Landtag:Marode Autobahnbrücke: Opposition setzt Wüst unter Druck

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„Schweigekartell“, „Konstrukt aus Unwahrheit“ - die Opposition spart im Fall der maroden Rahmede-Talbrücke nicht mit kräftigen Ausdrücken. Das Wort „Untersuchungsausschuss“ fällt nicht, steht aber im Raum.

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Düsseldorf (dpa/lnw) - Die Opposition im nordrhein-westfälischen Landtag hat den Druck auf Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) weiter erhöht und Aufklärung über seine Rolle vor der Sperrung der maroden A45-Talbrücke Rahmede gefordert. „Der Instrumenten-Kasten der Opposition, der ist groß, und der ist lange noch nicht ausgeschöpft“, sagte der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Henning Höne, am Mittwoch im Landtag in Düsseldorf - und deutete damit einen Untersuchungsausschuss an, ohne es konkret auszusprechen,

„Schaffen Sie endlich Transparenz, ansonsten werden wir das für Sie tun“, sagte Höne weiter. Der Opposition geht es unter anderem um die Frage, ob Wüst während seiner Amtszeit (2017 bis Oktober 2021) als NRW-Verkehrsminister darüber Bescheid wusste, dass ein eigentlich geplanter Neubau zeitlich nach hinten geschoben wurde.

Die Brücke musste im Dezember 2021 wegen Schäden gesperrt werden - eine wichtige Verkehrsader ist seitdem unterbrochen, der Umleitungsverkehr belastet eine ganze Region. Dass es Mängel gab, war vorher bekannt gewesen, Prüfungen etwa 2017 und 2020 hatten aber keine Beeinträchtigung der Standsicherheit ergeben. Wüst hatte den Vorwurf zurückgewiesen, Einfluss auf die Entscheidungen genommen zu haben. Diese seien auf der Fachebene getroffen worden.

Dass die Spitze des Verkehrsministeriums damals nicht involviert war, bezweifelt die Opposition aber. Möglicherweise wurden andere Projekte statt der Brücke priorisiert, wie Alexander Vogt (SPD) am Mittwoch vermutete. Er warf Wüst vor, dieser habe keine Verantwortung übernommen, „weil Sie zum Zeitpunkt, als die Brücke gesperrt wurde Ende 2021, nämlich mitten im Wahlkampf waren und nicht als inkompetenter Verkehrsminister dastehen wollten“.

Gordan Dudas (SPD) sagte, Wüst habe „im besten aller schlimmen Fälle“ einen millionen-, vielleicht milliardenschweren Fehler zu verantworten. Im schlimmsten Fall habe er sich in einem „Konstrukt aus Unwahrheit“ verstrickt.

Für Kritik sorgten erneut Mails zwischen der NRW-Staatskanzlei und dem damaligen Wüst-Verkehrsministerium, die nicht mehr aufzufinden sind. Diese könnten - so vermuten es manche Oppositionspolitiker - Aufschluss darüber geben, dass die Spitze des Ministeriums damals sehr wohl über den Stand der Neubaupläne informiert war. Das Portal t-online hatte sich über das Informationsfreiheitsgesetz Dokumente zum Fall Rahmede aushändigen lassen. Laut einem Sprecher der Staatskanzlei wurden die Dokumente parallel auch an alle Sprecher im Verkehrsausschuss geschickt.

„Die E-Mails stoppen aber genau an den Stellen, wo es spannend wird“, sagte Höne. Seiner Aussage nach geht es schon lange nicht mehr nur um die Brücke, sondern um den „Umgang mit der Wahrheit“. „In den meisten Fällen stolpert man politisch nicht über den Fehler, der gemacht wurde, sondern über den Umgang mit genau diesem Fehler“, sagte er in Wüsts Richtung. „Und Sie sind auf dem besten Weg, genau diesen Pfad einzuschlagen.“

Staatskanzleichef Nathanael Liminski wies den Vorwurf der Intransparenz zurück. Alles, was zur Entscheidung in der Sache relevant sei, befinde sich in der Prozessakte, sagte er. Der Vorwurf, Mitarbeiter hätten die Akten nicht ordentlich geführt, sei „ein ungeheuerlicher Vorgang“. Es sei gängige Praxis, dass Mitarbeiter selbst entschieden, was aktenrelevant sei und Mail-Postfächer nicht ewig aufgehoben würden, wenn Mitarbeiter wie in dem Fall das Haus verließen. Ein Sprecher der Staatskanzlei machte deutlich, dass bei der Aktenführung und beim Umgang mit E-Mail-Postfächern bereits lange vor 2017 genauso gehandelt worden seio, es sich also um eine normale und seit Jahren in der gesamten Landesverwaltung so erfolgte Praxis handle.

Wüst äußerte sich am Mittwoch nicht selbst. Am Dienstag hatte er die vor seiner Amtszeit getroffene Entscheidung, die Brücke nicht zu sanieren, sondern auf einen Neubau zu warten, als falsch bezeichnet. Er schloss aber nicht aus, dass es bei den zuständigen Stellen auch während seiner Amtszeit Entscheidungen gegeben haben könnte, die sich aus heutiger Sicht als falsch darstellten.

Nach Angaben eines AfD-Sprechers stellte die Fraktion am Mittwoch einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Dafür sind nach Auskunft der Landtagsverwaltung die Stimmen von einem Fünftel der Mitglieder des Parlaments erforderlich, also 39. Die AfD-Fraktion besteht derzeit aus 11 Abgeordneten.

© dpa-infocom, dpa:230124-99-340826/5

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