AUB-Affäre:Betrug und Spiele

Mit den Aussagen von Sportlern will die Nürnberger Staatsanwaltschaft beweisen, dass der frühere AUB-Chef Schelsky Geld veruntreut hat.

Klaus Ott und Uwe Ritzer

Die Enttäuschung der Handballerinnen Jana Krause, Christina Rohde und Ania Rösler war riesig. Im letzten Moment wurde das Trio vom 1. FC Nürnberg aus dem Kader der deutschen Nationalmannschaft für die Olympischen Spiele in Peking gestrichen. Andererseits haben die Sportlerinnen nun mehr Zeit, um sich in Ruhe auf einen spektakulären Wirtschaftsprozess vorzubereiten.

AUB-Affäre: Angeklagt: Ex-AUB-Chef Wilhelm Schelsky.

Angeklagt: Ex-AUB-Chef Wilhelm Schelsky.

(Foto: Foto: oh)

Ende September soll vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth der Prozess über die jahrelange, verdeckte und womöglich kriminelle Finanzierung der Betriebsräteorganisation AUB durch Siemens beginnen. Angeklagt sind unter dem Aktenzeichen 501 Js 1777/08 Ex-Siemens-Zentralvorstand Johannes Feldmayer und der frühere AUB-Chef Wilhelm Schelsky. Ihnen drohen Haftstrafen.

Krause, Rohde und Rösler sowie fünf Mannschaftskolleginnen des amtierenden deutschen Frauenhandballmeisters sollen dabei als Zeuginnen aussagen. So hat es die Staatsanwaltschaft beantragt, die dem Gericht nach Informationen der Süddeutschen Zeitung mehr als 100 Zeugen benannt hat. Mit Hilfe der Sportlerinnen will sie beweisen, dass Schelsky Siemens betrogen hat, indem er Geld, das für den Aufbau der AUB bestimmt war, für Sportsponsoring ausgegeben hat. Allein 2006 sollen es 3,1 Millionen Euro gewesen sein. Zudem ist Schelsky unter anderem wegen Beihilfe zur Untreue angeklagt. Er soll in seiner Funktion als Unternehmensberater zum Schein Honorare abgerechnet und kassiert, sie tatsächlich aber zu einem großen Teil für die AUB verwendet haben.

Vorwurf Steuerhinterziehung

Seinem mutmaßlichen Komplizen Feldmayer werfen die Ankläger vor, Siemens-Vermögen veruntreut zu haben. Feldmayer soll für 30,3 der insgesamt 50 Millionen Euro verantwortlich sein, die Siemens gezahlt hat, um die AUB als arbeitgeberfreundliche Alternative zur IG Metall aufzupäppeln. Auch Steuerhinterziehung in allen möglichen Facetten wird ein beherrschendes Thema des Prozesses werden. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Angeklagten vor, dem Fiskus zu Unrecht Betriebsausgaben in Millionenhöhe vorenthalten zu haben. Siemens hat nach SZ-Informationen inzwischen knapp 5,7 Millionen Euro Körperschaftsteuer nachträglich an das Finanzamt München überwiesen.

Der anstehende Prozess in Nürnberg dürfte ein Mammutverfahren werden, das bis ins nächste Jahr dauern könnte. Fast zwei Jahre hat die aus Polizisten, Steuerfahndern und Staatsanwälten gebildete Sonderkommission "Amigo" ermittelt und dabei mehr als 70 Büros und Wohnungen durchsucht. Nun sollen nicht nur Spitzensportler wie Krause, Rösler und Rohde als Zeugen vor Gericht aussagen, sondern auch elf ehemalige AUB-Verantwortliche sowie 18 frühere und teilweise noch amtierende Top-Manager von Siemens, darunter der frühere Vorstand Günter Wilhelm und der ehemalige Vorstand und Aufsichtsratschef Hermann Franz.

Der ist noch Anfang 2006, als er längst in Pension war, in einer E-Mail an den damaligen Konzernchef Klaus Kleinfeld über die Gewerkschaften hergezogen. Von denen werde Siemens das Leben schwergemacht. Die Gewerkschaften saugten jede negative Nachricht gierig auf und versuchten, daraus Kapital zu schlagen.

Eng verflochten

Der am Siemens-Standort Erlangen ansässige Franz soll zusammen mit Wilhelm 1990 dafür gesorgt haben, dass der damals bei Siemens angestellte Schelsky sich als Unternehmensberater selbständig gemacht und fortan mit Mitteln des Konzerns den Ausbau der AUB vorangetrieben habe. Wilhelm soll sich besonders intensiv um das Wohlergehen der AUB gekümmert haben. Gegen ihn wird wegen Anstiftung zur Untreue und zur Steuerhinterziehung ermittelt.

Die Ermittler fanden nicht nur in Schelskys privatem Tresor allerhand Unterlagen, auf denen Wilhelms Name steht. Bei Franz hingegen sind die möglichen Delikte offenbar verjährt; er hat Zeugenstatus. Hingegen wird gegen seinen Nachfolger Karl-Hermann Baumann ermittelt. Er ist einer von weiteren 17 Beschuldigten in dem Verfahren, zu denen auch der frühere Siemens-Finanzvorstand Heinz-Joachim Neubürger gehört.

Wie sehr Siemens und AUB verflochten waren, zeigen Einzelheiten aus dem Ermittlungsverfahren. Demnach waren alle Mitarbeiter der AUB-Bundesgeschäftsstelle in Nürnberg nach SZ-Informationen bis 2001 Angestellte von Siemens und bekamen ihr Gehalt vom Konzern. Als dieses System aufzufliegen drohte, habe Schelsky das AUB-Personal bei sich eingestellt und fortan mit dem Geld bezahlt, das er von Siemens bekam. Die Mitarbeiter hätten jedoch Wiedereinstellungszusagen von Siemens erhalten, die jeweils fünf Jahre lang gegolten haben. Lediglich die Putzfrau ihrer Bundesgeschäftsstelle zahlte die AUB demnach selber.

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