeffler stehen - und geht.

(Foto: Foto: dpa/AFP)

"Wo kämen wir denn auch hin, wenn sich ein Mittelständler einfach so mit fragwürdigen Swap-Geschäften hinterrücks bei einem Dax-Schwergewicht einkaufen könnte - und nur wenig später die Marschroute ausgibt?", mag sich mancher Beobachter gefragt haben. Und doch: Die 49,99-Prozent-Regel ist eine optische Täuschung, die nicht verdecken kann, dass es künftig nur eine Entscheiderin bei Continental gibt, und das ist die Erbin Maria-Elisabeth Schaeffler.

Normalerweise wird viel über "Heuschrecken" geredet, über Finanzinvestoren, die überfallartig in Unternehmen einfallen, sie sanieren und umbauen. Frau Schaeffler ist der Beweis, dass auch Familienunternehmen sich wie "Heuschrecken" verhalten können. Der Unterschied ist, dass sie bei Conti bleiben wird.

Die Franken reden mit

Es ist ein fauler Kompromiss, der jetzt im Fall Conti gefunden wurde. Mit Manfred Wennemer - seit September 2001 Conti-Chef, seit 1994 im Unternehmen - fordert er ein Bauernopfer. Der Mann mit der markanten Fliegerbrille schmeißt hin. Schon in der kommenden Woche räumt der 60-Jährige den Chefstuhl - freiwillig und obwohl Schaeffler ihn schon vor Wochen bezirzt hatte, er möge bitte auch bei einem größeren Engagement der Franken Vorstandsvorsitzender bleiben.

Allen schönen Reden zum Trotz: Die Franken werden bei der Auswahl des Wennemer-Nachfolgers das entscheidende Wörtchen mitreden. Sie werden in den Aufsichtsrat ziehen und die Hauptversammlung dominieren. Schon mit einem Anteil von 30 Prozent ist man da die entscheidende Größe.

Mit Moral, Ethik oder gar Gerechtigkeit lässt sich in der Marktwirtschaft zwar argumentieren, aber nicht gut handeln. War es verwerflich, dass sich die Kugellager-Lady Schaeffler mit Hilfe etlicher Banken Zugriff auf rund 30 Prozent der Aktien sicherte? Dass es keine Mitteilung der Frau mit der Betonfrisur und dem Dauergrinsen gab, obwohl das im Wertpapierhandelsgesetz vorgeschrieben wird?

Wer auf Ehrlichkeit setzt und mit offenem Visier kämpft - und so ein Typ ist Wennemer - wird das Vorgehen im Matriarchat-Style verurteilen und geißeln. Wie sehr das geplante Groß-Engagement der Franken den Conti-Chef umgetrieben hat, zeigt Wennemers Hilferuf in Richtung Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Gebracht hat der Notruf nichts, die Behörde konnte keine unlauteren Methoden nachweisen. Der erste große Verlierer der Schaeffler-Show heißt: Manfred Wennemer.

Lesen Sie weiter, warum Wennemers Rückzug nur konsequent ist.

Ein fauler Kompromiss

Schon während der vergangenen Wochen war klar, dass sich ein Einstieg der Schaeffler-Gruppe nicht verhindern lassen würde. Der Rückzug von der Conti-Spitze ist aus Wennemers Sicht nur konsequent. Er hatte sich unmittelbar nach Bekanntwerden der Übernahmschlacht öffentlich sehr despektierlich über den Mittelständler aus Franken geäußert.

Ein neuer Conti-Boss soll schnell benannt werden, heißt es. Am 1. September ist der Chefstuhl verwaist. Im Extremfall könnte der Konzern, der sich mit der VDO-Übernahme vor einem Jahr eine sehr große Aufgabe ans Bein gebunden hat, in eine Führungskrise trudeln.

Der zweite Verlierer der Schlacht um Conti könnte die Arbeitnehmerschaft sein. Immerhin lässt sich die Schaeffler-Gruppe die faktische Übernahme weit mehr als zehn Milliarden kosten - das Geld muss in dem neuen Hannover-Herzogenaurach-Konzern erst einmal zurückverdient und die Schulden abgebaut werden.

Jobs in Gefahr

Die Zusicherung der fränkischen Käuferin, es würden keine Tochterfirmen und Aktivitäten von Conti verkauft, bedeutet, dass über eine veränderte Organisation und einen Stellenabbau die Kosten sinken sollen. Jobs sind gefährdet. Es darf bezweifelt werden, dass der Hannoveraner Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) in seinem Einsatz für Arbeitsplätze viel mehr bewirken kann als imagefördernde Zeitungsartikel.

Maria-Elisabeth Schaeffler aber wird durchstarten. Alles hört auf ihr Kommando. Und wenn sie in einigen Jahren gescheitert sein sollte, werden internationale Finanzfirmen die Sache betrachten. Dann kämen womöglich echte "Heuschrecken" zum Zug.

Die kommenden Jahre werden für Conti also eine Zeit des Umbaus und der Neuorganisation - der Dax-Konzern wird sich an die Spielregeln des Mittelständlers gewöhnen müssen. Dass jetzt nicht gleich die Mehrheit übenommen wurde, ist ein halbgarer Kompromiss, damit beide Seiten - Conti und Schaeffler - öffentlich ihr Gesicht wahren können. Für Conti wäre eine direkte Mehrheitsübernahme besser gewesen, denn die Hannoveraner hätten sich gleich an die neuen Spielregeln von Madame Schaeffler gewöhnen können. So dauert das Aufwärmspiel vier Jahre.

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