Ceta:Europas Politiker müssen kämpfen wie die Wallonen

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Brüssel im September 2016: Protest gegen TTIP und Ceta. (Foto: picture alliance / dpa)

Die Politiker der belgischen Provinz handelten nicht aus wirtschaftlichem Interesse, sondern aus Prinzip. Schade, denn Ceta ist gut für Europa.

Kommentar von Thomas Kirchner, Brüssel

Ceta ist tot, für's Erste zumindest. Schade, denn es ist ein guter Vertrag für Europa. Paul Magnette, der sozialistische Ministerpräsident der Wallonie, und seine Mitstreiter haben nicht locker gelassen. Die Hunderttausenden Arbeitsplätze und Milliarden Euro, die der Kontinent durch das Freihandelsabkommen mit Kanada gewinnen könnte, sie waren ihnen offenbar weniger wichtig. Wichtig war, sich durchzusetzen. Es ging ihnen um einige konkrete Punkte, vor allem aber ums Prinzip. Man hatte ihnen ein Recht zugestanden, und sie wollten sich nicht vorschreiben lassen, wie sie dieses Recht wahrnehmen.

Aber was ist mit den Interessen der mehr als 500 Millionen Europäer, mit denen sie in einem europäischen Boot sitzen und die nach Umfragen den Freihandel mit klarer Mehrheit befürworten?

Für das gemeinsame Europa ist dieser Tag ein doppelt trauriger Tag. Die Union wurde schließlich gegründet, um Zölle abzubauen, freien Handel miteinander zu treiben und einen starken, weil integrierten Wirtschaftsraum zu bilden. Vor allem aber ist die EU wieder einmal in einem zentralen Politikbereich gelähmt worden. Die Mitgliedstaaten haben ihr aus guten Gründen die Hoheit über den Handel übertragen. Sonst müsste jeder Staat mit allen anderen eigene Abkommen abschließen.

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Gemeinsam sind die Europäer viel mächtiger. Deshalb ist es widersinnig, den Nationalstaaten diese Hoheit auf dem Umweg über die Ratifizierung zurückzugeben. Im Ergebnis kann die EU, wenn es so weiter geht, weder Handel treiben noch überhaupt handeln.

Man kann den Wallonen Respekt zollen

Schande über die Wallonen? Nun ja. Auch wenn man das, was sie mit Ceta und mit Europa gemacht haben, nicht für richtig hält, kann man ihnen Respekt zollen. Immerhin sind sie standhaft geblieben, obwohl der Wind stark von vorne wehte. "Ich gehe durch bis zum Ende", hatte Magnette seinen Abgeordneten versprochen und gleichzeitig deutlich gemacht, dass er nicht allein für die Interessen seiner wirtschaftlich abgehängten Region kämpft, sondern sich in dieser historischen Situation als Agent des Weltgeistes versteht.

Dieser Geist, da hat er recht, ist kritischer geworden gegenüber dem Freihandel, er fragt, wo der Mensch bleibt in der Globalisierung, klagt über die Ungerechtigkeit im Welthandel. Die Frage wird nicht nur in der Wallonie, sondern überall in Europa gestellt werden müssen, auf der Straße, in den nationalen Parlamenten, im europäischen Parlament. Eine Antwort, die alle überzeugt, wird es nicht geben können. Aber das darf nicht dazu führen, dass sich die EU kaputt macht.

Dieses Europa, das wird zu oft vergessen, wird gebraucht: diese auf Ausgleich der Interessen bedachte Zusammenarbeit der Staaten, der die Europäer Jahrzehnte des Friedens, des Wohlstands und der Freiheit zu verdanken haben. Jene Bürger und Politiker, die diese Errungenschaften verteidigen wollen, müssen jetzt kämpfen - mindestens so hart wie die Wallonen.

© SZ vom 25.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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