Auftakt im AUB-Prozess:Geld mit Geschmäckle

Lesezeit: 3 min

Mehr als 30 Millionen Euro hat Siemens der Arbeitnehmervertretung AUB überwiesen. Um ein Gegengewicht zur unbequemen IG Metall aufzupäppeln? Die beiden Drahtzieher stehen nun vor Gericht.

Fotoapparate blitzen, Kugelschreiber klicken - der Gerichtssaal im Landgericht Nürnberg-Fürth ist voll von Menschen mit Mikrofonen und Kameras. Groß ist der Andrang, wenige Minuten vor Beginn des Prozesses - und das Interesse der Medien gilt zwei Männern: Johannes Feldmayer, dem ehemaligen Siemens-Zentralvorstand, und Wilhelm Schelsky, dem Ex-Chef der Arbeitnehmervertretung AUB.

Schelsky vor Gericht: Der ehemalige AUB-Chef muss sich wegen Betrug und Steuerhinterziehung verantworten. (Foto: Foto: AP)

Der Vorwurf: Feldmayer habe mit Schelsky 2001 eine "Rahmenvereinbarung" geschlossen, erklärt die Anklage. Danach erhielt Schelsky pro Quartal 500.000 Euro - offiziell etwa für Mitarbeiterschulungen und Hilfe für Finanzgeschäfte. Inoffiziell jedoch sollte mit dem Siemens-Geld die AUB aufgepäppelt werden - als handzahmes Gegengewicht zur einflussreichen IG Metall.

"Bereits bei der Unterzeichnung des Vertrags waren sich die beiden Angeschuldigten einig, dass der Angeklagte Schelsky nicht die offiziell vereinbarten Leistungen zu erbringen hatte, sondern dass die in der Folge gezahlten angeblichen Honorare tatsächlich dem Aufbau, dem Erhalt und der Förderung der AUB dienen sollten", sagt Oberstaatsanwältin Antje Gabriels-Gorsolke zu Beginn des Prozesses. Schelsky habe zwischen dem 23. Januar 2001 und dem 2. November 2006 insgesamt 44 Rechnungen über 30,3 Millionen Euro plus Umsatzsteuer gestellt.

Geld für private Zwecke

Siemens-Manager Feldmayer habe diese Zahlungen als durchlaufende Kosten verbucht und der Siemens-Zentrale weiterbelastet, sagt Gabriels-Gorsolke. Er habe dadurch "gegen seine Verpflichtung, für das Vermögen der Siemens AG Sorge zu tragen", verstoßen. Schelsky habe darüber hinaus spätestens seit 2006 das Siemens-Geld nicht nur für die AUB, sondern auch für private Zwecke, für Sport-Sponsoring und für andere Unternehmen ausgegeben, an denen er beteiligt war. Etliche Ausgaben soll er anschließend von der Steuer abgesetzt haben. Schelsky wird unter anderem Betrug und Steuerhinterziehung vorgeworfen.

Feldmayer selbst übernimmt die Verantwortung für die Zahlungen. Im Topmanagement sei bekannt gewesen, dass "die AUB ein Siemens-Kind ist", sagt Feldmayer. "Dass das politisch heikel war, war uns schon bewusst." Von einer Beeinflussung der Arbeitnehmervertreter will der Manager jedoch nichts wissen: "Ich habe nicht gesehen, dass mit den Geldern an die AUB Betriebsratswahlen beeinflusst werden könnten. Es ging um den Aufbau von Geschäftsstellen, es ging um Verwaltungsarbeit. Es ging nicht darum, irgendwelche Kandidaten der AUB in irgendeiner Form zu unterstützen oder Einfluss zu nehmen auf deren Verhalten."

Eine offene Unterstützung der AUB habe Siemens wegen "Diskussionen, die wir einfach nicht haben wollten" nicht in Betracht gezogen.

Mit Schelsky soll er damals einen Feldmayer abgeschlossen haben. Beide Männer waren sich nach Ansicht der Ermittler einig, dass die in dem Vertrag aufgeführten Leistungen wie etwa Schulungen von Mitarbeitern und Betriebsräten gar nicht erbracht werden sollten.

Bekannt als Siemens-Lobbyist

Der Ex-Vorstand sagt, die Unterstützung für die AUB sei "klar mündlich vereinbart" worden, nur Berateraufgaben wurden in einer Rahmenvereinbarung schriftlich festgehalten. Der ehemalige Vorstand Günther Wilhelm habe ihn persönlich aufgefordert, diesen Beratervertrag mit Schelsky zu schließen. In Sitzungen des Zentralvorstands sei darüber aber nie gesprochen worden. Der Gewerkschaftsboss habe den Vertragstext vorgelegt, den er dann unterschrieben habe, berichtet Feldmayer.

Vereinbart wurde die Zahlung von 500.000 Euro pro Quartal. Die zentrale Finanzabteilung des Konzerns habe nicht Alarm geschlagen, Schelsky sei als Siemens-Lobbyist bekannt gewesen. "Eine starke AUB war gut, weil es eine zweite Kraft im Unternehmen gab", erklärt Feldmayer. Angesichts der Konkurrenzgewerkschaft habe sich die IG Metall in "eine praxisnahe, positive Richtung entwickelt". Der Ex-Vorstand räumte ein, er habe Rechnungen Schelskys auch unter seiner Privatadresse angenommen und anschließend direkt der Siemens-Buchhaltung zugeleitet. So habe man Gerede über Bezüge des AUB-Chefs vermeiden wollen.

Dieser gab laut den Ermittlern einen Großteil des Geldes nicht für AUB-Zwecke, sondern für Sportler, Sportvereine, private Zwecke und für Unternehmensbeteiligungen aus. Davon wusste Feldmayer nach eigener Aussage nichts. Wegen steigender Geldforderungen Schelskys habe er aber - weitgehend erfolglos - Nachweise von ihm gefordert. 2006 habe er den Vertrag nach Rücksprache mit Personalvorstand Jürgen Radomski gekündigt.

"Endlich Transparenz"

Überhaupt habe er Schelsky hauptsächlich als Referenten qualifizierter Fortbildungsveranstaltungen gekannt. Das im Jahr 2001 vereinbarte Berater-Honorar von zwei Millionen Euro pro Jahr habe er für vertretbar gehalten.

Bei der IG Metall sieht man das anders. Der bayerische IG-Metall-Chef Werner Neugebauer erwartet daher von dem Prozess, "endlich Transparenz in die skandalösen Vorgänge um die AUB zu bringen. Nach allem, was wir heute wissen, stehen wir vor einem Sumpf, der in seiner Systematik und seinen finanziellen Dimensionen einmalig in der deutschen Wirtschaftsgeschichte sein dürfte", sagt Neugebauer im Vorfeld der Verhandlung. Öffentlichkeit und Siemens-Beschäftigte wollten wissen, wie viel Geld der Konzern für die AUB übrig gehabt habe und wer dafür verantwortlich sei.

© sueddeutsche.de/dpa/AP/tob/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

AUB-Skandal in Bildern
:Millionen für handzahme Arbeitnehmer

Vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth müssen sich der ehemalige AUB-Chef Schelsky und der frühere Siemens-Zentralvorstand Feldmayer verantworten. Der Verlauf eines Skanals in Bildern.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: