Es war ein völlig überraschender Rücktritt: Am Freitagnachmittag meldete der Münchner Agrarkonzern Baywa in einer kurzen Pflichtmitteilung, dass der Aufsichtsratsvorsitzende Klaus Josef Lutz sein Amt mit sofortiger Wirkung niederlegt. Vorausgegangen war eine Aufsichtsratssitzung, in der ihm die anderen Mitglieder des Kontrollgremiums die Gefolgschaft verweigert hatten. Dabei ging es um mutmaßliche Verstöße des Vorstandschefs Marcus Pöllinger gegen Richtlinien der Corporate Governance, also der guten Unternehmensführung. Lutz hatte deswegen die außerordentliche Aufsichtsratssitzung einberufen.
Lutz erklärte der SZ am Sonntag die Gründe: "Wegen unterschiedlicher Auffassungen zu Geschäftsvorfällen habe ich meine Ämter als Vorsitzender des Aufsichtsrates der Baywa AG sowie der Baywa re AG niedergelegt", sagte er. "Grundsätze der Corporate Governance sind für mich nicht verhandelbar." Die Baywa re ist eine Tochter der AG, die auf erneuerbare Energien spezialisiert ist.
Details zu den mutmaßlichen Verstößen wurden nicht bekannt. Auch eine Sprecherin der Baywa wollte sich nicht dazu äußern. In der Mitteilung des Unternehmens hieß es, der Aufsichtsrat habe "eingehend über den Vorwurf eines mutmaßlichen Compliance-Verstoßes" von Pöllinger beraten und diesem daraufhin "das uneingeschränkte Vertrauen ausgesprochen".
Pöllinger, 44, ist seit neun Monaten Vorstandschef. Lutz, 65, hatte zuvor die Baywa 15 Jahre lang als Chef geführt und zu einem internationalen Agrarkonzern ausgebaut. Der Umsatz stieg in der Zeit von rund acht Milliarden Euro auf 27 Milliarden Euro im Jahr 2022. Die Baywa beschäftigt annähernd 25 000 Mitarbeiter.