Conti gegen Schaeffler:Dicke Luft im Konferenzraum

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Der Firmenchef angezählt, die Zukunftsstrategie unklar - und über allem der Streit mit Großaktionär Schaeffler. Vor der Sitzung des Conti-Aufsichtsrats herrscht Chaos.

Hans-Jürgen Jakobs

Es ist ein schmutziger Medienkrieg, der sich rund um die Continental AG abspielt. Ein beliebtes Mittel dabei ist die Desinformation. Jüngstes Beispiel ist die Kolportage, Conti-Chef Karl-Thomas Neumann müsse sich gegen das Ansinnen des ungeliebten Großaktionärs Schaeffler aus Herzogenaurach wehren, in der Finanznot Firmenteile zu verkaufen.

Das Verhältnis zwischen Continental und dem Großaktionär Schaeffler ist zerrüttet. (Foto: Foto: AP)

In Wahrheit, darauf deutet manches hin, ist es genau anders herum: Die Manager der Eigentümerin Maria-Elisabeth Schaeffler drängen demnach Conti danach, von geplanten Verkäufen Abstand zu nehmen. Es geht zum Beispiel um ein geplantes Joint Venture bei Turboladern mit dem Autozulieferer Magna oder um den Verkauf der Conti-Tochter Emitec, die auf Verminderung von Autoabgasen spezialisiert ist. Schaeffler denkt offenbar sogar an Vorkehrungen, solche Transaktionen definitiv zu verhindern, womöglich durch Regelungen in der Geschäftsordnung. Conti dementiert offiziell Verkaufspläne, spricht aber über die Möglichkeit von Partnerschaften.

Prekäre Liquiditätsnot

Die Pressekampagnen made by Conti haben die Stimmung vor der Aufsichtsratssitzung des Konzerns aus Hannover am heutigen Donnerstag zusätzlich aufgeheizt. Es ist kein Geheimnis, dass die fünf Vertreter der Schaeffler-Gruppe jegliches Vertrauen in Vorstandschef Neumann verloren haben. Dabei hatten die Franken vor knapp einem Jahr noch geholfen, dass der Ex-Entwicklungsvorstand zum Quasi-Alleinherrscher aufsteigen konnte - doch seitdem hat sich an der prekären Liquiditätsnot der Conti AG nichts geändert. Nur die Umschlagshäufigkeit in der Presse stieg.

Deshalb haben sich Eigentümerin Schaeffler und ihr Topmanager Jürgen Geißinger für den Fall der Fälle nach Informationen von sueddeutsche.de mit eigenen Personalvorschlägen gewappnet. Gleich mehrere geeignete Kräfte könnten den Conti-Vorstand verstärken - und auch die Position des Vorstandsvorsitzenden ist offenbar nicht sakrosankt.

Ideen ohne Gegenliebe

Dafür hat sich Karl-Thomas Neumann zu weit aus dem Fenster gelehnt. Auf der Hauptversammlung im April versprach er, binnen 100 Tage weitgehende Vorschläge zur Zukunftssicherung zu machen. Jetzt ist es soweit - aber Neumanns Ideen stoßen auf wenig Gegenliebe beim Hauptaktionär Schaeffler, der 90 Prozent der Aktien akquiriert hat.

- Der Plan einer Kapitalerhöhung über mehr als eine Milliarde Euro würde Schaefflers Anteil absinken lassen. Denkbar wäre allenfalls eine kleine Kapitalzufuhr in Höhe von rund 300 bis 400 Millionen Euro.

- Die Idee einer Verschmelzung der beiden Firmen unter dem Dach von Conti ist unrealistisch. Die ersten Vorstellungen über Bewertungen der beiden Unternehmen sind zu unrealistisch.

- Die Vorstellung, Conti und Schaeffler sollten notfalls getrennt operieren, verkennt nach Schaefflers Geschmack die industrielle Logik einer Kooperation. Die Arbeit der gemeinsamen Projektgruppen solle vielmehr intensiviert werden, und am Ende eine neue börsennotierte Holding entstehen, die "Conti-Schaeffler" heißen könnte - hier würden die bisherige Conti AG und die Schaeffler-Gruppe vereint.

Für Schaeffler-Chef Geißinger ist die geglückte Akquisition des Rivalen FAG Kugelfischer vor einigen Jahren das Modell für die Conti-Zukunft. Damals hatte Schaeffler in einer heimlichen Attacke den Schweinfurter Betrieb übernommen; Geißinger übernahm selbst für kurze Zeit das Ruder bei FAG. Danach entwickelte der erweiterte Konzern neue Produkte und eroberte internationale Märkte, die Zahl der Arbeitsplätze stieg von 25.000 auf 70.000.

Auch bei Conti hat sich Schaeffler heimlich, mit Hilfe der Banken, die Mehrheit gesichert. Der einstige Conti-Aufsichtsratschef hatte zwar früh der Firmenpatronin Schaeffler eine Kooperation angeboten und eine Rolle als "Ankeraktionärin" (mit 25 Prozent), doch das war den Franken zu wenig.

Jetzt haben sie nominell die Mehrheit in Hannover, müssen aber mit elf Milliarden Euro Schulden zurechtkommen. Erschwerend kommt hinzu, dass auch Conti Verbindlichkeiten in gleicher Höhe hat. Aktuell meldet Vorstandschef Neumann fast 190 Millionen Euro Verlust für das erste Halbjahr. Das zweite soll, Kunststück, besser werden.

Geschlossen in die Schlacht

Abwechselnd staunend und wütend schauen die Großaktionäre aus Franken auf die Vorgänge. Besonders ärgert sie, dass Neumann und Kollegen ihrer Meinung nach nicht mit Marken umgehen können. Der für viel Geld gekaufte Bereich Siemens VDO ist in Regensburg in die Sparte "Powertrain" aufgegangen. Die Restrukturierung dort brachte, bislang jedenfalls, keine guten Ergebnisse. Conti-Chef Neumann gilt seinen Kritikern als technikverliebt und elektroniklastig - und als PR-Produkt, der sich in der Öffentlichkeit gut verkaufe.

Es wird also mehr als eng für den ersten Mann in Hannover, der so viele Funktionen an sich gerissen hat, beispielsweise auch Finanzen, Recht und Personal sowei drei Divisionen.

In Herzogenaurach hat die Matriarchin Schaeffler neulich für Aufsehen gesorgt: Sie richtete ihrem Vormann Geißinger, der am vorigen Freitag 50 wurde, eine Überraschungsparty aus. Es war auch ein Zeichen, dass der fränkische Familienkonzern geschlossen in die Schlacht um Conti gehen will. Einzelne Bankenvertreter hatten in der Vergangenheit schon mal den Rückzug von Geißinger angeregt.

Nur eines will der promovierte Maschinenbauer aus Schwaben wohl auf keinen Fall: den Chefposten in Hannover übernehmen.

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