Niebüll:Verspätungen auf Marschbahn: Buchholz droht Bahn

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Die Stimmung unter den rund 300 Besuchern des mittlerweile dritten Marschbahngipfels ist angespannt. Pendler berichten von Kollegen, die sich einen Job auf dem...

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Niebüll (dpa/lno) - Die Stimmung unter den rund 300 Besuchern des mittlerweile dritten Marschbahngipfels ist angespannt. Pendler berichten von Kollegen, die sich einen Job auf dem Festland gesucht hätten, Arbeitgeber von Kündigungen und der schwierigen Suche nach Arbeitskräften, die auf der Insel arbeiten wollten. „Es ist spürbar im Raum, dass die Unzufriedenheit noch da ist“, sagte der Chef der DB Regio Nord, Tosten Reh, bei der Veranstaltung am Dienstagabend in Niebüll.

Die Marschbahn, mit der täglich tausende Pendlern fahren, sorgt seit langem immer wieder für Probleme. Defekte Waggons, Bauarbeiten und fehlendes Personal verursachen Verspätungen und Zugausfälle. Unter anderem mit einem Investitionsprogramm für die Sanierung der Infrastruktur will die Bahn die Situation künftig verbessern. Doch zunächst einmal wird sich die ohnehin angespannte Situation durch die Gleiserneuerungen noch einmal verschärfen.

Die Bauarbeiten sind bereits angelaufen. Erste Abschnitte saniert. Doch die massivsten Einschränkungen liegen noch vor den Tausenden Menschen, die täglich zwischen Festland und Insel pendeln. Denn ab dem 4. November wird der eingleisige Abschnitt zwischen Lehnshallig und Klanxbüll auf dem Festland bis zum 29. November jeweils von Montagabend bis Freitagfrüh komplett für den Bahnverkehr gesperrt. Auch die Autozüge fahren in dieser Zeit nicht nach Sylt.

Für die Pendler ist die Belastung durch Baustellenfahrplan und Schienenersatzverkehr in dieser Zeit noch höher als sonst. „Der November wird mit Ansage katastrophal, machen wir uns nichts vor“, sagte Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP).

Einige Sylter Einzelhändler haben im November ihre Öffnungszeiten verkürzt, um ihre Mitarbeiter zu entlasten. Die damit verbundenen Umsatzeinbußen würden in Kauf genommen, um die Mitarbeiter nicht zu verlieren, fasste der Vorsitzende des Vereins Sylter Unternehmer, Karl Max Hellner zusammen.

Bis 2022 sollen zwischen Hamburg-Altona und Sylt insgesamt rund 200 Kilometer Gleise und mehr als 30 Weichen erneuert werden. Außerdem sollen Bahnübergänge und die Signaltechnik sowie Brücken modernisiert werden. Die Gesamtkosten betragen rund 160 Millionen Euro.

„Wir freuen uns auf die Investitionen von 160 Millionen“, sagte der Sprecher der Pendlerinitiative Achim Bonnichsen. Aber, was nützten moderne Schienenanlagen, wenn eingesetzte Züge nicht ordentlich funktionierten? Er und andere Pendler verwiesen unter anderem auf defekte Toiletten und Türen, ausgefallene Klimaanlagen. Auch die immer noch mangelnde Kommunikation bei Gleisänderungen, Verspätungen oder Zugausfällen wurde kritisiert.

Verkehrsminister Buchholz drohte der Bahn angesichts erneut sinkender Pünktlichkeitswerte auf der Strecke zudem mit Strafzahlungen. Im Vergleich zum Vorjahr habe 2019 gut begonnen, sagte er. So seien etwa im März 2018 nur 49 Prozent der Züge zwischen Niebüll und Westerland pünktlich gewesen, im Mai desselben Jahres 50. In diesen und anderen Monaten mit sehr schlechten Pünktlichkeitswerten hat der Minister Geld als Malus einbehalten - „um auch die Bahn unter Druck zu setzen“. Anfang des Jahres waren die Werte laut Buchholz deutlich besser. Sie lagen um die 80 Prozent.

Seit Sommer gingen die Pünktlichkeitswerte aber wieder rapide bergab, sagte Buchholz. In der vergangenen Woche etwa waren nur 57,4 Prozent der Züge zwischen Niebüll und Westerland pünktlich. Wenn die Werte bis Ende des Monats nicht besser würden, werde er wieder Geld einbehalten und die Pendler entschädigen: „Weil diese Größenordnung der Unpünktlichkeit inakzeptabel ist.“

Den Eindruck, den Pendler, aber auch Unternehmer wie Hellner äußerten, dass seit dem Marschbahngipfel im Sommer vorigen Jahres nichts passiert sei, wollten der Minister und die Bahnvertreter indes nicht stehen lassen. Sie verwiesen unter anderem auf das Investitionspaket und die Rekrutierung von zusätzlichem Personal. Und darauf, dass der zweigleisige Ausbau der gesamten Strecke zwischen Niebüll und Westerland auf Druck aus Schleswig-Holstein im Bundesverkehrswegeplan in die Top-Kategorie mit gesicherter Finanzierung hoch gestuft wurde. Nach Ansicht von Buchholz ist der Ausbau alternativlos, um den Verkehr auf der Strecke zu verbessern. Auch die Verlegung der Autoverladestation aus Westerland raus müsse in diesem Zusammenhang diskutiert werden.

Eine Hausaufgabe haben sich die Beteiligten Vertreter von Politik und Bahn mit auf den Weg gegeben: Sie wollen sich gemeinsam mit den Autozugbetreibern zusammen setzen. Ziel ist es laut Buchholz, nach den Baumaßnahmen eine Trasse rauszunehmen, um mehr Stabilität auf der Strecke zu erreichen. Dies soll am liebsten der als „Geisterzug“ mit extrem wenigen Reisenden geltenden Sylt Shuttle Plus sein. Buchholz bot an, auch mit der Bundesnetzagentur, die die Trassen vergibt, Gespräche zu führen, damit die Trasse auch künftig nicht mehr belegt wird.

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