Berlin (dpa/bb) - Die Bundesregierung will den seit langem umstrittenen Weiterbau der Berliner Stadtautobahn A100 vom Treptower Park in Richtung Lichtenberg so schnell wie möglich umsetzen - und durchkreuzt damit aus Sicht des Senats die angestrebte ökologische Verkehrswende. Entsprechend empört fiel am Dienstag die Reaktion von Umwelt- und Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) aus: „Was das Bundesministerium hier plant, wirkt wie aus der Zeit gefallen.“ CDU und AfD, aber auch die Berliner Wirtschaft begrüßten hingegen das Vorgehen des Bundes.
Konkret geht es um den 17. Bauabschnitt der A100, der vom Treptower Park aus über die Spree nach Friedrichshain und weiter Richtung Lichtenberg bis zur Storkower Straße führen soll. Am Dienstag sei dafür die Ausschreibung der Planung erfolgt, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, Daniela Kluckert (FDP), der „Berliner Morgenpost“.
Mit der Ausschreibung „ist nun auch klar, dass weiter gebaut wird“, fügte die stellvertretende Vorsitzende der Berliner FDP hinzu. Die bisherige Streckenplanung solle noch einmal unter Umweltgesichtspunkten und anderen Kriterien wie Verkehrsaufkommen und Lärmbelastung überprüft werden und bis 2025 endgültig feststehen.
Zurzeit wird der aufwendige und bis zu 700 Millionen Euro teure 16. Bauabschnitt der Autobahn zwischen Neukölln und Treptower Park fertig gestellt. 2024 soll die drei Kilometer lange Strecke fertig sein und eröffnet werden.
Grüne, Linke und mehrere Bürgerinitiativen sind vehement gegen den Weiterbau. Im rot-grün-roten Koalitionsvertrag wurde dazu festgehalten, dass die Landesregierung die Planung und den Bau des 17. Bauabschnitts der A100 nicht weiter vorantreiben will. Allerdings liegt der Bau von Autobahnen in der Verantwortung der rot-grün-gelben Bundesregierung und der Autobahngesellschaft des Bundes.
Kluckert sagte, der Senat könne den Bau nicht stoppen: „Das ist eine Bundesangelegenheit - und deshalb treibt das Bundesverkehrsministerium dies voran.“ Auch auf Bundesebene habe man sich im Koalitionsvertrag mit den Grünen geeinigt, wichtige Verkehrsprojekte einschließlich Lückenschlüssen in Deutschland anzugehen. Dazu gehöre auch der Weiterbau der A100.
Jarasch hat dafür kein Verständnis. „Wir haben gerade alle Hände voll zu tun, den ÖPNV auszubauen und attraktiver zu machen, den Klimaschutz zu forcieren. Dazu steigen die Energiepreise. Und jetzt soll als Priorität eine Autobahn durch die Stadt geschlagen werden?“ Das sei Verkehrspolitik von vorgestern.
„Wir brauchen keine neue Autobahn in der Stadt, wir brauchen die Mobilitätswende“, sagte Jarasch weiter. „Statt die Städte mit vielspurigen Schneisen weiter zu zerstören, muss in den ÖPNV investiert werden, in Bahnen und Busse, in Rad- und Fußwege, in die Vernetzung der Mobilität.“ Der Platz werde „für ein lebenswertes Berlin, für Wohnungen und Grünflächen“ gebraucht.
Grünen-Fraktionschef Werner Graf warf Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) „Autobahn-Fetischismus“ vor. „Herr Wissing sollte dies nochmal überdenken oder mit erbittertem Widerstand aus Berlin rechnen.“ In der Ampel-Koalition im Bund gebe es dazu noch keine Verständigung. „Wir werden diesen Unfug verhindern.“ Linke-Landesvize Pascal Meiser nannte das Vorgehen des Bundes einen Affront. „Hier werden Milliarden an Steuergeldern versenkt, die für den Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs dringend gebraucht werden.“
Die CDU sieht in einem Weiterbau der A100 hingegen eine gute Nachricht. „Damit wird gerade der Osten der Berliner Innenstadt vom Durchgangsverkehr entlastet“, erklärte der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Oliver Friederici. „Somit dürfte sich auch die Luftqualität in vielen Stadtstraßen verbessern.“ Mit der A100 wäre der Osten Berlins aus Sicht Friedericis besser erschlossen und der Flughafen BER besser erreichbar. Der AfD-Politiker Harald Laatsch sagte: „Die Mittelfreigabe durch das Bundes-Verkehrsministerium ist richtig und ein deutliches Zeichen gegen rot-grün-roten Autohass.“
Auch Berlins Wirtschaft setzt auf die neue Straßenverbindung. „Dieses Projekt ist für den Wirtschaftsverkehr in Berlin von herausragender Bedeutung“, erklärte der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB), Christian Amsinck. „Eine leistungsfähige Infrastruktur ist ein enorm wichtiger Standortfaktor für die Unternehmen. Es geht hier um die Umsetzung des Bundesverkehrswegeplans, den der Bundestag per Gesetz beschlossen hat. Die Finanzierung übernimmt der Bund übrigens nahezu vollständig. Berlin sollte diesem Projekt jetzt keine weiteren Steine in den Weg legen.“
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