Ihr Name klingt putzig, die Wirkung, die ihnen bis vor Kurzem zugeschrieben wurde, erinnerte an eine Wunderwaffe: Coco-Anleihen, oder, seriöser, Contingent Convertible Bonds. Inzwischen freilich entpuppen sich die neuartigen Wertpapiere als Brandbeschleuniger der Finanzmärkte, der vor allem der Deutschen Bank zu schaffen macht.
In der Theorie sollen die Papiere sowohl ihre Besitzer als auch die Unternehmen, die sie emittieren, glücklich machen. Die Besitzer, weil Cocos höher verzinst sind als normale Anleihen. Die Unternehmen, weil sie trotz ihres Fremdkapitalcharakters dem Eigenkapital zugerechnet werden, von dem insbesondere Banken gar nicht genug haben können. Cocos nämlich wandeln sich dann in Eigenkapital um, sobald dessen Quote unter eine zuvor festgelegte Grenze sinkt. Die Folge: Die Eigenkapitalquote steigt wieder, die Bank hat ein Problem weniger. Wie auch der Steuerzahler, der bei einer Schieflage nicht einspringen muss. Ein ebenfalls nicht zu verachtender Vorteil: Banken können die Zinszahlungen von der Steuer absetzen. Entsprechend haben Europas Geldhäuser seit April 2013 für gut 90 Milliarden Euro Cocos verkauft.
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Eine Wunderwaffe, aber nicht in der Praxis
In der Theorie also sind Cocos tatsächlich Wunderwaffen. Jetzt aber, wo wieder Krisenstimmung herrscht, stehen sie im Epizentrum des Bebens. Denn plötzlich geht unter Anlegern die Angst um, dass die kapitalschwache Deutsche Bank die Zinszahlungen aussetzen könnte. Entsprechend sackten die Anleihekurse ab, zuletzt notierten Deutsche-Bank-Cocos gut 30 Prozent unter ihrem Nominalwert.
Deutschlands größtes Kreditinstitut hatte 2014 als erste der hiesigen Banken Cocos ausgegeben, insgesamt sind Papiere im Nominalwert von 4,6 Milliarden Euro in Umlauf. Gestückelt in Tranchen zu je 100 000 Euro pro Anleihe, sind die Papiere nichts für Kleinanleger, sondern werden von Fondsmanagern gehalten, die das Kleingedruckte in den Verkaufsprospekten lesen und die Risiken einschätzen können.
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Die Profis aber kriegen jetzt offenbar kalte Füße; aus Furcht vor ausbleibenden Zinszahlungen werfen sie die Cocos des angeschlagenen Marktführers aus den Portfolios und verstärken damit die Abwärtsspirale, in der die Bank seit Langem steckt.
Zwar sind derzeit fast alle europäischen Bankaktien im freien Fall - immer größer wird die Angst vor neuen Abschreibungen auf Kredite und Milliardenlöchern in den Bilanzen. Kein Institut aber trifft es so hart wie die Deutsche Bank, die kürzlich für 2015 einen Verlust von 6,8 Milliarden Euro ausgewiesen und angekündigt hat, ihren Aktionären mindestens zwei Jahre lang keine Dividende zu zahlen. Da scheint der Weg bis zur Aussetzung der Zinsen nicht mehr weit zu sein.
Im schlimmsten Fall werden die Cocos einfach wertlos
Was die Lage verschlimmert: Die Frankfurter haben sich für eine Coco-Sonderform entschieden - ihre Bonds werden im Ernstfall gar nicht in Aktien umgetauscht, sondern schlimmstenfalls direkt wertlos. Hinzu kommt, dass die Finanzaufsicht sogar anordnen kann, die Papiere verfallen zu lassen, damit sich die Bank die Zinszahlungen sparen kann. Das sorgt für zusätzliche Verunsicherung bei den Investoren, die nicht abschätzen können, wie die Aufseher reagieren. Und es erklärt, warum die Deutsche Bank am Montagabend völlig überraschend per Pressemitteilung dem Markt versicherte, solvent zu sein. Die geschätzte Zahlungskapazität für 2016 sei mit einer Milliarde Euro fast dreimal so groß wie jene 350 Millionen Euro, die die Bank im April zahlen muss. Für 2017 stünden sogar 4,3 Milliarden Euro bereit.
Dierk Brandenburg, Experte für Bankanleihen bei der US-Fondsgesellschaft Fidelity, glaubt, dass die Bank die Zinsen am Ende zahlen kann. Er warnt zudem vor Panik in Bezug auf den Coco-Markt: "Im Vergleich zum gesamten Anleihemarkt ist der Coco-Markt nicht besonders groß, daher geht keine wirklich systemische Gefahr von ihm aus".
Ihre Rolle als Wunderwaffe könnten die Papiere nach den jüngsten Turbulenzen aber einbüßen. Bereits 2015 jedenfalls gaben Banken weltweit deutlich weniger Cocos aus als 2014.