In diesem Punkt hat der US-Präsident tatsächlich recht: Es gibt hier wirklich so gut wie keine Chevrolets. "Wie viele Chevrolets sehen Sie in Deutschland?", fragte Donald Trump schon vor über einem Jahr. "Nicht allzu viele, vielleicht gar keine, man sieht dort drüben gar nichts, es ist eine Einbahnstraße." Der weltweite Automarkt als Einbahnstraße - so stellt sich das für Trump dar.
Anders als in den USA, wo - so behauptet zumindest der Präsident - in manchen Straßen "vor jedem Haus ein Mercedes" stehen soll. Die Fifth Avenue in New York? Voller deutscher Limousinen. Und deswegen droht er den deutschen Autobauern nun mit höheren Zöllen. Fakt ist: Die EU veranschlagt auf US-Autos aus den USA derzeit einen zehnprozentigen Zoll; die USA dagegen legen für EU-Autos nur 2,5 Prozent drauf - ein Ergebnis der sogenannten Uruguay-Welthandelsrunde von 1994. Bei anderen Waren läuft es übrigens oft andersherum.
Ginge es nur um Zölle, wie Trump behauptet, wäre die Sache also klar. Es geht aber um mehr: um die Autos selbst. Premium-Autos Made in Germany haben in den USA seit jeher einen guten Ruf. Sie gelten als chic, modern, leistungsstark, sportlich. Amerikanische Autos dagegen in Deutschland? Nun ja.
Die Auto-Republik ist alles andere als lukrativ für die amerikanischen Hersteller. Ganze 1026 Chevrolets wurden laut Kraftfahrtbundesamt (KBA) im vergangenen Jahr in Deutschland zugelassen. Das könnte auch daran liegen, dass die Amerikaner zuerst versucht hatten, den Markt mit einer Billigstrategie abzugrasen. Als selbst das nicht richtig funktionierte, beschloss die Chevrolet-Mutter General Motors 2013, Chevrolets gar nicht erst anzubieten, um der damaligen Konzerntochter Opel (2017 vom französischen Autokonzern PSA Peugeot Citroën übernommen) keine Konkurrenz zu machen. Geändert hat das wenig: Chevrolet wurde so noch kleiner gemacht, Opel wurde dadurch aber auch nicht viel größer.
Doch auch von Fahrzeugen der US-Marke Cadillac wurden 2017 nur 496 in Deutschland zugelassen, und das wiederum zeigt: Der Verkauf amerikanischer Autos ist hierzulande nicht mehr als eine homöopathische Übung. Nun ist es zwar nicht so, dass auf der anderen Seite jeder Amerikaner ein Auto aus Stuttgart, München oder Ingolstadt fährt. Aber immerhin waren es an die 1,35 Millionen Amerikaner, die sich im vergangenen Jahr ein Auto von Mercedes, BMW oder aus dem VW-Konzern (VW, Audi, Porsche) zulegten. Autos allerdings, die nicht unbedingt aus Germany stammten: 800 000 dieser Fahrzeuge kamen nämlich aus Werken in Alabama (Daimler), South Carolina (BMW) und Tennessee (VW).
Deutsche Autos, in den USA von Amerikanern gebaut, sind einer der großen Exporthits des Landes - und das zeigt, dass es mit den von Trump ins Spiel gebrachten Strafzöllen gegen deutsche Autobauer gar nicht so einfach ist. Wer soll hier mit Strafzöllen belegt werden? Und wer für was bestraft werden? Kritiker sagen: Wenn die US-Regierung jetzt gegen deutsche Autobauer vorgeht, schadet sie vor allem auch amerikanischen Arbeitern, die für diese Unternehmen arbeiten.
Beispiel BMW: Neun Milliarden Dollar haben die Bayern bisher in ihr weltweit größtes Werk in Spartanburg investiert, wo der Konzern seine sportlichen Geländewagen der X-Reihe für den Weltmarkt produziert. An die 10 000 Menschen produzierten hier zuletzt 371 000 Fahrzeuge im Jahr. Werden diese dann von BMW, dem größten amerikanischen Autoexporteur, in die Europäische Union exportiert, um sie dann zum Beispiel bei einem BMW-Händler in München-Trudering - ein paar Kilometer Luftlinie von der BMW-Zentrale entfernt - zu verkaufen, fallen Zollgebühren von zehn Prozent an. Weltwirtschaft bizarr. Nicht nur auf der anderen Seite des Atlantik. Fazit: Es gibt verhältnismäßig viele Amerikaner, die gerne Autos mit Stern, vier Ringen oder Doppelniere kaufen. Umgekehrt kaufen die Deutschen kaum USFahrzeuge (mit Ausnahme von Ford, aber Ford wird von vielen als deutscher Hersteller mit Sitz in Köln wahrgenommen).
Mit den amerikanischen Autos in Europa ist es wohl so: Man findet sie ganz cool, solange sie durch die Straßen von San Francisco rollen. Nur muss man so ein schweres Krimi-Dekor aus dem US-Kino gleich auch in der eigenen Garage stehen haben? Dass ausgerechnet ein Monster-Truck wie der riesige Ford F-150 Pick-up seit vielen Jahren das beliebteste Auto der USA ist, sagt viel über den dortigen Geschmack. Aber auch über den in Europa, wo Schlachtschiffe mit solchen Abmessungen dann doch eher keine Chance haben.
Zu groß, zu durstig
Da der europäische Markt für die US-Bauer nie eine große Rolle gespielt hatte und weil das Terrain von heimischen Autobauern ohnehin belegt war, hat man es auch gar nicht erst versucht. Amerikanische Autos und europäische Kunden, das blieben zwei Welten. Wahrscheinlich wäre das ungefähr so, als würde man nun versuchen, deutsche Jeans in die USA zu exportieren. Es passt irgendwie nicht.
Zu groß, zu viel Blech, hoher Spritverbrauch, veraltete Automatikgetriebe, eine mäßige Verarbeitung, meistens dafür immerhin ein Eins-a-Cupholder. Insgesamt also: kein besonders günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis. Autos, von denen selbst US-Manager sagen, dass sie für den Heimatmarkt passen. Auch deshalb stehen mehr Mercedes, Porsches und BMW auf der 5th Avenue herum als Chevrolet Camaros und Cadillac CTS in Berlin-Mitte.
Experten rechnen nun vor: Bei einem Einfuhrzoll von 25 Prozent auf alle EU-Fahrzeug-Importe in die USA könnte dies die deutschen Hersteller Milliarden extra kosten. Natürlich habe man "solche Ankündigungen ernst zu nehmen", sagt VW-Finanzvorstand Frank Witter. "Es ist wichtig, dass man im Dialog ist. Wir hoffen und appellieren, dass sich die Politiker an einen Tisch setzen." Und BMW-Chef Harald Krüger sagt: "Wir sind die Company, die am besten gegen Risiken gesichert ist."
Geht schon, muss ja, wird irgendwie: Die Deutschen setzen auf die alte Regel: Nicht die Autos mit den niedrigsten Zöllen werden am Ende gekauft. Sondern die, die am besten ankommen beim Kunden. So wie die Autos des Elektroautobauers Tesla aus Kalifornien. Der verkaufte 2017 über 3 300 seiner teuren Limousinen in Deutschland. Mehr als Chevrolet und Cadillac zusammen.