China:Kommunisten und Konzernbosse lieben sich wieder

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Pony Ma ist Chef des chinesischen Internetkonzerns Tencent. (Foto: Jason Lee/Reuters)

Chinas Führung will Privatfirmen künftig genauso behandeln wie staatliche Unternehmen. Was dahintersteckt und warum Experten nicht so recht dran glauben wollen.

Von Florian Müller, Peking

Der Chef des chinesischen Internetkonzerns Tencent, Pony Ma, ist nicht für öffentliche Auftritte bekannt. Umso mehr Aufmerksamkeit erregt nun sein Namensbeitrag beim Staatsmedium CCTV. Er sei "extrem begeistert und tief inspiriert" von den Ideen des Staats- und Parteichefs Xi Jinping für die Privatwirtschaft, schreibt der 51-jährige Milliardär. Mas Firma betreibt unter anderem den in China omnipräsenten Messengerdienst Wechat. Insbesondere ein neues, 31 Punkte umfassendes Dokument von Regierung und Parteiführung hat es ihm angetan. Die Herrschenden hätten verstanden, dass die Internetkonzerne eine wichtige Rolle für die wirtschaftliche Zukunft des Landes spielen und nach der Null-Covid-Durststrecke Unterstützung brauchen. Gleichzeitig bekräftigte Ma, dass Tencent weiter zum Erreichen der wirtschaftspolitischen Ziele der Kommunistischen Partei beitragen wolle.

Mas Lobpreisungen folgen wenige Tage, nachdem Tencent abermals eine Strafe in Höhe von rund 400 Millionen Euro für Verfehlungen seiner Zahlungsdienstleistungssparte zahlen musste. Konkurrent Ant Group musste gar fast eine Milliarde Euro zahlen. Seit Beginn der Regulierungskampagne gegen Chinas Internetplattformen Ende 2020 wurden Tencent, Ant, Alibaba und andere Konzerne mit Strafen über mehrere Milliarden Euro belegt, ihre Aktienkurse verloren teils über 80 Prozent an Wert. Doch die Kampagne scheint nun erstmal zu Ende.

Der am Mittwoch veröffentlichte 31-Punkte-Plan von Partei und Regierung verspricht, Privatunternehmen genauso zu behandeln wie staatliche Unternehmen. Die Firmen sollen sich leichter Kapital beschaffen dürfen und der Staat will sie bei der Expansion im Ausland unterstützen. Auch sollen sie vor dem Erlass neuer Gesetze stärker angehört werden.

Analysten warnen vor überzogenen Erwartungen

Viele der versprochenen Maßnahmen werden auch von deutschen Firmen in China schon seit Jahrzehnten gefordert. Hinter den Versprechungen steckt Experten zufolge die schwierige konjunkturelle Lage Chinas, die mit einer hohen Jugendarbeitslosigkeit einhergeht. Doch Analysten warnen vor überzogenen Erwartungen. Zu frisch sind noch die Erinnerungen an Pekings jüngstes Vorgehen gegen internationale Firmen, zu unkonkret ist das Dokument.

Das Vertrauen der Investoren ist erschüttert durch ein katastrophales Jahr 2022, in dem Lockdowns Lieferketten abschnitten und das Wirtschaftsleben abwürgten. Darauf folgte eine vergleichsweise schwache Erholung, vom ersten auf das zweite Quartal 2023 wuchs Chinas Bruttoinlandsprodukt nur um 0,8 Prozent. Die offizielle Jugendarbeitslosigkeit in den Städten stieg hingegen im Juni auf den neuen Rekordwert von 21,3 Prozent - Experten zufolge könnte der tatsächliche Wert sogar doppelt so hoch sein. Um den Trend umzukehren, braucht Peking die Privatfirmen.

Denn während sie für über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts stehen, stellen sie mehr als 80 Prozent der urbanen Arbeitsplätze. Offiziellen Daten zufolge gingen die Investitionen privater Unternehmen in der ersten Jahreshälfte jedoch um 0,2 Prozent zurück, während sie bei den staatlichen Unternehmen um 8,1 Prozent stiegen. Es herrscht also Konjunkturpessimismus unter den chinesischen Privatfirmen. Zumal es keine Garantie gibt, dass Peking seine Strategie des Verhaftens, Verschwindens, Enteignens unliebsamer Figuren aus der Privatwirtschaft aufgeben wird.

Auch die internationalen Konzerne sind nach den Durchsuchungen mehrerer Beratungsfirmen sowie einem neuen Anti-Spionage-Gesetz verunsichert. "Während die Beseitigung bestehender wirtschaftlicher Hindernisse dem Vertrauen der Unternehmen zugute käme, wären konkrete Maßnahmen zur Förderung des Verbrauchervertrauens und zur Schaffung eines klareren Rechtsrahmens noch wichtiger", erklärte etwa der Vertreter der Deutschen Außenhandelskammer (AHK) in Shanghai, Maximilian Butek, gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg.

Und die EU-Handelskammer in Peking fügte an: "Europäische Unternehmen, die in China tätig sind, haben sich daran gewöhnt, dass pauschale wirtschaftsfreundliche Erklärungen abgegeben werden, ohne dass konkrete Maßnahmen ergriffen werden." Sie alle warten auf ein neues Konjunkturpaket der Regierung, nachdem bisherige Maßnahmen wie eine Senkung der Leitzinsen noch keine Wirkung zeigen.

Zumal auch der 31-Punkte-Plan der Regierung klarstellt, dass weiterhin das Primat der Partei über die Wirtschaft gilt. So steht dort etwa, dass der Aufbau des Parteiapparats in Privatfirmen weiter vorangetrieben werden soll. Vor diesem Hintergrund wirkt auch das Lob weiterer chinesischer Milliardäre wie etwa von dem Mercedes-Großaktionär Li Shufu doch sehr orchestriert.

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