Börsendebüt des Kurznachrichtendienstes:Twitter lässt Anleger jubeln - Aktie steigt um 73 Prozent

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Am Tag des Twitter-Börsengangs schmücken ein Twitter-Banner und die amerikanische Flagge die Börse in New York. (Foto: dpa)

Das Facebook-Debakel bleibt Twitter erspart - Investoren reißen sich um die neue Aktie. Das Papier schoss zum Handelsbeginn von 26 Dollar Ausgabepreis um knapp 80 Prozent nach oben. Aber die wahre Nagelprobe steht noch aus.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

26. Das ist sie also, die Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest. Sie stammt nicht vom Supercomputer Deep Thought aus dem Roman "Per Anhalter durch die Galaxis", sondern von Dick Costolo. Der Chef des Kurznachrichtendienstes Twitter ist skurrilem Humor nicht abgeneigt, doch natürlich hatte seine Ankündigung "26" wenig mit dem Leben und dem Universum zu tun, sondern nur mit dem ganzen Rest: Auf 26 US-Dollar (19,23 Euro) hatte das Unternehmen den Ausgabepreis für eine Aktie wenige Stunden vor dem Börsengang am Donnerstag um 9.30 Uhr Ortszeit festgelegt.

Diese Zahl bedeutete erst einmal, dass Twitter durch die Ausgabe von 70 Millionen Anteilen 1,82 Milliarden US-Dollar einnehmen würde - sollte das Unternehmen bei entsprechender Nachfrage aufgrund der Zuteilungsoption innerhalb der kommenden 30 Tage noch einmal 10,5 Millionen Aktien auf den Markt bringen, wären es gar 2,09 Milliarden und damit mehr, als etwa Google im Jahr 2004 erreicht hat. Auch der Gesamtbewertung des Unternehmens konnte damit - Twitter bringt 13 Prozent an die Börse - erst einmal beziffert werden: Sie liegt bei 18,1 Milliarden Dollar. Twitter wird also mit dem 30-fachen des zu erwartenden Jahresumsatzes (600 Millionen Dollar) bewertet.

Star-Trek-Captain läutete die Glocke

Es war ein spektakulärer Börsengang, auf den sich die New York Stock Exchange (Nyse) am vergangenen Samstag extra mit einem Testlauf vorbereitet hatte, um den prognostizierten Handelswahnsinn am ersten Tag bewältigen zu können und eine Panne wie beim Start von Facebook an der Börse Nasdaq zu vermeiden. Patrick Stewart, Darsteller des Star-Trek-Captains Jean-Luc Picard und einer der ersten Twitter-Nutzer, läutete die Glocke.

Costolo stand im feinen Anzug auf dem Börsenparkett und sagte: "Ich bin sehr stolz auf unser Unternehmen, wir haben aber noch viel zu tun. Ich kann kaum erwarten, zurück in mein Büro zu gehen und damit anzufangen." Er wolle sogleich nach San Francisco fliegen, um noch vor Ende des Börsentages bei seinen Mitarbeitern zu sein.

Der Ausgabepreis transportierte zunächst einmal eine bedeutsame Botschaft: Die Roadshow von Costolo war offenbar überaus erfolgreich, die Nachfrage nach Twitter-Anteilen größer als erwartet. Costolos Amerika-Reise war aufgrund seiner Twitter-Einträge - stets versehen mit dem exakten Ort, an dem er sich gerade aufhielt - für jeden zu beobachten gewesen. In den vergangenen Tagen klangen Meldungen über den möglichen Ausgabepreis wie eine Versteigerung: 16. 17. 20. 23. 25. Am Ende wurden es 26 Dollar.

Wachstum wichtiger als Gewinn

"Die Möglichkeiten und Chancen, die unsere Plattform anbietet, sind grenzenlos", sagte Costolo - und gab ein gewaltiges Versprechen ab: "Wir wollen jeden Menschen, der Zugang zum Internet hat, zu einem Twitter-Nutzer machen." Mit diesen Aussichten überzeugte Costolo offenbar die Investoren, er konnte auch erklären, warum sein Unternehmen in den ersten neun Monaten dieses Jahres trotz eines Umsatzes von 442 Millionen Dollar einen Verlust von 133,8 Millionen Dollar zu verzeichnen hatte: "Wachstum und Innovationen sind für uns derzeit wichtiger als Gewinn, wir werden nun keine verrückten Dinge einführen, die nicht zu dem gehören, was Twitter ausmacht."

Er musste auch rechtfertigen, warum die Zahl der Nutzer im vergangenen Quartal nur um 6,4 Prozent gewachsen ist und warum ein nicht-amerikanischer Zwitscherer (das sind 77 Prozent der aktiven Nutzer) von den Werbeerlösen her nur ein Siebtel eines US-Nutzers wert ist. "Wir haben von den Investoren erfahren, was sie von Twitter halten", sagte Costolo, "wir haben den Investoren erklären können, was wir von uns halten - und jetzt verstehen wir einander." Dann grinste er.

Um 9.30 Uhr Ortszeit ging es also los. Dieser erste Handelstag, so betonte Costolo, sei gar nicht so wichtig für Twitter. Dennoch blickte er andauernd zum Monitor und wartete auf den ersten offiziellen Aktienkurs seines Unternehmens. Die Brüllereien auf dem Parkett in den ersten Minuten klangen dann wieder wie eine Versteigerung: "30" war zu hören. 32. 35. 38. 40. Der erste offizielle Preis für eine Aktie lag dann bei 45,10 Dollar. Das war noch höher als "42", die der Supercomputer Deep Thought als Antwort auf die Frage nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest angegeben hatte.

© SZ vom 08.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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