Banken:Der Wettlauf um das dickste Polster

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Die goldenen Zeiten sind vorbei: Um der Krise zu entrinnen, stocken die deutschen Banken ihr angeschlagenes Kapital auf - eine Kehrtwende zur jahrelangen Praxis.

M. Hesse

Noch im Mai 2007 ermächtigten die Aktionäre der Deutschen Bank ihr Management, weiter im großen Stil eigene Aktien zurückzukaufen. Ziel war es, das Eigenkapital zu verringern. Die Banken eiferten damals darum, wer die höchste Eigenkapitalrendite ausweisen kann. Ein Ziel, das man auf zwei Wegen erreichen kann: Indem der Gewinn steigt, oder das Kapital schrumpft. In den goldenen Jahren kam bei den Banken beides zusammen.

Düstere Stimmung in der Bankenstadt Frankfurt am Main: Die Finanzkrise hat das Kapital vieler Kreditinstitute angefressen. (Foto: Foto: AP)

Doch die goldenen Zeiten sind vorbei. "Die Welt hat sich verändert, der Trend geht klar zu höheren Eigenkapitalquoten", sagt Andreas Weese, Bankenanalyst bei Unicredit. Die Krise hat das Kapital vieler Kreditinstitute angefressen: Erwirtschaftet eine Bank Verluste, geht dies zunächst zulasten der Eigentümer, das Eigenkapital reduziert sich. Erst wenn das Kapital weitgehend aufgezehrt ist, müssen auch die Kreditgeber bluten.

80 Milliarden für deutsche Banken

Zunächst holten sich vergangenen Winter viele Banken frisches Kapital bei privaten Investoren oder ausländischen Staatsfonds, um ihre Verluste aufzufangen. Doch die Verluste schwollen an, das Kapital wurde weiter aufgezehrt. Und weil die Investoren der ersten Kapitalisierungsrunde mit ihren Beteiligungen ein dickes Minus einfuhren, war nach der Lehman-Pleite klar, dass die Institute am Kapitalmarkt das benötigte Geld nicht finden würden. Deshalb schnürten die Regierungen Rettungspakete.

Großbritannien steckt bis zu 46 Milliarden Euro in die britischen Banken, die USA 202 Milliarden Euro und Frankreich 40 Milliarden Euro. In Deutschland hat die Regierung 80 Milliarden Euro bereitgestellt, um damit den Banken faule Kredite abzukaufen oder frisches Kapital zu geben. Für einzelne Kreditinstitute sind Kapitalspritzen auf zehn Milliarden Euro begrenzt. Die Commerzbank nahm am Montag 8,2 Milliarden Euro an.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie die deutschen Banken im globalen Vergleich abschneiden.

Doch was ist eine gute Kapitalausstattung? Gemessen wird dies in der Regel an der Kernkapitalquote, die das Kapital ins Verhältnis setzt zu den sogenannten Risikoaktiva, also etwa den gewährten Krediten. "In normalen Zeiten galten sechs bis sieben Prozent Kernkapital als völlig ausreichend", sagt Weese. In dem Bereich lag etwa die Quote der Commerzbank. Die Deutsche Bank setzte sich neun Prozent als Ziel, weil Investoren von den risikoreichen Investmentbanken eine bessere Kapitalausstattung forderten.

Die Deutsche Bank hat unter dem Eindruck der Krise ihr Ziel auf zehn Prozent angehoben und liegt jetzt bei 10,2 Prozent. Die Commerzbank hievte ihre Quote dank staatlicher Hilfe auf 11,2 Prozent. Dabei legt sie aber die Messung nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (HGB) zugrunde. Nach Internationalen Bilanzierungsstandards (IFRS) liegt die Quote bei 10,5 Prozent. Nach der Übernahme der Dresdner Bank wird sie wieder unter neun Prozent fallen.

Ausländer ganz vorne

Im globalen Vergleich liegen die deutschen Banken im Mittelfeld. Besser ausgestattet sind etwa die Schweizer Großbanken UBS (11,5) und Credit Suisse (13,7) oder die US-Investmentbanken.

Deutlich schlechter stehen die meisten Landesbanken da. Nach Angaben der Ratingagentur Fitch liegen deren Quoten zwischen 5,6 (WestLB) und 8,13 (Helaba). Die HSH Nordbank (6,5) wird deshalb voraussichtlich ebenfalls eine staatliche Kapitalspritze beanspruchen. Der deutsche Stabilisierungsfonds Soffin drängt dem Vernehmen nach bei den Banken auf Kapitalquoten von acht Prozent.

"Was Banken verdienen, ist am Markt derzeit nachrangig, Investoren sehen vor allem auf das Eigenkapital und Zugang zu Liquidität", sagt Weese. Dabei sei es aus Aktionärssicht nicht entscheidend, ob das Geld vom Staat oder privaten Geldgebern komme. Führe die Staatshilfe wie bei der Commerzbank nicht zu einer Verwässerung des Anteilsbesitzes der Altaktionäre, könne dies sogar attraktiver sein als eine Kapitalerhöhung am Markt. Doch eine gute Kapitalausstattung ist nicht alles, sie ist vor allem kurzlebig: Banken, die ihre Risiken schlecht managen und in der Krise weiterhin viel Geld verlieren, könnten bald erneut Kapitalbedarf haben.

© SZ vom 07.11.2008/ld/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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