Wenn Techniktüftler in neue Sphären vorstoßen, ist der Grat zwischen Genie und Wahnsinn mitunter schmal. Zu besichtigen ist das jedes Jahr auf der Tech-Messe CES in Las Vegas, wo mehr als 4500 Hersteller aus aller Welt ihre jüngsten Erfindungen vorstellen - vom fliegenden Taxi über zusammenfaltbare Mikro-Fahrräder über die Schirmmütze mit eingebauter Klimaanlage bis zum Helm mit Laserlicht, der dem unfreiwilligen Glatzenträger das Haupthaar zurückbringen soll. Was also taugt etwas, und welcher Erfinder sollte lieber auf den nächsten Geistesblitz warten? Bei welchen Geräten denkt der neugierige Betrachter tatsächlich "oh ja", bei welchen "oje"? Ein Rundgang.
Das intelligente Paket
Seit der US-Online-Händler Amazon seinen Siegeszug angetreten hat, erstickt die Welt im Karton- und Plastikmüll. Doch das ist nicht das einzige Problem der Bestelleritis: Viele Pakete kommen beschädigt, andere gar nicht an. Das alles will die französische Firma Living Packets ändern. Ihre smarte, vollständig recycelbare Versandbox ist mit einer Innenkamera, einer Waage, einem elektronischen Adressfeld, Tracking-Software sowie Sensoren ausgestattet, die Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Erschütterungen messen. Der Weg des Pakets lässt sich lückenlos verfolgen, und weil die Batterie für mindestens 1000 Zustellungen reicht, ist die Nutzung nicht teurer als das Versenden eines Kartons. Erster Eindruck? Oh ja!
Die sprechende Yoga-Matte
Yoga ist bekanntlich eine Lehre, die durch die Kombination aus Leibesübungen und Meditation den Körper stärken und den Geist in neue Bewusstseinshöhen tragen soll. Wer öffentliche Studios oder Reisen nach Fernost nicht mag, kann jetzt auf Yogifi zurückgreifen, die sprechende Yogamatte des, ja wirklich, indischen Anbieters Wellnesys. Sie spielt sphärische Musik ab, gibt Anweisungen, überprüft mit Hilfe von Sensoren die Haltung und interveniert mit einem gestrengen "incorrect!", wenn die Übung nicht richtig ausgeführt wird. Allzu meditativ ist das Ganze allerdings nicht, die holprig zusammengeschusterten Anweisungen erinnern eher an die automatischen Durchsagen auf deutschen Bahnhöfen. Wem es noch nicht reicht, sich von einem Teppich zutexten zu lassen, kann die Matte zudem mit Alexa verbinden, dem ebenfalls sprechenden künstlichen Haus- und Hof-Assistenten des Online-Händlers Amazon. Erster Eindruck: Oje!
Der schöne Schein
Darauf hat die Selfie-Generation gewartet: eine App zur Schöpfung eines Fake-Ichs, die den eigenen Körper mit Hilfe von künstlicher Intelligenz so aussehen lässt, als hätte man 20 bis 30 Prozent an Gewicht verloren und dafür ordentlich Muskeln draufgepackt. Der US-Hersteller Envision Body versteht seine App als virtuellen Ansporn (oder Tritt in den Hintern), ein bisschen gesünder zu leben. Man kann jedoch das künstlich erschaffene Selbstbild auch als Foto oder Video weiterverbreiten und sich und anderen damit vorgaukeln, jemand zu sein, der man gar nicht ist - wer will da noch zurück in die Realität? Schein-Selbst statt Fitnessstudio: Der Zeichentrickfilm Wall-E, in dem Menschen zu lethargischen Nichtsnutzen verkommen sind, war offenbar doch keine Satire, sondern ein Blick in die Zukunft. Oje.
Das Sorglos-Armband
Wer auf seine Ernährung achten will oder aufgrund von Allergien oder Krankheiten muss, hat es künftig leichter: Die britische Tech-Firma DNA Nudge ermittelt per Gentest (das Unternehmen speichert keine Daten) Unverträglichkeiten, der Kunde kann dann beim Einkauf per Armband (oder per Smartphone) den Barcode eines Produkts scannen. Leuchtet das Armband grün, ist alles in Ordnung, rot heißt: lieber bleiben lassen. Das erspart das oft arg mühselige Lesen der Zutatenliste oder das Dechiffrieren von Nahrungsmittelangaben. Wer zudem freiwillig etwa auf Zucker, Salz oder Milchprodukte verzichten oder den Kauf von Süßigkeiten erst nach dem Verbrauch einer bestimmten Anzahl von Kalorien zuzulassen will, kann diese Informationen per App ergänzen. Erster Eindruck: Oh ja!
