Bundesrechnungshof prüft Konjunkturpaket:Neue Vergabepraxis erhöht Korruptionsrisiko

Lesezeit: 2 min

Das Konjunkturpaket hat Deutschland im Jahr der Finanzkrise vor dem Schlimmsten bewahrt, viele Maßnahmen waren erfolgreich. Doch die Lockerung der öffentlichen Auftragsvergabe ist ein Rohrkrepierer. Sie sollte schnell spürbare Impulse bringen, stattdessen stiegen die Kosten - und die Manipulationsgefahr.

Guido Bohsem

Das Konjunkturpaket der großen Koalition im Kampf gegen die Finanzkrise gilt als großer Erfolg. Nach Einschätzung vieler Ökonomen halfen Kurzarbeitergeld, Abwrackprämie und Co 2009, die schwerste Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik zu überwinden. Ein wesentlicher Bestandteil des von Union und SPD aufgesetzten Pakets war laut einer Untersuchung des Bundesrechnungshofes jedoch nahezu wirkungslos: Es hat der Wirtschaft nicht geholfen, dass die Behörden die Bauvorhaben des Wachstumspakets nicht groß ausschreiben, sondern nach Gutdünken und möglichst rasch und regional vergeben durften. Stattdessen wurden allein beim Hochbau 50 bis 70 Millionen Euro mehr ausgegeben, als unter Wettbewerbsbedingungen notwendig gewesen wäre.

Arbeiten im City-Tunnel Leipzig: Um die Konjunktur anzukurbeln, durften Behörden Aufträge schneller vergeben. (Foto: SEYBOLDTPRESS)

"Die im Rahmen des Konjunkturpakets II erlassenen Vergabeerleichterungen haben nicht dazu geführt, Baumaßnahmen des Bundes zu beschleunigen", fasste Rechnungshof-Präsident Dieter Engels die Erkenntnisse seiner Prüfer zusammen. Stattdessen habe der Bund "deutliche Nachteile beim Wettbewerb sowie Mehrausgaben" in Kauf nehmen müssen. Zudem seien die Risiken für Korruption und Manipulation gestiegen.

Zur Förderung der Konjunktur konnten 2009 und 2010 Bauleistungen bis 100.000 Euro freihändig vergeben werden. Ging es um Vorhaben, die bis zu einer Million Euro kosten sollten, galt eine eingeschränkte Pflicht zu einer Ausschreibung. Normalerweise sind die Behörden verpflichtet, solche Aufträge möglichst weiträumig oder sogar europaweit auszuschreiben. Dadurch sollen sich mehr Firmen darum bewerben können. Die Hoffnung ist, so günstigere Preise erzielen zu können.

Die Einschränkung des Verfahrens sollte es nach Willen der schwarz-roten Koalition ermöglichen, die Aufträge schneller zu vergeben und die vielen Investitionsprojekte schneller voranzutreiben. Ziel war es, die dadurch entstehende Nachfrage nach Arbeitskräften möglichst schnell zu steigern.

Mehr als 16.000 Vergabeverfahren schauten sich die Bonner Prüfer an. Ihr Ergebnis: Weder beschleunigte die Sonderregel die Bauvorhaben, noch sorgte sie für weniger Bürokratie in den Verwaltungen. In aller Regel beanspruche die Vergabe im Vergleich zur Vorbereitung, Planung und Bauausführung einen ohnehin geringen Zeitanteil, schreibt der Rechnungshof über die Untersuchung.

Insgesamt haben nach den Erkenntnissen die Nachteile der Sonderregel überwogen: "Die Vergabeerleichterungen haben den Wettbewerb deutlich eingeschränkt", schreiben die Prüfer. So hätten sich im Schnitt zwölf Prozent weniger Unternehmen als zuvor um Aufträge im Hochbau bemüht. Bei Vorhaben zum Ausbau der Wasserstraßen waren es 15 Prozent. Im Durchschnitt seien Mehrausgaben von 13 Prozent verursacht worden. Weil viele Aufträge an regional ansässige Unternehmen vergeben und nicht ausgeschrieben wurden, befürchten die Prüfer zudem erhöhte Manipulations- und Korruptionsrisiken.

Der Rechnungshof kommt in seiner Untersuchung zu der Empfehlung, Vergabeerleichterungen künftig nicht mehr im Rahmen von Konjunkturpaketen einzusetzen. Auch seien keine ökonomischen Vorteile zu erkennen, die eine grundsätzliche Reform des Vergaberechts notwendig machten: "Vorteile der Vergabeerleichterung waren kaum erkennbar."

An anderer Stelle scheiterte die schnelle Vergabe übrigens schon im Ansatz: "Die für den Straßenbau des Bundes zuständigen Verwaltungen lehnten die Vergabeerleichterungen ab und ließen sie weitgehend unberücksichtigt", heißt es im Rechnungshof-Bericht. Die Beamten hätten sich darauf berufen, dass eine öffentliche Ausschreibung wirtschaftliche Ergebnisse und einen besseren Schutz vor Korruption gewährleiste.

© SZ vom 10.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: