"Sehr gutes Shampoo, das Fundament einer ordentlichen Bartpflege!", schreibt Lucas W. über das Bartshampoo für 20 Euro. Zusätzlich zum Shampoo hat Lucas W. am 1. Januar dieses Jahres noch sechs andere Produkte auf Amazon bewertet. Darunter ein Weinglas, ein Regal, das Buch "Kochbibel" und zwei Mal dasselbe Handy. Lucas W. hat diese Produkte vermutlich nie gekauft. Seine Urteile seien gefälscht, sagt zumindest der Bewertungstester Reviewmeta.
Das US-Unternehmen hat es sich zur Aufgabe gemacht, Produktbewertungen auf Verkaufsplattformen zu prüfen und Fake-Kritiker zu entlarven. Insgesamt sieben Millionen Bewertungen hat Reviewmeta untersucht. 20 Prozent waren demnach gefälscht. So kommt es vor, dass ein Fünf-Sterne-Produkt recht schnell auf 2,5 Sterne abstürzt, wenn die Fake-Bewertungen herausgerechnet werden.
Für viele Einzelhändler ist das Onlinegeschäft inzwischen der größte Absatzmarkt. So gut wie jeder Dorfladen hat heute einen Onlineshop. Doch um Produkte zu verkaufen, brauchen die Unternehmer positive Rezensionen. Einer Studie des Digitalverbandes Bitkom zufolge sind Kundenbewertungen das wichtigste Entscheidungskriterium beim Online-Shopping. Noch wichtiger als der Preisvergleich.
Vielen Einzelhändlern ist es deshalb egal, ob die Bewertungen echt sind oder nicht. Hauptsache, das Ranking stimmt. Und dafür gibt es Dienstleister: 70 Euro kosten 100 positive Facebook-Kommentare von Fanmondo.de. Das Unternehmen aus dem hessischen Nüsttal verkauft Kommentare, Likes und Abonnenten - mit Geld-zurück-Garantie. Der Konkurrent Fivestars hat sich auf Hotels und Restaurants spezialisiert. Für zwölf Bewertungen bei der Hotelbewertungsplattform Tripadvisor etwa nimmt Fivestars 119,95 Euro. Etwa 2000 Bewertungen verkauft das Unternehmen nach eigenen Angaben pro Monat.
Verbraucherschützer warnen: "Die Aussagekraft von Internetbewertungen geht inzwischen gegen null. Das System ist mehr als fraglich", sagt Georg Tryba von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Gefälschte Bewertungen seien da nur ein Problem. Denn auch wenn Kritiker das Produkt wirklich gekauft haben, gäben Onlinebewertungen generell nur ein subjektives Gefühl des Käufers wieder. Tryba rät Verbrauchern, sich stattdessen bei Testinstituten zu informieren, die Produkte verschiedener Marken vergleichen.
Alternativ können Käufer auf Reviewmeta.com prüfen, ob die Kommentare für das Amazon-Produkt, das sie kaufen wollen, gefälscht sind. Dazu muss der Käufer nur den Amazon-Link in eine Suchleiste einfügen, und der Algorithmus von Reviewmeta durchsucht alle Kommentare und Profile der Produktkritiker auf Hinweise. Kommentiert ein Kritiker beispielsweise ausschließlich die Produkte eines einzigen Herstellers oder enthalten viele Rezensionen die gleichen Formulierungen, deutet das auf einen Betrüger hin. Reviewmeta findet längst nicht alle gefälschten Bewertungen, und es gibt keine Garantie, dass das Unternehmen immer richtigliegt. Man kann aber festhalten: Verbraucher verlieren Geld, weil sie Produkte mit gefälschten Bewertungen kaufen.
Und nicht nur Verbraucher. Falsche, negative Kommentare treffen auch Einzelhändler empfindlich: In einer Studie des Händlerbundes, nach eigenen Angaben der größte Verband der Onlinehändler Europas, gaben 95 Prozent der befragten Händler an, schon einmal von "unfairen negativen Bewertungen" betroffen gewesen zu sein. Das sind negative Bewertungen, auf die der Händler keinen Einfluss hat, zum Beispiel Bedienfehler des Kunden, gestresste Paketboten oder Produkte, die der Händler gar nicht anbietet. "Es reicht oft schon ein negativer Kommentar, um Käufer abzuschrecken und Händlern massiv zu schaden", sagt Yvonne Bachmann, Anwältin des Händlerbundes.
Fast die Hälfte der Onlinehändler sagt, dass schlechte Bewertungen sich direkt in einem Umsatzverlust niederschlagen. Vor allem der Imageschaden sei enorm: Negative Bewertungen verschlechtern die Durchschnittsnote und somit das Ranking des Händlers, sagen 76 Prozent der Befragten. Ist die negative Bewertung einmal veröffentlicht, können Händler laut Bachmann kaum noch etwas unternehmen, um Schaden abzuwenden. Die Anwältin rät: "Betroffene Händler sollten den Kritiker mit einem Gegenkommentar sofort öffentlich zur Rede stellen." Allerdings reagieren darauf nur wenige Kommentatoren. Von 100 unfairen Kritikern, die der Händlerbund anschrieb, nahmen nur zwei ihre Bewertung aus dem Netz. Als letzten Ausweg könne man nur noch versuchen, die Plattformen selbst zu kontaktieren, sagt Bachmann.
Bei Amazon kann unter jedem Kommentar ein "Missbrauch" gemeldet werden. Kritiker, die gegen Richtlinien verstoßen, werden nach Aussage von Amazon sofort vom Netz genommen. "Amazon reagiert in der Regel recht schnell auf solche Meldungen", bestätigt Bachmann vom Händlerbund. Facebook hingegen weigere sich in den meisten Fällen, Kommentare von der Seite zu nehmen.
Plattformen haben das Problem erkannt, Mitarbeiter prüfen die Kommentare
Viele Plattformbetreiber haben das Problem jedoch erkannt und betreiben einen großen Aufwand, um Manipulationen aufzudecken: Für Jameda, eine deutsche Bewertungsplattform für Ärzte, arbeiten 15 Mitarbeiter, die nur damit beschäftigt sind, Fake-Bewertungen aufzudecken. Hinweise bekommt das Team von einem Algorithmus, der, ähnlich wie Reviewmeta, die Kommentare auf Fälschungen untersucht. Vor der Veröffentlichung sind davon ungefähr zehn Prozent der eingehenden Bewertungen betroffen.
Auch Amazon und die Bewertungsplattform Yelp haben einen solchen Algorithmus. Yelp empfiehlt 71 Prozent aller Bewertungen auf der Plattform. Der Rest der Kommentare sei "nicht hilfreich", also von Kritikern verfasst, die nach Auffassung von Yelp nicht vertrauenswürdig sind. Amazon will, auch auf Nachfrage, keine Zahlen bekannt geben.
Gleichwohl erscheinen jeden Tag neue Fake-Bewertungen im Netz. Auch Lucas W. macht fleißig weiter. Erst vor zwei Wochen bewertete er ein Smartphone auf Amazon: "Sehr gutes Display, Top Verarbeitung, Apps laufen alle flüssig!" Es gab fünf Sterne.