Brennender Autofrachter:Welche Eigenschaft von E-Autos Versicherer besonders fürchten

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Brand des Autofrachters "Fremantle Highway" auf der Nordsee nahe der holländischen Insel Ameland. (Foto: Jan Spoelstra/IMAGO/ANP)

498 Elektroautos sind an Bord des brennenden Frachters "Fremantle Highway". Zunächst war von 25 die Rede. Ein Versehen? Über Fehldeklarationen und Forderungen der Versicherungsbranche.

Von Herbert Fromme, Köln

Wie viele sind es denn nun? Als der Autofrachter "Fremantle Highway" am Dienstagabend in Brand geriet und die Löschmannschaften mit ihren Spezialschiffen losgeschickt wurden, erhielten sie scheinbar glasklare Informationen: Das Schiff habe 2800 Fahrzeuge geladen, davon 25 Elektroautos. Am Donnerstag korrigierten die Reederei K Line aus Japan und die Behörden die Zahl: Es seien 3783 Fahrzeuge, also rund 1000 mehr. Am Freitag die nächste Korrektur. Anstatt 25 sind 498 E-Autos an Bord.

Für Löschtrupps sind solche Informationen entscheidend, falsche Zahlen können Leben kosten. Denn wegen der Lithium-Ionen-Batterien brennen E-Autos anders als konventionelle Wagen. Wie es zu der Schlamperei kam, ist bislang nicht klar.

Das Schiff war auf dem Weg von Bremerhaven nach Port Said in Ägypten und sollte von dort aus durch den Suez-Kanal bis nach Singapur fahren. Zur Ladung gehören mehrere Hundert Neuwagen der Marken Mercedes und BMW. Der Versicherungsschaden dürfte bei weit über 200 Millionen Euro liegen. Wer Schiff und Ladung versichert, ist bislang nicht bekannt, vieles deutet zumindest bei der Schiffsversicherung auf japanische Gesellschaften hin. Die Allianz, einer der größten Schiffsversicherer der Welt, soll nach Brancheninformationen nicht dabei sein.

Bislang ist nicht klar, wie das Feuer ausgebrochen ist. Die niederländische Küstenwache bestreitet, von der Selbstentzündung einer Batterie gesprochen zu haben. Die Löschmannschaften haben keine andere Wahl, als das Schiff ausbrennen zu lassen. Sie kühlen auch die Seitenwände nicht mehr, aus Furcht, zu viel Wasser könnte in das 200 Meter lange Schiff eindringen und es zum Kentern bringen. Das kontrollierte Ausbrennen hat eigene Risiken, das Schiff könnte auseinanderbrechen. Ein schwerer Umweltschaden wäre auch hier die Folge.

Auf Autofähren könnte ein solches Feuer zu vielen Toten führen

Das Feuer hat zu einer erneuten Debatte über die Sicherheit von E-Autos an Bord von Schiffen geführt. Auf Fähren mit mehreren Hundert Passagieren könnte ein Feuer deutlich schlimmere Auswirkungen haben als auf der "Fremantle Highway" mit 23 Besatzungsmitgliedern.

Kapitän Uwe Schieder, Schadenexperte beim Gesamtverband der Versicherer, warnt vor voreiligen Schlussfolgerungen. "Wir können nicht feststellen, dass Elektroautos besonders gefährlich sind", sagt er. "Unsere Zahlen zeigen, dass sie seltener brennen als Verbrenner."

Das Problem: Wenn sie doch in Flammen aufgehen, brennen sie anders. "Die Batterien produzieren beim Feuer Sauerstoff und Wasserstoff und können deshalb auch weiterbrennen, wenn herkömmliche Löschanlagen eingesetzt werden." Diese verdrängen den Sauerstoff mit Hilfe von CO2 und dämmen so ein konventionelles Feuer ein. "Wenn eine Mannschaft ein Feuer auf einem Schiff durch das Fluten mit CO2 bekämpft, muss sicher sein, dass der entsprechende Laderaum verschlossen ist und alle Seeleute außerhalb dieser Zone sind", sagt Schieder. "Das dauert etwa zehn bis 20 Minuten, eigentlich schon eine viel zu lange Zeit." Dann flutet die Besatzung den Laderaum mit CO2 und muss schnell den Sauerstoffanteil auf weniger als zwölf Prozent reduzieren, um irgendetwas auszurichten.

Schieders Forderungen sind klar: "Wir brauchen Detektorsysteme, die viel besser und feiner die Hitzeentwicklung beobachten." So könnten ausbrechende Feuer früh entdeckt werden. "Außerdem sollten Schiffe mit solcher Ladung Hochdruck-Wasser-Nebelanlagen installiert haben." Damit könnten auch Batteriebrände gelöscht werden.

Die Versicherer könnten solche Änderungen nicht erzwingen, sagt Schieder. "Wenn eine Gesellschaft den Transport von E-Fahrzeugen nicht mehr versichert, machen das viele andere aber doch." Der richtige Weg seien entsprechende Vorschriften der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (International Maritime Organization). Schieder ist daran beteiligt, neue Regeln zu erarbeiten, sie sollen im kommenden Jahr verabschiedet werden. Allein im vorigen Jahr gab es 209 gemeldete Feuer an Bord von Schiffen. In den vergangenen fünf Jahren sind 64 Schiffe wegen Bränden gesunken oder mussten zum Totalschaden erklärt werden.

Ein Problem: Manche Unternehmen, die gefährliche Ladung verschicken, deklarieren den Inhalt von Containern falsch. Da heißt es, ein Container sei mit Spielzeug beladen, wenn tatsächlich Feuerwerk an Bord ist. Lithium-Ionen-Batterien werden gerne als Computerteile verschifft. So sparen die Firmen Geld, denn der Transport gefährlicher Ladung ist teurer. Solche Fehldeklarationen sind für etwa 25 Prozent aller ernsthaften Zwischenfälle auf Containerschiffen verantwortlich, glaubt die Allianz.

Auch eine normale Autobatterie hat bereits einen verheerenden Schiffsbrand verursacht

Auch die Zahl der Elektrofahrzeuge, die auf Fähren und Autofrachtern befördert werden, steigt stetig. Die "Fremantle Highway" ist nicht das erste betroffene Schiff. Die "Felicity Ace" sank nach einem Feuer, das im Februar 2022 begann, mit 4000 Fahrzeugen vor den Azoren. Die Batterien der E-Autos sorgten dafür, dass der Frachter wochenlang brannte. Die "Höegh Xiamen" geriet 2020 in Jacksonville in Florida in Brand und wurde mit der Ladung von 2420 Gebrauchtwagen zum Totalschaden erklärt. Schadenursache war eine falsch angeschlossene ganz normale Autobatterie.

Die Allianz verlangt mehr Maßnahmen, um solche Schäden zu vermeiden. "Alle Elektrofahrzeuge müssen klare Informationen in der Windschutzscheibe über die Art des Fahrzeugs haben, also Vollelektrik, Plug-In Hybrid oder anderer Hybrid", schreibt der Versicherer. Die Batterien dürften nicht defekt sein, und E-Autos mit niedriger Bodenfreiheit müssten besonders ausgezeichnet sein, schließlich seien sie schwieriger von Bord zu bekommen.

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