Siemens-Vorstand vor Gericht:Befehl ist Befehl

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Bei Siemens galt offenbar der Grundsatz, dass Entscheidungen von Vorgesetzten nicht angezweifelt wurden. Daran zerschellt nun womöglich der frühere Vorstand Feldmayer.

Klaus Ott und Uwe Ritzer

Was ein "echter Siemensianer" ist, lehrte die Nürnberger Ermittler der Untersuchungshäftling Wilhelm Schelsky. "Echter Siemensianer" zu sein bedeute, "dass man Entscheidungen seiner Vorgesetzten nicht hinterfragt, sondern ausführt", soll der ehemalige Vorsitzende der Betriebsräteorganisation AUB bei einer seiner Vernehmungen gesagt haben.

Ex-Zentralvorstand Johannes Feldmayer drohen enorme Schadenersatzforderungen (Foto: Foto: dpa)

So oder so ähnlich hörten es Staatsanwälte, Polizisten und Steuerfahnder in den vergangenen 18 Monaten auch von vielen anderen Beschuldigten und Zeugen. Ein militärisches System von Befehl und Gehorsam, bei dem es tabu war, Entscheidungen Vorgesetzter anzuzweifeln, geschweige denn zu hinterfragen, scheint sehr lange Zeit ein Grundpfeiler siemensianischer Unternehmenskultur gewesen zu sein.

Ab Mittwoch vor Gericht

An diesem zerschellt nun womöglich der frühere Zentralvorstand Johannes Feldmayer. Als erster Topmanager des früheren Führungszirkels des affärengebeutelten Elektronikkonzerns sitzt er ab Mittwoch auf der Anklagebank.

Vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth muss sich der 51-Jährige wegen Untreue und damit verbundener Steuerhinterziehung verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft Feldmayer vor, zwischen Januar 2001 und Oktober 2006 insgesamt 44 Überweisungen von Siemens-Konten an Schelsky veranlasst zu haben. Insgesamt seien so 30,3 Millionen Euro geflossen.

Mit dem Geld sollte Schelsky, der wegen Beihilfe zur Untreue, Betrug und Steuerhinterziehung mitangeklagt ist, die Betriebsräteorganisation AUB als arbeitgeberfreundliches Gegengewicht zur häufig renitenten IG Metall aufbauen.

228 Seiten umfasst die Anklageschrift gegen die beiden ehemaligen Geschäftspartner. Sollten sie in dem vorerst bis Ende Oktober angesetzten Prozess tatsächlich schuldig gesprochen werden, drohen ihnen mehrjährige Haftstrafen.

Anders als Schelsky, der seit Februar 2007 in Untersuchungshaft sitzt, wurde der Haftbefehl gegen Feldmayer wenige Tage nach seiner Festnahme Anfang April 2007 außer Vollzug gesetzt und später aufgehoben. Neben einer Freiheitsstrafe droht Feldmayer auch großes finanzielles Ungemach. Sein früherer Arbeitgeber will ihn und zehn weitere ehemalige Zentralvorstände wegen ihrer Verwicklung in die diversen Schmiergeld-Affären kräftig zur Kasse bitten.

Schadensersatzanspruch: Knapp 24 Millionen Euro

In einer als "streng vertraulich" deklarierten Expertise für den Siemens-Aufsichtsrat beziffert die Düsseldorfer Kanzlei Hengeler Müller nach Informationen der Süddeutschen Zeitung den Schadenersatzanspruch allein gegen Feldmayer auf 23,6 Millionen Euro. Die Chancen, diesen vor Zivilgerichten durchsetzen zu können, seien gut, heißt es in der Expertise. Schwieriger sei es, weitere 11,5 Millionen Euro einzutreiben, auf die Siemens nach Ansicht der Düsseldorfer Experten zwar Anspruch habe, die aber schwieriger einzuklagen seien.

Vielleicht ist es der bedingungslose Gehorsam gegenüber einem Vorgesetzten, der Johannes Feldmayer zum Verhängnis werden könnte. Seit 1977 bei Siemens, hatte sich der gebürtige Augsburger zielstrebig hochgearbeitet. Ab Oktober 1999 fungierte er als Chef des in Nürnberg angesiedelten Unternehmensbereiches Automation & Drives.

Im Herbst 2000 soll ihn der damalige Zentralvorstand Günter Wilhelm angerufen haben, gegen den inzwischen wegen Anstiftung zur Untreue ermittelt wird. Feldmayer solle mit Schelsky einen neuen Rahmenvertrag vereinbaren, soll Wilhelm angeordnet haben. Details werde ihm Schelsky selbst sagen. Feldmayer gehorchte.

Am 22. Januar 2001 unterschrieb er besagte Vereinbarung, die unter anderem regelte, dass der AUB-Chef Siemens bei der Auswahl und Schulung von Mitarbeitern helfen sollte, die später als Betriebsräte fungieren sollten. Vor allem aber ging es darum, mit den heimlichen Siemens-Millionen die AUB aufzupäppeln. Seine als "Beratungshonorare" getarnten Rechnungen schickte Schelsky nach den Erkenntnissen der Ermittler ab 2001 und auch nach Feldmayers Aufstieg in den Zentralvorstand an dessen Privatadresse. Damit nichts auffiel, soll Schelskys Exehefrau viele Rechnungen mit ihrem Mädchennamen unterschrieben haben.

Feldmayer sorgte dafür, dass Schelsky das Geld bekam. Insgesamt hat Siemens ab 1990 etwa 50 Millionen Euro gezahlt. 30,3 Millionen davon sind strafrechtlich nicht verjährt. Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass Schelsky davon nur gut die Hälfte, 16,2 Millionen Euro, in die AUB hat fließen lassen.

Der Rest sei für private Zwecke und Sportsponsoring draufgegangen, weshalb sich der Ex-AUB-Chef auch wegen Betrug an Siemens verantworten muss. Steuerhinterziehung wird ihm angelastet, weil er nahezu das gesamte AUB-Personal, sowie Honorare und Sachausgaben der Organisation über die Bücher seiner Firmen habe laufen lassen und zu deren Gunsten steuermindernd geltend gemacht haben soll.

© SZ vom 22.09.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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