Chinesischer Onlinehändler:Was Sie zum Börsengang von Alibaba wissen müssen

Lesezeit: 4 Min.

Der Börsengang soll ein Triumph für Alibaba-Chef Jack Ma werden. (Foto: REUTERS)

Es könnte der größte Börsengang der Geschichte werden: Alibaba geht in New York an die Börse und die Finanzbranche sieht genau hin. Aber warum die Aufregung?

Von Nikolaus Piper, New York

Theoretisch sind "Roadshows" vor Börsengängen dazu da, großen Investoren detaillierte Informationen über das betreffende Unternehmen zu liefern. Praktisch handelt es sich dabei meist um aufwendige Reklameveranstaltungen. Was die Investoren wissen wollen, können sie dem Börsenprospekt entnehmen - die Roadshow soll dann nur noch "Momentum" schaffen, wie man in Amerika sagt, also Begeisterung für die Aktie wecken. Gemessen daran war die globale Roadshow des chinesischen Onlinehändlers Alibaba ein riesiger Erfolg. Dessen Gründer und Chef Jack Ma scheint auch die letzten Skeptiker davon überzeugt zu haben, dass sie ihm sein Geld guten Gewissens anvertrauen können. Es könnte der größte Börsengang der Geschichte werden.

Wer ist Jack Ma?

Die Karriere des Jack Ma begann am 8. August 1995. Es war der Tag, an dem Chinas Telekom die Volksrepublik an das Internet anschloss. Ma hatte Freunde eingeladen, ein Fernsehteam war vorbeigekommen, gemeinsam starrten sie auf den Bildschirm. Nach Stunden war die Seite endlich geladen - Chinas erste kommerzielle Webseite, Mas Webseite. Das Internet hatte der heute 50-jährige Englischlehrer zuvor bei einer Reise in die USA kennengelernt, an einem Computer in Seattle tippte er damals die Worte "Beer" und "China" in eine Suchmaschine. Es gab keine Treffer, und Ma realisierte, dass er den Platz füllen könnte. Das tat er - und gründete den Internethändler Alibaba.

Was ist Alibaba?

Jack Ma gründete Alibaba 1999 in seiner Heimatstadt Hangzhou. Der Onlinehändler verkauft nicht wie Ebay oder Amazon an Privatkunden. Stattdessen ist Alibaba eine Plattform, die anderen Unternehmen ermöglicht, ihre Produkte an andere Unternehmen zu verkaufen. Deswegen braucht Alibaba weder Lager noch Versandzentren. Durch viele Zukäufe wurde das Unternehmen zum größten Onlinehändler Chinas. Gesamtwert aller Transaktionen auf den Webseiten von Alibaba im vergangenen Jahr: 270 Milliarden Dollar. Zentral ist auch Mas Bezahlsystem Alipay. Es gibt überwiesenes Geld erst frei, wenn die Ware heil beim Käufer angekommen ist. Es ist mittlerweile das wichtigste Online-Bezahlsystem Chinas. Alibaba setzt inzwischen nach eigenen Angaben mehr um als Amazon und Ebay zusammen - und macht deutlich mehr Gewinn. Ma kündigte während der Roadshow für Investoren vor dem Börsengang an, in Europa und Nordamerika eine aggressive Wachstumsstrategie verfolgen zu wollen.

Wie viele Milliarden will Alibaba beim Börsengang einnehmen?

Alibaba könnte der größte Börsengang der Geschichte gelingen. Den Titel hält bisher die Agricultural Bank of China, der es 2010 gelang, 22 Milliarden Dollar Kapital zu sammeln. Am Donnerstag wurde der Ausgabepreis auf 68 Dollar pro Anteilsschein festgesetzt. Zu diesem Preis könnte das Unternehmen bei Handelsbeginn in New York 21,8 Milliarden Dollar aufnehmen. Machen die Banken außerdem von ihrem Recht Gebrauch, ihre Reserve an zusätzlichen Aktien auf den Markt zu werfen, dürften es 25 Milliarden Dollar werden. Die Nachfrage nach Alibaba-Aktien war in dieser Woche so groß, dass die Banken beschlossen, die Order-Bücher bereits am Dienstag zu schließen, früher als geplant. Die Alibaba-Aktie wird an der New York Stock Exchange unter dem Kürzel BABA notiert werden.

