Manager-Boni:Sture VW-Manager rücken Boni ins Zwielicht

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: sz)

Wie fair sind Vergütungsregeln, die selbst mutmaßlichen Betrug noch belohnen? Der Fall VW wirft grundsätzliche Fragen an Boni auf.

Von Harald Freiberger, München

Im Wort "Bonus" steckt das Wort "gut". Der Franzose etwa sagt bon, wenn er etwas gut findet. Da ist es verwunderlich, welch schlechten Ruf das Wort Bonus hat und in welch negativem Zusammenhang es regelmäßig auftaucht. In diesen Tagen ist von "Raffkes" die Rede. Gemeint sind die Top-Manager von VW, die "den Hals nicht vollkriegen", weil sie auf ihre Millionen-Boni nicht verzichten wollen, obwohl ihr Konzern nach dem Abgas-Skandal in eine existenzbedrohende Krise geraten ist.

Der Bonus ist zum Reizwort in der Wirtschaftswelt geworden. Es kommt dann ins Spiel, wenn etwas fundamental schiefgelaufen ist. Das war schon in der Finanzkrise nach 2008 so. Es ist ein Synonym für die unermessliche Gier von Managern, die mit ihren Fehlleistungen das eigene Unternehmen und die ganze Gesellschaft an den Rand des Abgrunds bringen. Jörg Rocholl, Wirtschaftsprofessor am Berliner ESMT-Institut für Management, hat sich viel mit Boni beschäftigt. Er weiß, warum das Thema so viel Zündstoff birgt: "Die Bezahlung der Führungskräfte ist auch eine Frage von Vertrauen gegenüber den Arbeitnehmern und der Öffentlichkeit", sagt er. Soziale Marktwirtschaft funktioniere nur unter fairen Vergütungsstrukturen.

In dieser Hinsicht wirft der Fall VW viele Fragen auf: Wie fair sind Vergütungsregeln, die selbst mutmaßlichen Betrug noch belohnen? Ist VW ein spezieller Fall, oder weist er auf ein grundsätzliches Problem deutscher Großkonzerne hin? Wie transparent sind die Boni-Regeln in Deutschland? Und schließlich ganz grundsätzlich: Sind Boni, also der Versuch, die Leistung von Managern zu belohnen, ein Irrweg?

Früher war das einfacher. Da wusste jeder Beschäftigte in Deutschland, vom Arbeiter am Fließband bis zum Vorstandschef, schon Anfang des Jahres, wie viel er am Ende verdienen wird. Es gab ausschließlich Festgehälter, dazu vielleicht eine kleine Belohnung, wenn es gut lief. Vor etwa drei Jahrzehnten fingen amerikanische Unternehmen an, die Höhe des Gehalts von messbaren Leistungen abhängig zu machen, etwa vom Verkauf.

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Ein Teil davon könnte aber später noch an die Manager ausbezahlt werden. Mit diesem Vorschlag will der Vorstand den Streit mit dem Aufsichtsrat beenden.

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Der Bonus wurde auch in deutschen Unternehmen üblich, zunächst vor allem in Branchen, in denen es vor allem ums Verkaufen ging wie in Banken oder Versicherungen. Einen ersten Höhepunkt erreichte die Bonus-Welle am Neuen Markt um die Jahrtausendwende, wo die Chefs von Technologie-Klitschen, die an die Börse gingen, mit völlig überdimensionierten Aktien-Programmen verwöhnt wurden - eine Zeit, die Forscher Rocholl untersucht hat. "Dort ließ sich beobachten, wohin es führt, wenn sich Unternehmen bei den Managergehältern vom gesellschaftlichen Konsens verabschieden", sagt er.

Banker, die mit 80 Millionen belohnt wurden. Ihr Erfolg gründete auf Zinsmanipulation

Nach dem Platzen der Internet-Blase setzte sich die Welle vor allem in der Finanzbranche fort. Besonders Investmentbanker, die mit zweifelhaften Produkten Geschäfte machten, erhielten astronomisch hohe Boni. Berühmtheit erlangte Christian Bittar, ein Händler der Deutschen Bank in London, dem 2008 ein Bonus von 80 Millionen Euro zustand. Er hatte für seine Bank "Berge von Geld" erwirtschaftet, wie es später in einem Untersuchungsbericht hieß. Und zwar gerade mit Zinsgeschäften, die sich als manipuliert herausstellten.

"Die Finanzkrise hat gezeigt, dass Boni, die auf kurzfristigen Erfolg abstellen, der falsche Weg waren", sagt Rocholl. Einige Bankmanager seien hohe Risiken eingegangen, um das Ergebnis nach oben zu treiben. Tragen mussten die Risiken die Steuerzahler, deren Geld die Banken rettete.

