Börsen:Ein Hauch von Panik

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  • Anleger fürchten, dass China die Weltwirtschaft nicht mehr wie bisher antreiben könnte.
  • An den Börsen kommt es zu herben Kursverlusten.

Von Markus Zydra

Es gab Zeiten, da sorgten Nachrichten aus China für gute Laune an den Börsen. Im Jahr 2008 etwa, als die globale Finanzkrise die Weltwirtschaft lahmgelegt hatte, beschloss Peking, 600 Milliarden Dollar in die heimische Wirtschaft zu pumpen. Das war ein Grundstein für die Erholung an den Weltbörsen in den Jahren danach.

Doch jetzt erzeugen die Meldungen aus China Sorge. Der Wachstumsmotor der Weltwirtschaft läuft nicht mehr rund, überall fallen deshalb seit zwei Wochen die Aktienkurse. Am Montag war dann sogar ein Hauch von Panik zu spüren. In Tokio und Shanghai brachen die Kurse stark ein. Der deutsche Aktienindex Dax fiel gleich zu Handelsbeginn am Morgen um drei Prozent und damit unter die Marke von 10 000 Punkten. Schon in der vergangenen Woche hatte der Dax acht Prozent eingebüßt. Im April markierte das Barometer noch seinen Höchststand bei 12 380 Punkten. Die Bilanz seit dem Frühling: ein Minus von 21 Prozent. Auch die Börse an der Wall Street startete mit Verlusten.

Die Finanzgeschichte kennt viele solcher abrupten Stimmungswechsel an der Börse. Geldprofis gelten als überaus sensible Gemüter, die sich schon bei geringster Nervosität der Herde anschließen und die Verkaufstaste drücken. Doch dieses Mal könnte die Panik berechtigt gewesen sein. Zu schnell sind die Aktienkurse in den vergangenen Jahren gestiegen, zu wenig deckt sich dieser Optimismus mit der wirtschaftlichen Entwicklung. Denn bei aller regelmäßig zu beobachtenden Irrationalität der Börsianer, ein Grundsatz gilt am Ende immer: Die Börsenkurse müssen die Gewinne der Unternehmen widerspiegeln. Hohe Profite mit Aktien gibt es langfristig nur durch hohe Wachstumsraten.

Schwung für die globale Wirtschaft

Bislang hat China zusammen mit den Schwellenländern die globale Wirtschaft angetrieben, doch diese Antriebskraft lässt spürbar nach. Die Industriestaaten müssen es nun selbst richten. Wo indes die ganz hohen Wachstumsraten herkommen sollen, weiß mittlerweile niemand mehr. Denn eigentlich sollte die Wirtschaft schon jetzt richtig brummen. Schließlich ist das Geld so billig wie nie zuvor.

Die Zentralbanken in den USA, Japan und der Euro-Zone haben den Leitzins seit Jahren bei fast null Prozent fixiert. Mit der Maßnahme sollten Investitionen und Konsum gesteigert werden. Doch das billige Geld bleibt weitgehend liegen. "Man muss sich fragen, wieso die extrem expansive Geldpolitik nicht mehr als das bescheidene weltwirtschaftliche Wachstum von rund drei Prozent hervorgebracht hat", sagt Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank. Die Situation wirkt bizarr, weil sie allem entgegensteht, was gängiger Lehrbuchmeinung entspricht. Es werde insgesamt sogar weniger investiert und weniger konsumiert - dafür aber mehr gespart, sagt Joachim Fels, Berater der Fondsgesellschaft Pimco. "Deshalb leidet die Welt unter mangelnder Nachfrage."

Die Investoren an den Finanzmärkten stecken in einer kniffligen Lage. Einerseits braucht es Wachstum, um steigende Aktienkurse zu rechtfertigen. Andererseits sind die Vermögensverwalter ihrem Empfinden nach praktisch gezwungen, das Geld der Kunden an den Aktienmärkten zu platzieren. Sie sprechen vom "Anlage-Notstand": Aufgrund der niedrigen Zinsen könne man mit Anleihen und anderen Zinsprodukten nicht genug Geld verdienen. Besonders die Lebensversicherer leiden.

"Börsen übertreiben immer"

Das billige Geld der Zentralbanken fließt aus diesem Grund seit Jahren an die Aktienmärkte. Die Furcht vor der Bildung einer gefährlichen Preisblase grassiert deshalb schon länger. Vielleicht ist das Schlimmste jetzt aber vorüber. "Die wirtschaftliche Lage in China ist nicht so schlecht, wie es die fallenden Aktienkurse nahelegen", sagt etwa Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. "Die Börsen übertreiben immer in ihren Reaktionen - sowohl nach oben, wie auch nach unten."

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Das Bundeswirtschaftsministerium ließ am Montag wissen, man sehe durch die Turbulenzen in China "nur geringe Auswirkungen" auf die deutsche Wirtschaft. Schließlich liege der chinesische Exportanteil bei lediglich 6,6 Prozent, die Exportdynamik komme aus den 28 EU-Staaten. Das mag stimmen, allerdings werden auch andere EU-Staaten geschwächt, wenn China weniger einkauft. Dadurch haben sie am Ende möglicherweise weniger Geld übrig, um selbst deutsche Produkte zu kaufen.

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hat sich in ihrem Jahresbericht ausführlich mit der globalen Wachstumsschwäche beschäftigt und kam zu überraschenden Erkenntnissen. Die 1930 gegründete BIZ mit Sitz in Basel gilt als eine Art Zentralbank der Notenbanken in aller Welt. Die BIZ-Experten wiesen nun erstmals darauf hin, dass die globale Wachstumsschwäche auch eine Folge der häufigen Finanzkrisen ist. Im Jahr 1998 gab es die Asien-Krise, im Jahr 2000 platzte die Internet-Blase, im Jahr 2008 folgte die globale Finanzkrise, ausgelöst durch den US-Immobilienmarkt. Politiker ignorierten die Gefahr, wie sehr das ständige Auf und Ab an den Börsen das Wachstum in der ganzen Welt schwächen könnte. Im aktuellen BIZ-Bericht heißt es nun, dass Börsen-Booms "die Produktivität einer Wirtschaft unterhöhlen können". Das stimmt nicht gerade optimistisch.

© SZ vom 25.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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