Conti: Wirbel um Konzernchef Neumann:Auf Kilometer 29

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Im Kampf gegen den ungeliebten Aktionär Schaeffler mobilisiert Conti-Chef und Marathonläufer Karl-Thomas Neumann alle Mittel - und riskiert damit möglicherweise seinen Job.

Martin Hesse

Marathonläufer beschreiben jenen kritischen Punkt nach etwa zwei Dritteln der Strecke mitunter als Wand, die sich vor ihnen aufbaut. Sie haben das Gefühl, nach all den Strapazen und angesichts der noch bevorstehenden Kilometer nicht weiterlaufen zu können. Nur die Aufmunterungen von außen, die Aussicht auf die nächste Versorgungsstation treiben sie weiter.

Conti-Chef Karl-Thomas Neumann geht auf Konfrontationskurs mit dem ungeliebten Aktionär Schaeffler. (Foto: Foto: getty)

So etwa scheint der Marathonläufer Karl-Thomas Neumann, 48, seine Situation zu empfinden. Der Chef des Autozulieferers Continental will bei der Aufsichtsratssitzung an diesem Donnerstag einen Energieschub von seinem Großaktionär Schaeffler. Das Familienunternehmen soll eine Kapitalerhöhung bewilligen, sonst scheint nicht gesichert, dass Neumann das Rennen zu Ende läuft.

Eine Rücktrittsdrohung hat Neumann nicht ausgesprochen; auch heißt es, er wolle den Aufsichtsrat nicht erpressen. Gleichwohl ficht er so vehement für eine Kapitalerhöhung, dass er wohl sein Gesicht verlieren würde, wenn das Gremium nicht die Weichen in diese Richtung stellt. In einem Brief an den Aufsichtsrat, in dem auch die Familie Schaeffler und ihre Top-Manager sitzen, warb Neumann für die Kapitalerhöhung und griff zugleich seinen Großaktionär an. Schaeffler habe bisher keinen konkreten Vorschlag für eine Zusammenführung der Konzerne gemacht, deshalb müsse er für Conti alleine planen.

Druck von zwei Seiten

Der Brief gelangte, wie auch immer, in die Bild-Zeitung. Zudem wird in Conti-Kreisen darauf hingewiesen, als Aufsichtsräte müssten auch die Schaefflers aus aktienrechtlichen Gründen rein im Interesse von Conti stimmen - für eine Kapitalerhöhung.

Nun hat Neumann von zwei Seiten Druck. Er hat sein Schicksal mit der Kapitalerhöhung verknüpft, zugleich hat er die Schaefflers gegen sich aufgebracht. Zwar sei die Familie grundsätzlich offen für eine Kapitalerhöhung, heißt es in Finanzkreisen. Sie wolle aber die Kritik Neumanns nicht hinnehmen. Wenn sie als Hinterwäldler hingestellt würden, die mit den Anforderungen an einen börsennotierten Konzern nicht vertraut seien, dann reagierten die Franken schon einmal dünnhäutig, heißt es da.

Der Conti-Chef steht also durchaus vor einer Wand. Vielleicht braucht er wie ein Sportler diesen Druck. Vielleicht fehlt ihm, der erst seit knapp elf Monaten den Dax-Konzern führt, auch noch das Gespür dafür, wie weit er den 90-Prozent-Aktionär Schaeffler reizen kann.

Auf Konfrontation mit Schaeffler

Dagegen spricht allerdings der Typ Neumann. Er gilt nicht als Taktierer, sondern als geradliniger, offener Manager. Kurz nachdem er im September 2008 den Posten von Manfred Wennemer übernommen hatte, betonte er in einem Gespräch mit Journalisten immer wieder zwei Dinge: Er werde sich voll darauf konzentrieren, Conti unabhängig von Schaeffler gut aufzustellen, und es sei gut, dass die Investorenvereinbarung mit dem Großaktionär dem Management freie Hand in operativen Fragen einräume.

Man hätte also ahnen können, dass Neumann bereit ist, auf Konfrontation mit dem Großaktionär zu gehen, auch wenn er zunächst als Schaeffler-Mann galt. Härte zeigte der Manager, der bei VW als Entwickler für die Elektroniksparte von 1999 bis 2004 durch die Schule von Ferdinand Piëch ging, auch im Umgang mit den Arbeitnehmern. Er leitete den Abbau von 16.000 Stellen ein. Gleichwohl loben ihn auch Arbeitnehmer für seine offene und kooperative Art. "Er geht mit dem Thema Mitbestimmung anders um als Wennemer", sagt ein Arbeitnehmervertreter.

Neumann verpackt seine Härte in eine stets freundliche, verbindliche Art. Die Ruppigkeit eines Wennemer ist ihm fremd, er tritt unprätentiös und ohne Chef-Gehabe auf. Vielleicht haben sie ihn deswegen in Herzogenaurach etwas unterschätzt. Jedenfalls sind sie dort offenbar überrascht, dass Neumann sie so unter Druck setzt.

"Druck erzeugt Gegendruck"

"Doch Druck erzeugt Gegendruck", heißt es in Finanzkreisen. Ohne Zustimmung von Schaeffler habe Neumann sich Ende April eine Frist von 100 Tagen gesetzt, um dem Aufsichtsrat Konzepte für einen Zusammenschluss oder eine eigenständige Conti-Lösung zu präsentieren. Nun müsse er sehen, wie er da wieder herauskomme.

Doch bei aller scharfen Rhetorik: Hinter den Kulissen haben sich beide Seiten Möglichkeiten für einen Kompromiss offengehalten. Schaeffler werde Neumanns Vorgehen rüffeln, kritische Fragen zur Kapitalerhöhung stellen und eine Festlegung vermeiden, heißt es. Aber wenn Neumann seinen Schritt gut begründet, dann dürften die Schaeffler-Vertreter eine Richtungsentscheidung nicht blockieren. Die Arbeitnehmervertreter sind ohnehin auf Neumanns Seite. "Es wäre fatal, wenn die Kapitalerhöhung nicht kommt", heißt es dort.

Gut begründen wird Neumann seine Pläne sicher. Der promovierte Elektrotechniker ist bekannt dafür, präzise zu arbeiten und sich aus verschiedenen Perspektiven beraten zu lassen, ehe er entscheidet. Er weiß zudem, dass er auch für Schaeffler jetzt kaum zu entbehren ist, nachdem Finanzvorstand Alain Hippe gegangen ist und Neumann auch dessen Job ausfüllt. Und so stehen die Chancen trotz allem gut, dass er am Donnerstag frische Verpflegung bekommt, um die Wand zu überwinden und seinen Lauf bis Kilometer 42 zu Ende zu bringen.

© SZ vom 30.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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