Ausbildung:Jeder zweite Azubi leidet unter schlechten Arbeitsbedingungen

Friseurausbildung

Auch Lehrlinge im Friseurhandwerk beklagen häufig Stress und unbezahlte Überstunden.

(Foto: dpa)
  • Dem DGB-Ausbildungsreport zufolge klagt etwa die Hälfte der Auszubildenden über psychische Belastungen aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen.
  • Regelmäßige Überstunden, fachfremde Arbeiten und abwesende Ausbilder scheinen in vielen Betrieben zu Problemen zu führen.
  • Zum diesjährigen Ausbildungsstart fordert der Gewerkschaftsbund deshalb eine Verbesserung des Berufsbildungsgesetzes.

Von Nadja Lissok

Von der Schule an den Arbeitsplatz: Diese Umstellung fällt vielen Auszubildenden nicht leicht. Sie übernehmen das erste Mal Verantwortung und müssen sich unter älteren und erfahreneren Kollegen behaupten. Obwohl etwa 70 Prozent der Auszubildenden im Ausbildungsreport 2016 des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) angaben, mit ihrer Ausbildung insgesamt zufrieden zu sein, gibt es in vielen Betrieben offenbar erhebliche Probleme.

Was kann ein Azubi gegen unbezahlte Überstunden tun?

So beklagt etwa ein Drittel der Befragten, regelmäßig Überstunden zu machen, obwohl diese nach dem Arbeitsgesetz bei Auszubildenden freiwillig seien und dem Zwecke der Ausbildung dienen müssen. Der Azubi sollte in der zusätzlichen Zeit nur etwas lernen, was zur festgelegten Arbeitszeit nicht möglich ist. "Uns ärgert besonders, dass Überstunden in vielen Betrieben von Anfang an vorausgesetzt werden", erklärt DGB-Bundesjugendsekretär Florian Haggenmiller. Besonders im Hotel- und Gaststättengewerbe, aber auch in anderen Branchen, die laut DGB-Report eine schlechte Ausbildungsqualität bieten, ist das der Fall. Generell gilt nach dem Arbeitszeitgesetz, dass Volljährige - auch freiwillig - durchschnittlich nicht mehr als 48 Stunden in der Woche arbeiten dürfen. 14 Prozent der Befragten geben an, weder Freizeitausgleich noch Bezahlung für die zusätzlichen Stunden zu bekommen. Das ist generell unzulässig.

Regelmäßige Überstunden sollten sich Azubis in jedem Fall genau notieren: Wann habe ich was mit welchem Kollegen gemacht? Mit diesen Notizen vor Augen kann der Ausbilder sich im Gespräch nicht rausreden, außerdem können Überstunden auch rückwirkend noch geltend gemacht werden. Dann muss der Arbeitgeber sie ausbezahlen oder dafür freie Tage anbieten.

Kaffee kochen, einkaufen, Auto waschen

Ähnlich verhält es sich mit den ausbildungsfremden Tätigkeiten. Zehn Prozent der Befragten beklagen, dass sie dauerhaft Arbeiten verrichten, die nichts mit ihrer Ausbildung zu tun haben. "Die Ausbildung soll eine Grundlage für das Arbeitsleben sein", sagt Haggenmiller vom DGB. "Warum sollte ein Fachinformatiker regelmäßig Kaffee kochen müssen?" Damit einher geht das Problem, dass etwa ein Drittel der Lehrlinge laut Erhebung keinen Ausbildungsplan hat, obwohl dieser gesetzlich vorgeschrieben ist. So fällt natürlich die Selbstkontrolle schwer, welche Aufgaben für den Beruf zielführend sind. Ein Plan hilft: Was habe ich im ersten Jahr gelernt? Wo fehlen mir noch Kenntnisse?

Stress schon am Anfang des Berufslebens

Als Resultat der teils schwierigen Arbeitsbedingungen am Ausbildungsplatz gibt etwa die Hälfte der Azubis an, psychisch "stark" bis "sehr stark" belastet zu sein. DGB-Sekretär Haggenmiller zufolge sei das bei jungen Arbeitnehmern, die am Anfang des Berufslebens stünden, besonders fatal. "Der Leistungsdruck und Stress, dem Azubis in manchen Branchen ausgesetzt sind, ist für uns unbegreiflich." Auch hier schneiden das Hotel- und Gaststättengewerbe, aber auch der Lebensmittelhandel und das Handwerk schlecht ab. Überdurchschnittlich zufrieden mit ihren Ausbildungsbedingungen sind Mechatroniker, Industriekaufleute und Zerspanungsmechaniker.

Wer hilft bei Problemen?

Allgemein sollten sich Auszubildende bei Problemen zuerst an den Ausbilder im Betrieb wenden, er ist der erste Ansprechpartner und muss sich Zeit nehmen. Ist das nicht der Fall, gibt es in größeren Betrieben einen Ausbildungsbeauftragten oder den Betriebsrat, der für die Sorgen der Arbeitnehmer zuständig ist. Hilfe gibt es auch beim Online-Portal Dr. Azubi, wo Auszubildende ihre Fragen anonym einsenden können und insbesondere rechtliche Hilfe bekommen.

Der DGB sieht neben den ausbildenden Betrieben auch den Gesetzgeber in der Pflicht. Die Regierung müsse das Berufsbildungsgesetz novellieren, wie es im Koalitionsvertrag vorgesehen ist, um die Missstände zu beheben und gute Ausbildungsmöglichkeiten in allen Branchen zu sichern. Schließlich bleiben auch dieses Jahr wieder Tausende Lehrstellen unbesetzt - und das ist bei unbezahlten Überstunden und Stress wohl kein Wunder.

Über den Ausbildungsreport

An der repräsentativen Befragung des DGB haben sich etwa 13 000 Auszubildende aus den laut Bundesinstitut für Berufsbildung 25 häufigsten Ausbildungsberufen beteiligt. Die Befragung fand von September 2015 bis April 2016 in Ausbildungsklassen statt. Der Ausbildungsreport wird dieses Jahr zum elften Mal hintereinander vorgestellt.

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