Abgasaffäre:VW-Boni sollen um die Hälfte gekürzt werden

Abgasaffäre: Illustration: Stefan Dimitrov

Illustration: Stefan Dimitrov

Ein Teil davon könnte aber später noch an die Manager ausbezahlt werden. Mit diesem Vorschlag will der Vorstand den Streit mit dem Aufsichtsrat beenden.

Von Thomas Fromm und Klaus Ott, München/Wolfsburg

Halbe-halbe, das ist die Formel, die bei Volkswagen den Streit um Bonuszahlungen für den Vorstand beenden soll. Einen Streit, den sich der Autokonzern inmitten der Abgasaffäre und der größten Krise der Unternehmensgeschichte eigentlich gar nicht leisten kann. Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR ist der von Matthias Müller geleitete Vorstand bereit, auf rund die Hälfte der vertraglich garantierten Boni zu verzichten.

Teils endgültig, teils vorläufig.

Für jeden Manager müsste das eigens berechnet werden; einige kämen bei dieser Lösung immer noch in den Genuss einer Sonderzahlung von mehr als einer Million Euro, zusätzlich zum Grundgehalt in Millionenhöhe. Ob das angesichts drohender Strafen und Schadensersatzzahlungen in den USA von vielen Milliarden Dollar dem eigenen Aufsichtsrat, den 600 000 Beschäftigten, den vielen Millionen Kunden und der Öffentlichkeit vermittelbar wäre, bleibt abzuwarten. Stimmt der Aufsichtsrat nicht zu, dann wird ohnehin nichts aus dieser Lösung.

Ein Teil wird womöglich später doch noch ausbezahlt

Intern wird bei VW weiter intensiv diskutiert. Nach Angaben aus der Konzernspitze haben sich Müller und seine Vorstandskollegen auf eine Art "Halbe-halbe-Vorschlag" verständigt, um ein, wie es heißt, "Signal" zu setzen. Ein Signal, dass man den Ernst der Lage verstanden habe. Das Modell ist allerdings nicht so einfach, wie es klingt. Denn die eine Hälfte, die nicht ausbezahlt würde, setzt sich aus zwei Teilen zusammen. Der eine, der offenbar größere Teil, fällt weg. Der andere, der kleinere Teil, wird zurückgelegt. Bei diesem Teil wird im Verlauf der nächsten Jahre aufgrund der Geschäftsentwicklung bei VW entschieden, ob er nachträglich doch noch an das Management ausbezahlt wird oder nicht.

Entschieden werden müsste hier noch, wie genau dieses Geld zurückgelegt wird. Ob es sich um Aktien oder Aktienoptionen handeln soll, ob diese Beträge in eine Stiftung gehen, die später bestimmte Projekte bei Volkswagen finanzieren würde, sofern das Geld am Ende im Unternehmen verbliebe. An Ideen herrscht derzeit kein Mangel, und der Teufel steckt im Detail: Der Teil der Boni, der nicht ausbezahlt, sondern zurückgelegt werden soll, betrifft nach Angaben aus Unternehmenskreisen vor allem jene Boni, die sich nach dem Verlauf der vergangenen vier Geschäftsjahre richten.

Die Höhe dieser Bonuszahlungen richtet sich unter anderem nach der Zahl der verkauften Fahrzeuge und der erwirtschafteten Rendite. Und auch danach, wie zufrieden die Mitarbeiter und die Kunden mit dem Unternehmen waren. Hierfür gibt es bei Volkswagen ein eigens eingerichtetes "Stimmungsbarometer", das auf Umfragen bei der Belegschaft beruht. Angesichts der Boni-Debatte dürfte so ein Stimmungsbarometer in diesen Tagen nicht besonders gut ausfallen - anders als in früheren Zeiten.

Ausgerechnet Aufsichtsratschef Pötsch müsste wohl das meiste Geld hergeben

Da VW bis zur Abgasaffäre, also bis September 2015, gut dastand, würde der Boni-Anteil für die vergangenen vier Jahre immer noch recht hoch ausfallen. Trotz vermutlich roter Zahlen für 2015. Daher möglicherweise wohl die Überlegung, diesen Boni-Teil zurückzulegen und abzuwarten, was aus Volkswagen wird. Das betrifft nicht nur die Boni einzelner Vorstände. Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch müsste wohl das meiste Geld hergeben.

Pötsch hatte bei seinem Wechsel vom Vorstand in das Kontrollgremium im Oktober 2015 eine für ihn sehr günstige Vereinbarung ausgehandelt. Er bekommt seinen Vorstandsvertrag, der bis Ende 2017 gelaufen wäre, nach und nach vollständig ausbezahlt. Inklusive Boni, auf der Basis früherer Geschäftsjahre mit guten Zahlen, zufriedenen Mitarbeitern und zufriedenen Kunden. Der Vorstandsvertrag war weit höher dotiert als ein Aufsichtsratsvorsitz. Pikant an der jetzigen Konstruktion: Was aus dem Halbe-halbe-Vorschlag des Vorstands wird, hängt vom Aufsichtsrat ab - also auch von Pötsch selbst.

Betroffen von der Debatte sind auch etliche andere Führungskräfte

Teile des Kontrollgremiums um Niedersachsens Ministerpräsent Stephan Weil fordern angesichts von Abgasaffäre und Konzernkrise eine kräftige Senkung der Boni. Von einer "robusten" Kürzung ist die Rede. Auch Betriebsrat und IG Metall, die im Aufsichtsrat vertreten sind, sehen das so. Weil sagte am Donnerstag im niedersächsischen Landtag, seine Regierung erwarte ein "deutliches Signal".

Weil bezog das auf eine frühere Äußerung von Vorstandschef Müller, wonach bei VW "die Gürtel enger geschnallt werden" müssten und dass dies auch für den Vorstand gelte. Weil betonte im Landtag, der Aufsichtsrat werde bei seiner Entscheidung die vertraglichen Grundlagen der einzelnen Vorstandsmitglieder und die Interessen von VW abwägen. "Dabei spielen selbstverständlich auch die Erwartungen in der Öffentlichkeit eine Rolle." In vielen Medien war das Beharren des Vorstands auf zumindest teilweisen Bonuszahlungen sehr kritisch kommentiert worden. Allerdings haben nicht alle neun Vorstandsmitglieder Anspruch auf Boni. Betroffen von der Debatte sind nach Angaben aus Konzernkreisen auch zahlreiche Führungskräfte, die über Tarif bezahlt werden. Zum Grundgehalt kommen hier ebenfalls Boni hinzu, und auch die sollen deutlich geringer ausfallen. Da kann der Vorstand kaum mit schlechtem Beispiel vorangehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: