China investiert in Europa:Die Seelenkäufer

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Der Hort des Kommunismus als Hüter des Kapitalismus: China ist bereits größter Gläubiger der Vereinigten Staaten. Jetzt inszeniert sich das Land als Retter des Euro, kauft Staatsanleihen und beteiligt sich an Konzernen. Wie viel Geld tatsächlich investiert wird, bleibt jedoch unklar. Dahinter steckt Kalkül.

Markus Zydra und Marcel Grzanna

Diesen Staatsempfang in Italien dürfte Chinas Premierminister Wen Jiabao sehr genossen haben. Das Kolosseum in Rom erstrahlt in grellem Chinarot, und Wen Jiabao liest auf chinesischen Schriftzeichen, dass beide Länder auf ewig Freunde bleiben mögen. Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi ließ sich im Herbst 2010 wirklich nicht lumpen; der Macho hofierte den reichen Onkel aus Peking. Berlusconi schien damals zu ahnen, das er ihn bald braucht. Dieser Zeitpunkt ist nun gekommen.

Wenig ist übriggeblieben von den Lehren Mao Zedongs, des früheren Vorsitzenden der Kommunistischen Partei: China besitzt Devisenreserven im Wert von 3,2 Billionen Dollar. Das Land investiert viel Geld in hochverschuldeten Staaten und hofft so auf Anerkennung. (Foto: Bloomberg)

Das hochverschuldete Italien verhandelt nach Medienberichten seit Wochen intensiv mit Vertretern chinesischer Investmentfonds über den Kauf italienischer Staatsanleihen und eine Beteiligung an führenden Unternehmen des Euro-Landes. Wie die Financial Times unter Berufung auf italienische Regierungskreise berichtet, traf sich Italiens Finanzminister Giulio Tremonti mit Lou Jiwei, dem Vorsitzenden der China Investment Corporation - eines der weltweit größten Investmentfonds.

Italien leidet unter einer sehr hohen Staatsverschuldung von 1900 Milliarden Euro. Die Kreditzinsen für das Euro-Land sind in den vergangenen Wochen stark gestiegen; es droht die Zahlungsunfähigkeit. Deshalb hat die Europäische Zentralbank zuletzt italienische Anleihen gekauft. Das ist bekanntlich eine sehr umstrittene Maßnahme der Notenbanker.

"Helfende Hand"

Nun soll es China richten. Das Land sitzt auf Devisenreserven im Wert von 3200 Milliarden Dollar. Wen Jiabao ist in den finanziell angeschlagenen Euro-Staaten deshalb ein gern gesehener Gast. "Wenn Europa Schwierigkeiten hat, strecken wir die helfende Hand aus", versprach Wen Jiabao im Juni, als er wieder einmal durch Europa tourte. Man werde wenn nötig Staatsanleihen von Euro-Staaten in angemessener Menge kaufen.

Das sind Sätze, die man gerne hört in Athen, Rom, Madrid und Lissabon. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt spielt filigran den Euro-Retter; da vergessen die schuldengeplagten Europäer schnell, dass China eine Diktatur ist. "Die guten Freunde sind da, um zu helfen, wenn einer es braucht", sagte Wen Jiabao beim Treffen mit seinem griechischen Kollegen Giorgos Papandreou. Solch diplomatische Flötentöne können in Athen zu Tränen rühren.

In Deutschland und anderen wohlhabenderen Euro-Staaten herrscht jedoch das blanke Misstrauen. Wenn China europäische Anleihen kaufe, sinnierte jüngst EU-Kommissar Günther Oettinger, sei das keine karitative Tat: "China übernimmt die EU, und wir Europäer verkaufen unsere Seele."

Niemand weiß genau, wie viel Geld China bereits in Euro-Anleihen investiert hat. In Italien sollen es etwa vier Prozent der Gesamtschulden sein, das wären etwa 76 Milliarden Euro. In Spanien, Portugal und Griechenland liegen die Beträge jeweils im einstelligen Milliardenbereich. Die Finanzmärkte konnte China damit nicht beeindrucken, wie die jüngste Zuspitzung der Euro-Krise belegt.

Doch China reicht es, als potentieller Retter in der Not zu gelten. Die vermeintliche Großzügigkeit der neuen wirtschaftlichen Supermacht soll in den Köpfen der Europäer hängenbleiben und damit das Image aufpolieren. China benötigt das Vertrauen von Handelspartnern in Europa, weil es auf seine schnellere Anerkennung als Marktwirtschaft pocht. Erst dann würden viele Hindernisse im Handel mit der EU abgebaut.

Peking argumentiert, dass es sich das Land vor allem auch wegen des europäischen Protektionismus nicht leisten könne, seine Landeswährung Renminbi marktorientiert aufzuwerten. Zumal die Exporte nach Europa einen Eckpfeiler im Wachstumsmodell der Chinesen darstellen. Die EU ist Chinas wichtigster Handelspartner, noch vor den USA.

Aber es geht China auch um Direktinvestments in europäische Unternehmen. Das Land will seine Dollarreserven abbauen und mehr Kapital nach Europa transferieren. Zuletzt kaufte die People's Bank of China einen größeren Anteil des Rückversicherers Munich Re. Anfang August hat der chinesische Computerhersteller Lenovo den Aldi-Lieferanten Medion mehrheitlich übernommen.

Deutschland gilt China offiziell zwar als wichtigster europäischer Partner, doch mit den richtig großen Investments halten sich die Chinesen noch zurück. Sie fürchten den politischen Gegenwind. Das wurde deutlich, als 2008 die Dresdner Bank zum Verkauf stand und ein mutmaßliches Angebot aus China politische Besorgnis auslöste.

In den vergangenen fünf Jahren hat China weltweit etwa 218 Milliarden Dollar investiert, schätzt die amerikanische Heritage Foundation. Nach Europa flossen davon 34,8 Milliarden Euro, in die USA 28 Milliarden Dollar, nach Kanada und Südamerika 61 Milliarden Dollar.

China gibt dabei viel Geld für Infrastrukturprojekte aus. In Griechenland kontrolliert der chinesische Logistikkonzern Cosco die größten Containerterminals im Hafen von Piräus - für die nächsten 35 Jahre. In Island, auch geschunden durch die Finanzkrise, beteiligte sich ein chinesischer Investor zur Hälfte am Fischkonzern Stormur Seafood. Gleichzeitig ist China am Bau eines Tiefwasserhafens und der Erweiterung des Flughafens Keflavík zu einem Logistikknotenpunkt beteiligt. Diese Projekte schaffen Anerkennung in der lokalen Bevölkerung. Auf seinen Europareisen kann Wen Jiabao damit gegen die angelsächsische Finanzwirtschaft wettern.

"Nein zur Spekulantenwirtschaft", sagte Wen Jiabao neulich beim Staatsbesuch in Budapest und fügte lächelnd hinzu. "Wir vertreten eine Wirtschaft, die auf Arbeit basiert."

© SZ vom 14.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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