Begehrter Fang:Im Ärmelkanal tobt ein Krieg um die Jakobsmuschel

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Dieses Video-Standbild zeigt ein Ramm-Manöver zwischen französischen und britischen Fischern. (Foto: dpa)
  • Britische und französische Fischer bekriegen sich in der Frage, wer denn nun im besten Fanggebiet für Jakobsmuscheln fischen darf.
  • Nach Steinwürfen und heftigen Ramm-Manövern herrscht zur Zeit eine Art Waffenruhe, noch am Freitag soll eine "Grundsatzeinigung" unterzeichnet werden.

Von Leo Klimm, Paris

Die See im Ärmelkanal ist ruhig an diesen Spätsommertagen. Die Fischer aber, die in dem schmalen Stück Meer zwischen Frankreich und Großbritannien ihren Lebensunterhalt verdienen, sind in Wallung. Nächtlicher Beschuss feindlicher Boote mit Feuerwerk, Steinwürfe und heftige Ramm-Manöver - so haben sich französische und britische Fischer jüngst fünf Stunden lang draußen auf dem Wasser bekriegt.

Am Ende hatten 30 französische Boote sechs britische Trawler aus den Gewässern vor der Seine-Mündung vertrieben. Beide Seiten hatten erhebliche Sachschäden zu beklagen, aber kein Schiff wurde versenkt. Und es gab keine Verletzten. Noch nicht. Frankreichs Regierung fühlte sich sogar zu einer Warnung veranlasst: "Die Marine ist bereit, zu intervenieren" - wenn auch nur, um die rivalisierenden Hochsee-Gangs auseinanderzuhalten. So weit ist es gekommen im französisch-britischen Krieg um die Jakobsmuschel.

Immerhin, seit ein paar Tagen herrscht eine Art Waffenruhe. Eine "Grundsatzeinigung" über Fangregeln, die von den Regierungen Frankreichs und Großbritanniens am Mittwoch in London erzielt wurde, soll an diesem Freitag in Paris ausgestaltet und unterzeichnet werden.

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Franzosen und Engländer haben in ihrer wechselvollen Geschichte große Seeschlachten geschlagen, gerade im Ärmelkanal, oder bei Trafalgar. Heute bekämpfen sich ihre Fangflotten, weil sie im Geschäft mit der begehrten "Nuss" der Jakobsmuschel, dem weißen Muskel im Inneren, ihren Vorteil suchen. Die zarte Delikatesse, als Vorspeise gebraten oder als Beilage zum Hauptgericht, ist besonders bei Gourmets in Frankreich beliebt. Die Briten hingegen essen viel weniger davon. Dennoch haben die Fischer von der Insel ihre jährliche Fangmenge seit 15 Jahren auf 30 000 Tonnen mehr als verzehnfacht - um die Ware dann nicht selten nach Frankreich zu verkaufen. Das wiederum erzürnt die französischen Fischer sehr.

Die Stelle im Ärmelkanal, an der es Ende August zu dem spektakulären Scharmützel kam, gilt als das beste Fanggebiet Europas für Jakobsmuscheln. Sie liegt zwar nah an der französischen Küste - aber schon in internationalen Gewässern. Pascal Coquet, französischer Fischerei-Lobbyist, räumt ein, "dass es das Recht der Briten ist, die Muschel dort aus dem Meer zu holen". Der Kern des Problems ist, dass für seine Leute andere Regeln gelten: Für sie ist die Jakobsmuschel zurzeit tabu. Aus Rücksicht auf die Bestände erlegt Frankreich seinen Fischern ein Fangverbot von Mai bis Oktober auf. Die Briten aber machen vor ihren Augen schon jetzt im Spätsommer fetten Fang. Zwar galt seit 2013 schon eine Vereinbarung, der zufolge britische Boote mit mehr als 15 Metern Länge in den Sommermonaten ebenfalls nicht nach Jakobsmuscheln fischen dürfen. Nur: Seitdem gehen die Briten in diesem Zeitraum mit kleinen Booten auf Fang.

Wie lange hält die Waffenruhe im Krieg um die Jakobsmuschel?

Die Franzosen verlangen, dass dieses Schlupfloch beseitigt wird. Da stellen die Fischer von der Insel natürlich Gegenforderungen auf: Sie wollen "Kompensationen" von Frankreich, die jetzt verhandelt werden müssen. Der Pariser Agrar- und Fischereiminister Stéphane Travert sagt, er strebe eine dauerhafte Einigung an, mit der die Bestände besser geschützt werden.

Wie lange hält die Waffenruhe im Krieg um die Jakobsmuschel? Die Verhandler beider Seiten sind sich nicht einmal einig, wie lange ihre "Grundsatzvereinbarung" von Mittwoch denn gilt: Die Franzosen sagen, bis 2019 - die Briten hingegen wollen sich höchstens bis Ende dieses Jahres an den brüchigen Deal halten. Und das auch nur, macht ein britischer Verhandler klar, wenn die "Kompensationen" stimmen.

"Wir haben eine Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg", sagt ein wütender französischer Fischer. In den sozialen Netzwerken geht der Streit schon weiter. Die britischen Fischer drohen dort, schnell in die Seine-Bucht zurückzukehren. Dieses Mal mit 40 Schiffen.

© SZ vom 07.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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