Bundesbeteiligungen:Ökonomen warnen vor staatlichem Ausverkauf

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Maschinen der Lufthansa am Frankfurter Flughafen. Wegen der Pandemie ist das Unternehmen in die Krise geraten, der Bund hat sich beteiligt. (Foto: Michael Probst/AP)

Wirtschaftsminister Altmaier könnte sich vorstellen, in der Krise Unternehmensanteile des Bundes zu veräußern. Ökonomen halten wenig davon - selbst solche, denen der Einfluss des Staates zu weit geht.

Von Michael Bauchmüller und Cerstin Gammelin, Berlin

Was dem Bund so alles gehört, füllt allein in der jüngsten Fassung ganze 402 Seiten: im Beteiligungsbericht des Bundes. Es ist, um mal im Bild zu bleiben, die mit Samt ausgeschlagene Schublade für das Tafelsilber. Wenn es ans Eingemachte geht, dann hätte der Bund hier durchaus noch die eine oder andere Reserve. Und über deren Verkauf, so hat es jedenfalls Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Wochenende angeregt, könne man in der aktuellen Situation mal nachdenken.

Schließlich sei der Wert der staatlichen Beteiligungen in den vergangenen Jahren "ordentlich gewachsen", verriet der Wirtschaftsminister der Welt am Sonntag. Deshalb könne man darüber nachdenken, diese Beteiligungen "zurückzufahren". "Auch das bringt Geld in die Staatskasse, das wir für Zukunftsinvestitionen gut gebrauchen können", räsonierte Altmaier. Also nix wie weg mit dem Tafelsilber?

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Experten sind mehr als skeptisch - und zwar unabhängig davon, wie sie zur Rolle des Staates in der Wirtschaft stehen. "Der Staat sollte sich nur in gut begründeten Ausnahmefällen an Unternehmen beteiligen", sagt etwa Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts, der SZ. Schon deshalb sei es immer richtig, bestehende Beteiligungen kritisch zu hinterfragen. "Haushaltslücken sollten aber kein Grund sein, Beteiligungen zu veräußern." Das könne der Staat vielleicht machen, um Liquiditätsprobleme abzufangen. Das aber sei in der Pandemie-Krise nicht der Fall.

"Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist das Unsinn."

Der Würzburger Ökonom Peter Bofinger geht noch weiter: "Völlig unsinnig" sei es, Staatsbeteiligungen zu verkaufen, um Schulden abzubauen - in Zeiten, in denen die Zinsen negativ sind und der Staat noch Geld bekommt, wenn er sich verschuldet, während die Beteiligungen doch eine positive Rendite abwerfen. "Es mag andere Gründe geben zu überlegen, ob sich der Staat an Unternehmen beteiligen soll, aber aus volkswirtschaftlicher Sicht ist das Unsinn", findet Bofinger.

Wobei das mit den Renditen von Fall zu Fall unterschiedlich ist. Die bekanntesten Beteiligungen des Bundes sind neben der Telekom die coronageplagte Bahn, die lange kriselnde Commerzbank und seit Kurzem auch die überwiegend am Boden gefesselte Lufthansa. Hinzu kommen Anteile an Flughäfen, an diversen Baugenossenschaften, an Flugsicherung und Bundesdruckerei - aber auch alle möglichen Firmen, die nicht auf Renditen ausgelegt sind. Etwa diverse Bundesfirmen rund um Atommüll und seine Lagerung, Forschungseinrichtungen oder in GmbHs umgebaute Altlasten. An 104 Unternehmen war der Bund laut dem jüngsten Beteiligungsbericht 2019 unmittelbar beteiligt, hinzu kommen mittelbare Beteiligungen wie etwa an der Deutschen Post. Zu den erfolgreichsten Beteiligungen der jüngeren Zeit dürfte der 300-Millionen-Euro-Einstieg des Bundes beim Tübinger Impfstoff-Hersteller Curevac im August zählen - die Aktie hat seitdem deutlich zugelegt. Ein Deal allerdings, den Ökonomen wie Lars Feld von Beginn an für fragwürdig gehalten haben.

Feld, Chef des Sachverständigenrats, kann dem Verkauf von Beteiligungen zumindest ordnungspolitisch etwas abgewinnen. Schließlich treffe die Privatwirtschaft "langfristig tragfähigere Unternehmensentscheidungen", der Wettbewerb würde weniger verzerrt. Ein solcher Verkauf könne auch die Staatsverschuldung vermindern, nur: Auf die Schuldenbremse habe das keine Auswirkung, "weil es sich um eine finanzielle Transaktion handelt".

Die jüngst aufgeflammte Diskussion über die Schuldenbremse ließe sich so also nicht lösen, denn unterm Strich änderte sich nichts für den Staat. Jedenfalls nicht zum Guten, findet Sebastian Dullien, Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung. "Mit dem Instrument der Schuldenbremse will der Staat ja die Vermögensposition der jungen Generation sichern", sagt Dullien. "Ein Verkauf der Staatsbeteiligungen wäre hier kontraproduktiv."

Ohnehin habe Altmaier keine spezielle Beteiligung im Auge gehabt, mit deren Verkauf er die Staatskasse auffüllen wolle, heißt es in seinem Ministerium. Sein Ziel sei es gewesen, eine Diskussion anzustoßen. Das zumindest hat geklappt.

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