Betriebsräte:Drohen, stänkern, kündigen: So verhindern Firmen Betriebsräte

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Gastronomie mit System: Nicht nur die Lebensmittel unterstehen in Fast-Food-Restaurants einer rigiden Kontrolle. (Foto: picture alliance / dpa)
  • Hunderte Firmen behindern Wahlen zum Betriebsrat. Jedes dritte Mal entstand dann auch keine Arbeitnehmervertretung, beklagt die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung.
  • Wollen Chefs einen Betriebsrat verhindern, schüchtern sie demnach häufig die Kandidaten ein. Manchmal setzen die Manager auch auf Gerüchte oder Geld.

Von Alexander Hagelüken, München

Der Arbeitnehmer hört die Drohung nur mündlich, damit es vor Gericht keine Beweise gibt. Ob er sich das gut überlegt hat, für den Betriebsrat zu kandidieren? Denn in diesem Fall sieht der Chef für die nächste Beförderung leider schwarz. Manche Chefs greifen zu noch härteren Bandagen: Sie kündigen dem Kandidaten einfach aus fadenscheinigen Gründen. Selbst wenn der Beschäftigte den Prozess gewinnt, ist er zu eingeschüchtert, um als Betriebsrat anzutreten.

Wer in der freien Wirtschaft in einer Firma mit fünf oder mehr Beschäftigten arbeitet, hat in der Regel das Recht auf einen Betriebsrat. In der Praxis versuchen gerade mittelgroße Inhaberfirmen, eine Vertretung ihrer Arbeitnehmer zu verhindern. Allein in den Branchen Nahrung, Gastgewerbe, Metall und Chemie melden Gewerkschafter 220 Firmen, die Wahlen zum Betriebsrat behindern. Jedes dritte Mal entstand dann keine Arbeitnehmervertretung. Das zeigt eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

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Am beliebtesten ist es, Kandidaten einzuschüchtern. "Der Chef droht etwa mit einer Versetzung", weiß der Forscher Martin Behrens, "da reichen schon Andeutungen." Ebenfalls populär: Gerüchte gegen einen Anwärter streuen, um seinen handzahmen Konkurrenten in den Betriebsrat zu bugsieren. Oder einem Kandidaten Geld bieten, damit er gar nicht erst antritt. Jeder zweite befragte Gewerkschafter weiß von Störmanövern der Arbeitgeber. In 90 Firmen werden gewählte Betriebsräte behindert.

Sehr rau geht es anscheinend in Nahrungsbranche und Gastgewerbe zu - in der Fleischindustrie, bei Großbäckern oder Fast-Food-Ketten. Hier melden drei von vier Gewerkschaftern Sabotage. Sandra Warden, Geschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands, hält dem entgegen, ihr seien keine konkreten Fälle bekannt. "Was wir allerdings wissen: Gerade in Familienbetrieben wird die Gründung eines Betriebsrates oftmals von der Mehrzahl der Beschäftigten gar nicht als Gewinn empfunden, weil hier ohnehin ein direkter und vertrauensvoller Draht zum Arbeitgeber besteht."

Das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit ermittelt, dass nur 40 Prozent der westdeutschen Beschäftigten in einem Betrieb mit Betriebsrat arbeiten. Vor 20 Jahren waren es noch mehr als 50 Prozent. Im Osten ist der Anteil niedriger und schrumpft ebenfalls.

Bemerkenswerterweise verändert sich etwas, sobald die Arbeitnehmer einen Vertreter durchsetzen. So kommt es laut Studie in der Metall- und Chemiebranche bei erstmaligen Wahlen zum Betriebsrat in fast jedem sechsten Fall zu Störmanövern. Ist der Interessenvertreter dann etabliert, nehmen die Klagen über das Verhalten der Arbeitgeber drastisch ab. "Die Gründung von Betriebsräten rührt an tiefe Instinkte der Inhaber, wer Herr im Haus ist", beobachtet Forscher Behrens. "Danach normalisiert sich die Lage, und Arbeitgeber sehen die Vorteile."

Oft illegal - aber Gewerkschafter zeigen das selten an

Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände erklärt, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber sei im Gesetz verankert. "Eine Behinderung der Betriebsratsarbeit ist sanktioniert." Bei Konflikten seien aber beide Seiten gefragt, Lösungen zu suchen.

Wenn Chefs Betriebsratswahlen sabotieren, handeln sie oft illegal. Gewerkschafter zeigen das selten an. Manche wissen gar nicht, dass einige Störmanöver strafbar sind. In anderen Fällen hapert es an Beweisen. "Und selbst bei einer Anzeige wird nur in exotischen Einzelfällen jemand verurteilt", berichtet Behrens. Staatsanwälte seien mit Morden oder Einbrüchen zu ausgelastet, um die minder schweren Betriebsratsfälle zu verfolgen.

Behrens und sein Mitautor Heiner Dribbusch fordern daher die Schaffung von Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften, die sich auf illegale Eingriffe in Betriebsratswahlen spezialisieren und diese dann auch verfolgen. Außerdem sollten alle beteiligten Beschäftigten bereits bei der Vorbereitung von Wahlen gesetzlich vor Kündigungen geschützt werden.

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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