Der denkende Helm
Motorradfahrer sollten tunlichst die Hand am Lenkrad und die Augen geradeaus halten, statt während der Fahrt an der Landkarte am Tank zu nesteln oder aufs Smartphone zu gucken. Dabei helfen moderne Helme wie der X-AR von Jarvish. Er verfügt über eine Front- und eine Rückkamera, vor allem aber über ein transparentes Display, das aus Sicht des Fahrers gewissermaßen mit dem Visier verschmilzt. Es zeigt unter anderem die Geschwindigkeit, die geplante Route und Gefahrenstellen an, macht auf potenziell rutschige Fahrbahnen aufmerksam und registriert eingehende Anrufe. Gesteuert wird alles über Sprachbefehle. "Wir sind Teufelskerle, aber wir sind nicht naiv", sagt die Stimme in der Werbung dazu. Erster Eindruck - trotz es platten Spruchs: Oh ja!
Der Grübelstopper
Schlaflosigkeit ist eine Geißel - vor allem, wenn sie von einem Dauerstrom an Sorgen und Gedanken verursacht wird, der nicht abreißen will. Hier kommt das mit einem Gel gefüllte Elastikstirnband des US-Herstellers Ebb Therapeutics ins Spiel, der verspricht, die überreizten Hirngegenden zu kühlen und das Grübeln damit zu beenden. Ob das funktioniert, lässt sich nach erster Ansicht nicht sagen. Manchen wird es vielleicht helfen. Bei anderen könnte der nächtliche Gedankenstrom aber künftig auch wie folgt aussehen: Warum ist mein Konto überzogen? Wo sind meine Teenager-Kinder? Und warum trage ich ein breites, enges Stirnband mit einem riesigen Schlauch daran? Tendenz: Oje!
Wasser aus der Luft
Es klingt wie die Rückkehr in eine längst vergangene Zeit, in der die Menschen zum Fluss oder zum Brunnen liefen und Trinkwasser holten - ehe sie sich entschlossen, es in (Plastik-)Flaschen zu füllen, Hunderte von Kilometer zu transportieren und in Supermärkten zu verkaufen. Dank des US-Anbieters Zero Mass Water soll es künftig möglich sein, Wasser zu produzieren, indem man Solarpaneele installiert, von denen jedes aus Wasserteilchen in der Luft etwa 150 bis 300 Liter Wasser im Monat gewinnt. Die einmaligen Installationskosten (etwa 4000 Euro für vier Paneele plus etwa 450 Euro für jedes weitere) klingen zunächst hoch, allerdings fallen danach keine weiteren Kosten mehr an. Dank moderner Technik sollen die Anlagen sogar in Städten mit hoher Luftverschmutzung verwendet werden können. Erster Eindruck: Oh ja!
Befehl per Gehirnstrom
Es hört sich an wie der Trick eines Jedi-Ritters aus einem Star-Wars-Film: Über ein Stirnband wird das Gehirn vermessen - und dann auf die Probe gestellt. Im Experiment des französischen Unternehmens Nextmind gibt es auf dem Bildschirm eine Spielfigur zu sehen, die der Nutzer mit einem gewöhnlichen Controller steuern und hüpfen lassen kann. Was er nicht kann: Hindernisse aus dem Weg räumen - das soll er tun, indem er sich auf dieses Objekt konzentriert. Es passiert das Unglaubliche: Das Hindernis wird tatsächlich per Gedankenkraft in die Luft gesprengt. Das Unternehmen will die Technologie anderen Firmen zur Verfügung stellen, die sollen dann Videospiele und andere Produkte ersinnen, bei denen der Mensch Objekte mit seinen Gedanken kontrolliert. Erster Eindruck: Puh, oh ja!
Bass auf die Brust
Kein Musiker hat die Leute je gefragt, ob sie den Groove hören. Den kann man nur fühlen, und deshalb gibt es in einer Welt voller Kopfhörer nun den tragbaren Subwoofer Bass Me, der mit dem Headset, der Heimkino-Anlage oder der Spielekonsole verbunden und über die Schulter gelegt wird - und einen über das Vibrationsmodul am Brustbein so richtig durchschüttelt. Bass, Bass, wir brauchen Bass! Oh ja!