Energiewende:Plötzlicher Boom für die Windkraft

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Vor der Umstellung der Förderung wurden noch einmal Tausende Windräder genehmigt. (Foto: dpa)
  • Die Förderung der Windkraft wird umgestellt. Die Branche fürchtete deshalb starke Einbußen.
  • Doch das Gegenteil trat ein: Zuletzt gab es noch einmal einen regelrechten Boom, mehr als 2000 neue Windräder wurden genehmigt.

Von Michael Bauchmüller, Berlin/Essen

Keine acht Monate ist es her, da demonstrierte die Windbranche in Berlin. "Warnminute 5 vor 12", lautete das Motto der Proteste im Mai, "Energiewende retten!" Ein neues Gesetz war in Arbeit, es sollte die Förderung der Windparks komplett umstellen. Die Windmüller wähnten ihr Ende. Doch es kam anders.

Denn offensichtlich führt die Umstellung der Förderung in nächster Zeit zum schieren Gegenteil. Weil um 5 vor 12 noch besonders viele neue Windparks genehmigt wurden, werden nicht weniger, sondern mehr neue Windräder gebaut. Die Pipeline, so gab Energie-Staatssekretär Rainer Baake jetzt beim SZ-Führungstreffen Energie in Essen bekannt, umfasse satte 8500 Megawatt. Das entspricht mehr als 2000 neuen Windrädern oder der Leistung von sechs Atomkraftwerken. "Wir bewegen uns am oberen Rand der Ausbaukorridore", sagt Baake. Die Koalition hatte ursprünglich bis 2025 einen Ökostrom-Anteil von 40 bis 45 Prozent angepeilt. Experten schließen nicht aus, dass der Anteil von Wind, Sonne und Co bis dahin sogar über den 45 Prozent liegen könnte. Derzeit sind es knapp 30 Prozent.

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Nach Ansicht der Prüfer vernachlässigt sie die Kontrolle des Milliardenprojekts. Besonders deutlich fällt die Kritik an Wirtschaftsminister Gabriel aus.

Auch für die Branche ist der Jammer vom vergangenen Mai mittlerweile vergessen. "Wir können zufrieden sein", sagt Hermann Albers, Chef des Wind-Verbands BWE. Insgesamt habe sich der Zubau stabilisiert und konzentriere sich nicht mehr allein auf die windreichen Regionen des Nordens. Das legen auch neue Zahlen der Branche nahe. Demnach wurden im vorigen Jahr bundesweit knapp 1300 neue Windräder angeschlossen, mit einer Gesamtleistung von 4260 Megawatt - der zweitbeste Wert in der Geschichte, nur 2014 wurden mehr Windräder errichtet. Neben den Küstenländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein legte die Windkraft aber auch im Hinterland zu, etwa in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg oder Thüringen. Bundesweit drehen sich mittlerweile 27 000 Windräder mit einer Gesamtleistung von 46 000 Megawatt.

Im laufenden Jahr dürfte nun der nächste Rekord folgen. "Wir erwarten für 2017 einen Bruttozubau zwischen 4500 und 5000 Megawatt", sagt Matthias Zelinger, Geschäftsführer des Maschinenbau-Verbands VDMA Power System. "Es können aber auch mehr sein." Schließlich gebe es ja auch Vorzieheffekte. "Es war klar, dass es einen Run geben wird", so Zelinger. Allerdings hat die Branche den Run unterschätzt: Ihre Zahlen basieren auf Last-Minute-Genehmigungen im Umfang von 6100 Megawatt. Die restlichen 2400 Megawatt müssen in der allerletzten Minute hinzugekommen sein, womöglich auch wegen eifriger Behörden in Bundesländern, in denen Grüne mit an der Regierung sind.

Wer noch eine Genehmigung erhalten hat, steht nun allerdings vor einer schwierigen Entscheidung. Denn er kann nach alten oder neuen Vorgaben bauen. Er hat also die Wahl zwischen den gesetzlich vorgegebenen Vergütungssätzen, wie sie bis Ende vorigen Jahres galten - oder dem neuen Verfahren, per Ausschreibung.

Für jedes Windrad zahlen die Verbraucher mit

Erstmals zum 1. Mai können sich Betreiber hier mit ihren Projekten beteiligen. Den Zuschlag erhält, wer zu den niedrigsten Fördersätzen baut, der Rest geht leer aus. Die Gesamtmenge je Ausschreibungsrunde ist begrenzt. Für die Betreiber ist es ein Pokerspiel: Setzen sie auf das alte Förderregime, müssen sie sich nämlich beeilen. Erstens muss der genehmigte Windpark bis Ende 2018 am Netz sein. Zweitens schmilzt die Förderung schnell dahin. Wer etwa diesen Februar den ersten Strom einspeist, erhält dafür noch mehr als acht Cent je Kilowattstunde. In einem Jahr sind es 7,5 Cent, Ende 2018 7 Cent. Ein Cent Unterschied bei der Förderung, das macht je Windrad um die 50 000 Euro aus - im Jahr.

Wie viele der Projekte deshalb tatsächlich nach den alten Fördersätzen gebaut werden, wie viele stattdessen ihr Glück in Ausschreibungen suchen - niemand weiß es. Noch bis Ende dieses Monats haben die Betreiber Zeit, sich zu entscheiden. "Ich vermute, dass die Genehmigungen am Ende auch genutzt werden", sagt Wind-Verbands-Chef Albers. "Alle werden bemüht sein, so früh wie möglich ihre Projekte umzusetzen."

Doch der neue Boom verspricht auch neue Strompreis-Diskussionen im Wahljahr. Denn die Stromverbraucher zahlen über die Ökostrom-Umlage für jedes Windrad mit. Wie viel sie aber für den neuen Windboom draufzahlen, hängt vor allem von der Höhe der Fördersätze ab - und die, so erwartet Energie-Staatssekretär Baake, dürften durch die Ausschreibung in Zukunft ordentlich unter Druck kommen. Das jedenfalls zeigten die Erfahrungen aus der Solarförderung, wo der Bund seit 2015 mit Ausschreibungen arbeitet. "Bei den Pilotausschreibungen für Photovoltaik ist in kurzer Zeit die Vergütung um 30 Prozent gesunken", sagt Baake. Dies wiederum komme den Stromkunden zugute - die "positive Folge von Wettbewerb".

Auch die Branche selbst sieht den wachsenden Wettbewerb mittlerweile weitaus gelassener. "Wir sind auf Kostensenkungskurs", sagt Matthias Zelinger vom VDMA. Und selbst, wenn alle 5-vor-12-Genehmigungen irgendwann zu Windrädern geworden sind, gibt es noch genug zu tun: Zwei Drittel der Anlagen werden exportiert.

© SZ vom 08.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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