Kein voller Durchblick: Zentrale von Alibaba in Hangzhou. (Foto: Chance Chan/Reuters)

Warum geht Alibaba überhaupt an die Börse?

Dazu erklärte das Unternehmen im März: "Der Schritt wird uns zu einem globaleren Unternehmen machen und dessen Transparenz erhöhen. Außerdem wird er es uns erlauben, unsere langfristigen Visionen und Ideale zu verfolgen." In normales Deutsch übersetzt heißt das wohl: Alibaba sammelt Kapitalein, weil es weiter wachsen und außerhalb Chinas bekannter werden will.

Die größten Gewinner des Börsenganges werden der japanische Telekom- und Medienkonzern Softbank (Anteil 34,1 Prozent), das amerikanische Internet-Unternehmen Yahoo (22,4 Prozent) und Firmengründer Jack Ma selbst (8,8 Prozent) sein. Dazu kommen mehrere chinesische Fondsgesellschaften und Einzelinvestoren. Besonders willkommen ist die Alibaba-Begeisterung bei Yahoo. Das Pionier-Unternehmen aus dem frühen Internet-Zeitalter kämpft unter seiner Chefin Marissa Meyer immer noch um eine Zukunftsperspektive. Dank Alibaba ist der Kurs der Yahoo-Aktie seit Juli um fast ein Drittel gestiegen, zeitweise auf 44 Dollar.

Eine zunächst wenig beachtete Klausel sieht vor, dass eine Reihe von privilegierten Erstinvestoren keiner Lock-Up-Frist unterworfen sind, dass sie also sofort am Freitag verkaufen dürfen. Um welche Investoren es sich dabei handelt wurde bisher nicht bekannt. Das ist ein wichtiger Unterschied zum Börsengang von Facebook, wo zunächst niemand verkaufen durfte, der vor dem Börsengang investiert hatte,

Ist die Aktie etwas für Kleinanleger?

Kleinanleger hatten, zumindest in den USA, nur wenige Chancen, bei dem Börsengang mitzumachen. Charles Schwab, der größte Online-Broker der Vereinigten Staaten, beteiligte sich überhaupt nicht an dem Geschäft. Ohnehin sei die Nachfrage von Kleinanlegern bescheiden, sagte Steve Quirk, Manager des Discountbrokers TD Ameritrade, der Nachrichtenagentur Reuters. Das Interesse von privaten Anlegern mache nur ein Viertel der Nachfrage nach Facebook-Aktien vor dem Börsengang 2012 aus.

Die Frage ist, ob Kleinanleger überhaupt gut beraten wären, sich jetzt Alibaba-Aktien zuzulegen. Facebook kann hier als warnendes Exempel dienen: Auch dort grassierte von New York bis Frankfurt ein regerechtes Fieber um die Aktie. Der Börsengang wurde dann ein Desaster, der Kurs brach ein und der Image-Schaden war groß. Zwar wird die Facebook-Aktie inzwischen weit über dem Ausgabekurs gehandelt. Wer jedoch beim Börsengang einstieg und danach die Nerven verlor und verkaufte, hat viel Geld verbrannt.

Warum geht ein chinesischer Konzern in New York an die Börse?

Ursprünglich sollte das Unternehmen in Hongkong an den Start gehen. Die dortige Börse weigerte sich aber, Alibabas komplexe Führungsstruktur zu akzeptieren. Diese Konstruktion sichert Gründer Jack Ma und einer Gruppe von 27 Partnern die faktische Kontrolle über das Unternehmen, obwohl sie nur eine Minderheit der Aktien besitzen. Die Gremien lassen sich gegen den Willen der Partner somit nicht besetzen. Diese Struktur ist nicht nur in Hongkong, sondern auch in den USA auf Kritik gestoßen. Der Investor Carson Block, ein profilierter Kritiker chinesischer Unternehmen, sagte dem Wall Street Journal: Wenn Alibaba oder irgendein anderes Unternehmen aus der Volksrepublik Anleger betrügen wollten, "dann können sie das zweifelsohne tun".

Mitarbeit: Christoph Giesen

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