Abgasaffäre:US-Staranwalt erhöht den Druck auf VW

VW in den USA

Die amerikanische Kanzlei Hausfeld vertritt nach eigenen Angaben bereits Tausende VW-Kunden in Europa - und hat jetzt Akteneinsicht bei VW gefordert.

(Foto: Friso Gentsch/dpa)

Der Autobauer ignoriert die Briefe der Kanzlei Hausfeld bislang - die rüstet sich jetzt für einen harten Kampf.

Von Markus Balser und Klaus Ott

Seit Wochen schon versucht der amerikanische Staranwalt Michael Hausfeld, mit der VW-Spitze im Streit um milliardenschweren Schadenersatz für Europas Kunden ins Gespräch zu kommen. Doch Europas größter Autokonzern lässt die Kanzlei aus Washington regelmäßig abblitzen. Ein erster Brief an VW-Chef Matthias Müller ließ die Konzernspitze schlicht unbeantwortet - die gesetzte Frist verstrich. Einen zweiten nahm sie nicht mal mehr an. Den Boten, der mit der Bitte um wichtige Akten eigens nach Wolfsburg gereist war, wimmelte man am Werkstor ab.

Hausfeld, 70, ein Mann mit sanfter Stimme und einer Vorliebe für bunte Fliegen, ist harte Gegner gewohnt. Er hat gegen die größten Konzerne der Welt gekämpft - in Sammelklagen für Naziopfer, gegen die Zigarettenindustrie oder gegen Ölkonzerne. Und er hat Milliarden für seine Klienten erstritten. Der Fall VW aber beschert auch dem Juristen, der schon so viel erlebt hat, neue Erfahrungen. "Wir hatten viele verschlossene Gegner. Aber keiner war jemals so arrogant", sagte Hausfeld der Süddeutschen Zeitung.

Hausfelds Kanzlei beantragt Akteneinsicht bei VW

Nun aber geht die Kanzlei endgültig in die Offensive. Sie unternimmt jetzt einen Vorstoß in den USA, der VW neue Probleme bereiten könnte. Die Kanzlei beantragte in einem 24-seitigen Papier beim zuständigen United States District Court im kalifornischen San Francisco Akteneinsicht für europäische VW-Kunden. Was nach Nebensache klingt, hat Breitenwirkung: Kommt Hausfeld mit diesem Schachzug durch, kann die Kanzlei auf Tausende Daten in der Affäre zugreifen, deren Herausgabe VW verweigert. Das könnte die Ausgangslage in den Prozessen um die manipulierten Abgastests stark verändern.

Im Papier greift Hausfeld den Konzern, der mit US-Behörden gerade über einen Vergleich verhandelt, scharf an. Die Käufer hätten ihre Autos unter dem falschen Eindruck gekauft, sie seien "saubere Diesel"-Fahrzeuge, heißt es in dem Antrag. Volkswagen habe jedoch betrügerisch und vorsätzlich eine Schummelsoftware eingesetzt. So habe der Konzern nicht nur Behörden bei Emissionstests getäuscht. "Auch die Kunden dachten, sie kaufen grüne Autos. Das waren sie ganz sicher nicht", sagt Hausfeld. Stattdessen würden die höheren Emissionen die Gesundheit der Europäer beeinträchtigen.

Bei den Daten, die VW herausgeben soll, geht es etwa um interne Korrespondenz. Ein solcher Antrag ist nach US-Recht zur Unterstützung von Rechtsstreitigkeiten im Ausland möglich. Das Ziel Hausfelds liegt im Fall VW aber nicht nur in den USA. Die Kanzlei will wahrscheinlich auch in Deutschland im Namen Tausender europäischer Kunden gegen den Konzern Klage erheben. Bislang ist VW nur in den USA bereit, den dort betroffenen 600 000 Kunden in der Abgasaffäre eine Entschädigung von je 1000 Dollar zu zahlen. Die achteinhalb Millionen Kunden in Europa hingegen könnten leer ausgehen. Hausfeld sagt, er wolle verhindern, "dass Autokäufer in Europa zu Kunden zweiter Klasse werden". Die hätten schließlich für etwas gezahlt, was ihnen dann nicht geliefert worden sei.

Der Anwalt bündelt nach eigenen Angaben die Klagen einiger Zehntausend

Hausfeld betritt in Europa juristisches Neuland. Denn Sammelklagen gibt es hier bislang nicht. Deshalb will die Kanzlei möglichst viele Kunden bündeln. Hausfeld vertritt nach eigenen Angaben zusammen mit einem Netzwerk bereits jetzt einige Zehntausend Mandanten. Darunter nicht nur Verbraucher, sondern auch Unternehmen. Dazu gehören etwa Betreiber von VW-Flotten mit Tausenden Fahrzeugen im Bestand. Und es könnten noch mehr werden. In diesen Tagen will die Kanzlei eine Registrierungskampagne im Internet starten, um in Europa weitere Mandanten zu gewinnen. VW-Kunden sollen kostenfrei gegen den Konzern vorgehen können, wenn sie ihre Rechte abtreten. Im Fall eines Erfolgs werden sie an den Erlösen beteiligt. Bei einer Niederlage sollen sie nichts zahlen.

Hausfelds Kanzlei ist nicht die einzige, die in großem Stil Mandanten sammelt. Die Folge: Am Ende könnten Hunderttausende Klagen bei wenigen deutschen Gerichten eingehen. Die Justiz wäre überfordert. Nach Ansicht von Hausfeld wäre dann die Politik gefordert. Denn neben Schadenersatz will der streitbare Anwalt noch etwas anderes erreichen: Der Fall VW soll dazu führen, dass auch in Europa das Rechtsinstrument der Sammelklage eingeführt wird. "Der Fall macht klar, dass Deutschland dies braucht. Es muss für Kunden einen Weg geben, zusammen für ihre Rechte zu kämpfen", sagt Hausfeld. Bislang müssen Kunden im Alleingang vor Gericht - ein kostspieliger und zeitraubender Weg. Die Kanzlei hofft, dass die Abgas-Affäre die deutsche Haltung ändert. "Sammelklagen sind ein guter Gegner für die Macht der Konzerne", so der Anwalt. Die Bundesregierung tue in der Abgasaffäre bislang bei der Aufklärung zu wenig, kritisiert er. Treibende Kraft seien hier bislang die amerikanischen Behörden.

Auch VW ist freilich gut aufgestellt. Der Autokonzern hat versierte Juristen und hat zudem diverse Kanzleien angeheuert, um sich nach besten Kräften zu wehren. Es wird ein harter Kampf, für beide Seiten.

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