Weener:Friesenbrücke bei Weener: Zwischen Warten und „Hängepartie“

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Blick auf die Ems mit der zerstörten Friesenbrücke. (Foto: Tobias Bruns/dpa/Archivbild)

Rost setzt mehr und mehr an dem Stahlgerippe der einst längsten Eisenbahn-Klappbrücke Deutschlands an. Gras und Unkraut wuchert zwischen den Schienen, die einst...

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Weener (dpa/lni) - Rost setzt mehr und mehr an dem Stahlgerippe der einst längsten Eisenbahn-Klappbrücke Deutschlands an. Gras und Unkraut wuchert zwischen den Schienen, die einst die Bahnstrecke zwischen Leer und dem niederländischen Groningen verbanden. Und unter der Brücke bahnt sich friedlich die Ems weiter ihren Weg Richtung Nordsee. Es hat sich nicht all zu viel verändert in den vergangenen fünf Jahren an der Friesenbrücke nahe Weener im östlichsten Winkel Ostfrieslands. Als am 3. Dezember 2015 der niederländische Frachter „Emsmoon“ die Brücke rammte, wurde das Bauwerk weitgehend zerstört und die Verbindung für den Bahnverkehr, Fußgänger und Radfahrer unterbrochen. Seitdem wartet die Region auf einen Neubau.

„Bis vor fünf Jahren war die Brücke eine Lebensader zwischen den Deichdörfern“, erklärt Theo Douwes. Er ist der Bürgermeister der Gemeinde Westoverledingen östlich der Ems. Es gebe viele persönliche Kontakte der Westoverledinger zu den Nachbarn im Rheiderland auf der westlichen Seite der Ems. Außerdem sei die Brücke für viele eine wichtige Verbindung, um zur Arbeit oder zum Arzt nach Weener zu kommen. „Das ist völlig gekappt“, sagt Douwes.

Früher seien es fünf bis zehn Minuten mit dem Rad über die Brücke gewesen, erinnert sich Douwes Amtskollege in Weener, Ludwig Sonnenberg. „Heute nimmt man den Umweg mit dem Auto und ist eine halbe Stunde oder länger unterwegs.“ Auch der Radtourismus in der Region habe durch den Wegfall der wichtigen Querung in den vergangenen Jahren gelitten, berichten die Bürgermeister. Zwar habe die eingerichtete Friesenfähre zu einer Belebung geführt, sagt Douwes. Unterm Strich seien aber weniger Touristen gekommen.

Ein Ersatz muss daher her, denn ohne Brücke geht es nicht, sind sich alle Beteiligten einig. Lange wurde um die richtige Variante gerungen. Zunächst war eine Reparatur der Klappbrücke bis 2021 im Gespräch. Dann schlug die Papenburger Meyer Werft einen modernen Neubau als Drehbrücke vor. So sollen die großen Kreuzfahrtschiffe einfacher über die schmale Ems an die Nordsee gelangen. Diese neue Brücke soll bis 2024 fertig sein und neben der Bahntrasse auch einen zweieinhalb Meter breiten Fuß- und Radweg haben. Längst sind die Planungen für den Neubau angelaufen - doch bei einigen in der Region bleibt die Frage: „Wieso dauert das so lange?“

„Wir gucken seit 2015 auf diese Brücke und sehen, es passiert nix“, bemängelt die Leeraner Grünen-Politikerin und Vizepräsidentin des Niedersächsischen Landtages, Meta Janssen-Kucz. Es sei kaum nachvollziehbar, warum nicht wenigstens die Abrissarbeiten schon in die Wege geleitet worden seien. Wichtig sei nun, dass das Planfeststellungsverfahren zügig zum Abschluss komme. „Wir müssen langsam auch mal vor Ort sehen, dass es voran geht. Was wir hier in Ostfriesland auf keinen Fall gebrauchen können, ist ein Bauprojekt wie der Berliner Flughafen in Form einer Drehbrücke.“

Die Bahn stellt klar, die Arbeiten für den Brücken-Neubau und die Inbetriebnahme 2024 liegen im Zeitplan. Das bekräftigte in der vergangenen Woche auch noch einmal der Bahn-Beauftragte der Bundesregierung, Enak Ferlemann (CDU), in einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsabgeordneten Filiz Polat.

Seit einem Jahr läuft das Planfeststellungsverfahren. In den kommenden Tagen soll es laut Bahn einen Erörterungstermin geben. „Bei positivem Verlauf könnte Mitte nächsten Jahres der Planfeststellungsbeschluss durch das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) erlassen werden“, teilt eine Bahnsprecherin mit. Im kommenden Jahr soll dann zunächst mit dem Rückbau der noch bestehenden Brückenteile begonnen werden, danach soll 2023 bis 2024 der Neubau folgen.

Doch zuletzt sorgte ein noch nicht veröffentlichter Bericht des Bundesrechnungshofes zu dem Vorhaben für Wirbel. Darin befürchteten die Prüfer, dass sich die Kosten im schlimmsten Fall von derzeit 66 Millionen auf 96 Millionen Euro erhöhen und die Inbetriebnahme sich bis 2030 verzögern könnte.

„Für die Region wäre das eine Katastrophe - sowohl für die Bürgerinnen und Bürger, die rechts und links der Brücke wohnen und die Verbindung täglich genutzt haben, aber auch für überregionale Projekte wie die Wunderlinie“, sagt Hajo Rutenberg, Sprecher der Bürgerinitiative (BI) „Rettet die Ems“. Auf der geplanten Wunderlinie soll es nach dem Neubau der Friesenbrücke eine bessere Taktung und schnellere Zugverbindungen zwischen Groningen und Bremen geben.

Rutenberg ist skeptisch, ob der Zeitplan eingehalten werden kann. Weder der Bund noch die Bahn zeigten ein ernsthaftes Interesse, den Bau zügig voran zu bringen. Dabei gebe es Möglichkeiten, Verfahren zu beschleunigen, ist er sich sicher. „Das ist eigentlich das Schlimme: Das es so eine Hängepartie wird und keiner richtig voran geht.“

Die Bürgermeister von Weener und Westoverledingen (beide parteilos) setzen auf die Zusage, dass die Brücke pünktlich fertig wird. „Der Zeitplan ist im Lot. Das ist für mich die wichtige Aussage“, sagt Douwes. Vielmehr als darauf zu vertrauen, könne man ohnehin nicht machen, gibt sein Amtskollege aus Weener zu bedenken. „Aber wenn alles so umgesetzt wird, wie es vorgestellt wurde, dann haben wir eine zukunftsfähige Brücke für die nächsten 30, 40, 50 Jahre“, sagt Sonnenberg. Es wäre die lang ersehnte Lösung für die Region.

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