Die Regulierer zwangen die Unternehmen daraufhin, die Boni an langfristigen Erfolg zu knüpfen. Die meisten Konzerne haben das inzwischen getan, auch in anderen Branchen. Meist wird nur noch ein Teil der Leistungskomponente sofort ausgezahlt, der größere Teil fließt erst in drei, vier oder fünf Jahren. Dann, wenn sich gezeigt haben soll, ob der Erfolg nachhaltig war. Gemessen wird das an verschiedenen Kriterien: dem Gewinn, der Zufriedenheit von Kunden und Mitarbeitern, anderen Zielen. Zwei Drittel der 30 Dax-Konzerne haben inzwischen solche Bonus-Komponenten, die auf die Zukunft gerichtet sind.

Das Vergütungssystem von VW ist da eine Ausnahme, weil die Zahlung der Boni ausschließlich von Ergebnissen der Vergangenheit abhängt, nämlich der vergangenen vier Jahre. "Negative Ereignisse wirken sich dadurch erst mit Verzögerung aus", sagt Michael Kramarsch, Vergütungsexperte der Personalberatung hkp.

Dennoch fördert der Fall VW ein grundsätzliches Problem zutage: "Kein Vergütungssystem kann einen schwarzen Schwan in einer Formel abbilden", sagt Kramarsch. Er meint damit ein unvorhersehbares Ereignis, das ein Unternehmen tief in die Krise stürzt. Allerdings habe der Aufsichtsrat die Möglichkeit einzugreifen, wenn sich die Lage dramatisch verschlechtert und "die Gewährung von Bezügen nicht mehr billig ist". Das steht sogar im Aktiengesetz. Wirtschaftsprofessor Rocholl hält eine Klausel für sinnvoll, "die es möglich macht, in einer Notlage zugesagte Boni zurückzuhalten".

Die Transparenz der Vergütungsregeln ist zumindest bei den Dax-Konzernen nicht das Problem. Fast alle 30 Unternehmen veröffentlichen Festgehalt und Boni ihrer Vorstände nach den Vorschlägen des deutschen Corporate-Governance-Kodexes, der Regeln für gute Unternehmensführung festlegt. Daraus ist abzulesen, wie hoch die Boni sind, welche Teile gleich ausgezahlt und welche nach welchen Kriterien wie lange zurückgehalten werden.

Bei kleineren Unternehmen, im M- oder S-Dax, wird es dagegen in Sachen Transparenz "schnell düster", sagt Kramarsch. Fast ein Drittel dieser Unternehmen veröffentlicht die Vergütungen nicht individuell. Viele nutzen die Optionen, die das Handelsgesetzbuch noch bietet, um den Ausweis der Boni zu vermeiden.

Ein Fußballspieler bekommt auch keine Prämie, wenn er Tore schießt, aber das Team verliert

Müssen die Bonus-Regeln geändert werden? Derzeit schreibt das Aktiengesetz nur allgemein vor, dass feste und variable Vergütung im richtigen Verhältnis stehen sollen, dass die Lage des Unternehmens berücksichtigt wird. Der Corporate-Governance-Kodex spricht zudem von professioneller Entscheidung und höchstmöglicher Transparenz. Das hält Kramarsch für den richtigen Weg. "Eine detailliertere Regelung wird immer wieder zu unerwünschten Nebenwirkungen führen", sagt er.

Eine solche Nebenwirkung zeigte sich, als die EU nach der Finanzkrise die Boni von Banken gesetzlich beschränkte: Sie dürfen bei Vorständen nur noch so hoch sein wie das Festgehalt, wenn die Aktionäre zustimmen, doppelt so hoch. "Die Banken haben als Ausgleich die Festvergütung erhöht", sagt Kramarsch. Die Folgen sind absurd, wie das Beispiel der Deutschen Bank zeigt: Co-Chef Jürgen Fitschen erhielt zuletzt fix 3,8 Millionen Euro im Jahr, obwohl das Institut einen Rekordverlust machte. Das ist fast so viel wie der Durchschnittsverdienst aller Dax-Vorstandschefs inklusive Boni.

In den USA, wo der Bonus erfunden wurde, diskutieren Akademiker schon, ob man nicht wieder zum reinen Festgehalt zurückkehren sollte. Wissenschaftler und Vergütungsexperten in Deutschland halten Boni nach wie vor grundsätzlich für etwas Gutes. "Ich finde Leistungsanreize positiv, sie müssen aber langfristig verankert werden", sagt Rocholl, der ein Beispiel aus dem Fußball anführt: Die Spieler der Nationalmannschaft strengten sich auch mehr an, wenn sie eine Prämie für den Gewinn der Europameisterschaft in Aussicht gestellt bekämen.

Dabei müsse aber die Gesamtlage des Unternehmens im Mittelpunkt stehen: Es muss sich die Boni auch leisten können. "Im Fußball bekommt ein Stürmer auch keine Erfolgsprämie, wenn seine Mannschaft 2:7 verliert, er aber beide Tore geschossen hat", sagt der Forscher.

© SZ vom 15.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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