EZB:"Die Banken müssen sich auf ihr Sterben vorbereiten"

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Eine Taube hebt vor der Zentrale der Europäischen Zentralbank in Frankfurt ab. Drinnen wachsen die Sorgen um die Banken. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Europas Bankenaufsicht und seine Bankenabwicklungsbehörde warnen Kreditinstitute vor neuen Risiken durch Cyber-Attacken und geopolitischen Gefahren.

Von Markus Zydra, Brüssel

Aus der globalen Finanzkrise 2008 zog Europa die große Lehre, dass die hiesigen Großbanken zentral beaufsichtigt werden müssen. Und die Institute sollten für den Fall, dass sie sich doch einmal verzocken, ein "Testament" verfassen, in dem sie darlegen, wie die Behörden sie dann geräuschlos und ohne den Steuerzahler zu belangen, abwickeln können. Die Vorsitzenden der EZB-Bankenaufsicht, Claudia Buch, und der Chef der Europäischen Bankenabwicklungsbehörde SRB, Dominique Laboureix, waren am Dienstag in Brüssel gemeinsam auf der Bühne, um das nächste Kapitel aufzuschlagen. "Der internationale Bankensektor steht vor neuen Risiken", sagte Laboureix und verwies auf Cyber-Kriminelle, die Bankensysteme angreifen, und auf soziale Medien, über die sich Gerüchte und gezielte Falschinformationen zum Zustand von Banken schnell verbreiten würden. "Die Banken müssen diese Reputationsrisiken noch ernster nehmen und im richtigen Moment die Wahrheit sagen", so Laboureix, der den SRB seit letztem Jahr führt.

Claudia Buch leitet seit Jahresanfang die EZB-Bankenaufsicht. Sie hielt in dieser Funktion am Montagabend in Brüssel ihre erste große Rede, am Dienstag folgte die Podiumsdiskussion. "Es herrscht große Unsicherheit. Wir wissen nicht, welches Ereignis mit welcher Wahrscheinlichkeit zu einer Bankenkrise führen kann. Deshalb arbeiten wir mit Szenarien", sagte Buch und verwies auf das Erreichte. "Man vergisst schnell, wie es 2008 war, als es keine gemeinsame Aufsicht gab, keine Abwicklungsinstrumente, als der Staat Banken retten musste mit dem Geld der Bürger."

Die Tatsache, dass Steuerzahler Banker retten mussten, sorgte 2008/2009 in Europa für großen Ärger in der Gesellschaft. Wieder einmal hatte sich gezeigt, dass Banken ihre Gewinne einstecken und ihre Verluste sozialisieren, sobald die Beträge groß genug sind, um das gesamte Finanzsystem zu destabilisieren.

Deshalb entschied die EU damals: Ein gemeinsames europäisches Aufsichts- und Abwicklungsregime sollte das Finanzsystem stabiler machen, vor allem durch eine Vereinheitlichung der Regeln. Die Bankenunion war geboren aufbauend auf den Erfahrungen mit der Finanzkrise, die ausgelöst wurde durch faule Kredite der Banken und die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers. Das sollte sich nicht mehr wiederholen. In den vergangenen 16 Jahren sind die Kapitalregeln verschärft worden. Die Banken müssen nun deutlich mehr Geld als Verlustpuffer zurücklegen.

Zwar gehört die Überwachung der Kreditrisiken immer noch zum Kerngeschäft der Aufsichtsbehörden, doch es gesellen sich neue Gefahren dazu. Stichwort: geopolitische Risiken. "Die Pleite der russischen Sberbank geschah aufgrund der Sanktionspolitik gegen Russland. Das konnte man nicht vorhersehen, dennoch hat die Abwicklung gut funktioniert", sagte Laboureix, der am Dienstag eine neue Strategie für den SRB präsentierte. "Wir werden die Abwicklungspläne der Banken nun jedes Jahr überprüfen. Die Banken, so seltsam es klingt, müssen sich auf ihr Sterben vorbereiten. Und wir als Institution müssen ebenfalls vorbereitet sein, im Ernstfall die Banken geräuschlos abzuwickeln", so der Chef der Europäischen Bankenabwicklungsbehörde. "Ich möchte der Öffentlichkeit versichern, dass wir alles tun, um Finanzstabilität zu erhalten, ohne den Steuerzahler zu belasten", sagte Laboureix. Der SRB und die EZB würden ihre Zusammenarbeit intensivieren.

In ihrer Rede am Montagabend warnte EZB-Bankenaufsichtschefin Buch den Bankensektor vor Konjunktur-, Klima- und geopolitischen Risiken. Zinsen und Energiepreise seien bereits gestiegen, die Wachstumsprognosen gesenkt worden, dazu würden klimabedingte Risiken immer sichtbarer und die Zahl der Cyber-Angriffe habe zugenommen. Sie verwies auch auf die zunehmende Digitalisierung des Bankensektors. Dies könne dazu führen, dass Einlagen, wenn Banken unter Druck geraten, viel schneller als früher von den Konten abgezogen werden.

Dabei verwies sie auf die Regionalbanken-Krise in den USA. Im Frühjahr 2023 verzeichneten einige US-Regionalbanken binnen Stunden milliardenhohe Geldabflüsse. Der Bank Run beschleunigte sich durch die sozialen Medien, wo das Misstrauen gegen die Banken geschürt wurde. Die Silicon Valley Bank und einige weitere US-Geldhäuser sind in der Folge kollabiert. Diese neuen Risiken würden derzeit nur unzureichend in den Risikomanagement-Prozessen der Finanzinstitute berücksichtigt, sagte Buch. "Entscheidungen der Banken könnten daher auf fehlerhaften oder unvollständigen Informationen beruhen."

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