Banken:Finanzaufsicht greift bei Prämiensparverträgen durch

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Bei der Bafin haben einige Mitarbeiter Insiderwissen, dürfen es aber nicht nutzen. (Foto: WOLFGANG RATTAY/REUTERS)

Banken müssen Kunden jetzt von sich aus eine Entschädigung anbieten, wenn sie die Zinsen falsch angepasst haben.

Von Harald Freiberger

Die Finanzaufsicht Bafin greift gegen die deutschen Banken durch. Es geht um den Streit über Prämiensparverträge, der sich seit Jahren zwischen Kreditinstituten und Verbraucherschützern hinzieht. Am Montag sprang die Bafin den Kunden bei, indem sie eine "Allgemeinverfügung" veröffentlichte. Demnach müssen die Banken ihre Kunden von sich aus über unwirksame Zinsanpassungsklauseln informieren und erklären, ob diese deswegen zu geringe Zinsen erhalten haben. Ist das der Fall, müssen die Institute zusichern, die Zinsen neu zu berechnen oder einen geänderten Vertrag anbieten.

Die Finanzaufsicht hat die Geduld mit den Banken verloren, die aus ihrer Sicht die Kunden zu zögerlich entschädigten. Sie dreht die Beweislast um: Nicht mehr die Kunden müssen sich bei der Bank melden, wenn sie der Ansicht sind, dass sie benachteiligt wurden - die Banken müssen die Sparer von sich aus informieren und ihnen eine Entschädigung anbieten.

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Prämiensparverträge waren in den 1990er- und 2000er-Jahren besonders bei Volks- und Raiffeisenbanken sowie Sparkassen weit verbreitet. Sie nutzten es als Instrument, um Kunden langfristig an sich zu binden. Die Verträge garantierten bei einem konstanten jährlichen Sparbetrag über eine relativ lange Laufzeit - oft 15 oder 20 Jahre, manchmal auch mehr - einen relativ hohen Zins von bis zu fünf Prozent. Hinzu kam eine Prämie, die sich häufig im Laufe der Zeit erhöhte; sie konnte am Ende bis zu 50 Prozent des jährlichen Sparbetrags ausmachen.

Da die Leitzinsen in Europa schon seit zehn Jahren gegen null tendieren, wuchsen den Banken die hohen Zinszusagen über den Kopf. Viele passten die Zinsen deshalb in den vergangenen Jahren nach unten an. Die Verbraucherzentralen monieren seit Jahren, dass diese Klauseln häufig rechtlich unzulässig waren. Im Kern geht es darum, dass die Klauseln den Banken das Recht einräumen, den Zins einseitig anzupassen. Diese Praxis erklärte der Bundesgerichtshof bereits in einem Urteil von 2004 für unzulässig. Weitere Urteile aus den Jahren 2010 und 2017 bestätigten diese Rechtsprechung.

"Sparer werden um einen erheblichen Teil ihrer Zinsen gebracht."

Trotzdem berufen sich viele Kreditinstitute weiter auf die unzulässigen Klauseln. Sie haben die Praxis weder abgestellt noch Kunden entschädigt. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg rechnete 2019 nach und stellte bei 31 Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken Fehler bei solchen Verträgen fest. "Sparer werden um einen erheblichen Teil ihrer Zinsen gebracht", sagte Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale. Insgesamt fand die Verbraucherzentrale bei den 31 Kreditinstituten 43 Fälle, in denen die Zinsen falsch berechnet wurden. Die Geldhäuser zahlten ihren Kunden 90 000 Euro zu wenig. In Sachsen gehe es im Schnitt um 2000 Euro bis knapp 6000 Euro je Vertrag, sagte Andrea Heyer von der Verbraucherzentrale.

Julian Merzbacher, Verbraucherschutzexperte bei der Bürgerbewegung Finanzwende, geht davon aus "dass wir es mit einer Vielzahl von nicht rechtskonformen Klauseln zu tun haben". Es sei peinlich, dass die oft träge Finanzaufsicht Bafin einschreiten müsse. Merzbacher nannte es eine "Frechheit", dass gerade die gemeinwohlorientierten Sparkassen beim Thema Prämiensparen bisher auf den Faktor Zeit und damit auf Verjährungen setzten. Ansprüche von Kunden seien bereits im vergangenen Jahr verfallen.

Der Sparkassenverband DSGV äußerte sich zunächst nicht. Er hatte in der Vergangenheit betont, die Rechtsprechung des BGH von 2004 sei seitdem "angemessen in den betroffenen und späteren Prämiensparverträgen umgesetzt" worden. Das Vorgehen der Bafin bezeichnete der Verband als "rechtlich unangemessen."

Betroffene Institute müssen die Vorgaben der Bafin nun binnen zwölf Wochen umsetzen. Sie können allerdings Widerspruch dagegen einlegen. Die Bafin geht davon aus, dass dies auch einige Geldhäuser machen werden.

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