Klage beim Bundesgerichtshof:Angriff auf die Deutsche Bahn

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Es geht um etliche Millionen Zugkilometer und ein lukratives Geschäft: Der Bundesgerichtshof prüft, ob die Deutsche Bahn die Regionalstrecken öffentlich ausschreiben muss.

Wolfgang Janisch und Daniela Kuhr

Das Verfahren ist von großer Tragweite für die gesamte Bahnbranche, denn es geht um viel Geld. Der Bundesgerichtshof (BGH) prüft derzeit, ob für Regionalzugstrecken eine Ausschreibungspflicht besteht - was der Deutschen Bahn (DB), die in der Vergangenheit meist per Direktvergabe den Zuschlag erhielt, ein lukratives Geschäft erschweren könnte. Am Dienstag verhandelte der BGH in Karlsruhe über eine Klage des Bahnbetreibers Abellio, der der DB in Nordrhein-Westfalen Konkurrenz machen möchte und deshalb gegen die Vergabepraxis des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR) vorgeht.

Der Bundesgerichtshof kümmert sich um die Deutsche Bahn - und verhandelt eine Klage des Bahnbetreibers Abellio. (Foto: AFP)

Doch ob es überhaupt zu einem Urteil kommt, ist nach der Verhandlung höchst ungewiss. Denn hinter den Kulissen werden Vergleichsverhandlungen geführt - offenkundig mit dem Ziel, ein für die DB ungünstiges Grundsatzurteil zu verhindern. Zwar scheiterten VRR und DB mit einem Antrag, die Verhandlung abzusetzen. Der BGH-Senatsvorsitzende Peter Meier-Beck wird das Urteil jedoch wohl erst nächstes Jahr verkünden, damit die Beteiligten eine "anderweitige Erledigung" prüfen könnten.

Sieben Milliarden Euro stellt der Bund den Ländern Jahr für Jahr für die Finanzierung des Nahverkehrs zur Verfügung. Mit diesen "Regionalisierungsmitteln" bestellen die Aufgabenträger in den Ländern Verkehrsleistungen bei den Bahnunternehmen - bisher meist direkt bei der DB. Diese hat im Nahverkehr daher bislang immer noch einen Marktanteil von 80 Prozent. Wettbewerber der DB haben in der Regel nur dann eine Chance, einen Verkehrsvertrag zu ergattern, wenn der Aufgabenträger den Vertrag ausschreibt. Und genau das könnte in Zukunft deutlich häufiger geschehen als bislang. Das zumindest erhoffen sich die Wettbewerber von dem BGH-Verfahren. Im konkreten Fall hatte der VRR im Jahr 2004 mit DB Regio einen Verkehrsvertrag abgeschlossen. Als die Mittel knapper wurden, drang der VRR auf Nachverhandlungen - die schließlich in einen Änderungsvertrag mündeten: Die Bahn versprach dem VRR Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe, vor allem in neue S-Bahnen und Regionalzüge. Im Gegenzug verlängerte der VRR im Herbst 2009 den Verkehrsvertrag, so dass DB Regio dort nun bis 2023 fahren darf.

Abellio Rail, eine Tochter der niederländischen Staatsbahn, pochte indes darauf, dass nach dem neuen Vergaberecht der Änderungsvertrag hätte ausgeschrieben werden müssen. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf gab ihm recht, legte den Fall aber wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung des OLG Brandenburg dem BGH vor. Ob der BGH eine Ausschreibungspflicht für angezeigt hält, ist nach der Verhandlung ungewiss: "Eindeutig scheint die Gesetzeslage weder in der einen noch in der anderen Hinsicht zu sein", sagte BGH-Senatsvorsitzender Meier-Beck. Zugleich aber machte er deutlich, dass der Einigungsspielraum der Beteiligten keineswegs beliebig groß ist. Wenn solche Verträge vergaberechtlich ausgeschrieben werden müssten, dann ändere auch ein Vergleich unter den Beteiligten daran nichts.

Sollte der BGH die Entscheidung bestätigen, dürften die Aufgabenträger überhaupt keine Verträge mehr direkt an DB Regio vergeben. Für die Branche ist das vor allem deshalb von großer Bedeutung, weil demnächst zahlreiche langjährige Verkehrsverträge auslaufen. 110 Vergabeverfahren werden in den kommenden fünf Jahren erwartet. Es geht um 350 Millionen Zugkilometer und damit um weit mehr als die Hälfte des deutschen Nahverkehrsmarkts. Bis 2018 wird der gesamte Markt einmal neu vergeben sein.

© SZ vom 08.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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