Arcandor vor Zerschlagung:Kahlschlag bei Quelle - 3700 Jobs fallen weg

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Aderlass beim Pleite-Konzern Arcandor: Allein bei der Tochter Quelle fallen Tausende Arbeitsplätze weg, die Karstadt-Warenhäuser müssen mit "einer schmerzhaften Operation" rechnen.

Uwe Ritzer

Die insolvente Arcandor AG steht vor drastischen Einschnitten. Allein bei der Versandsparte Primondo mit dem Versandhaus Quelle werden 3700 von 10.500 Stellen gestrichen. Auch bei den Karstadt-Warenhäusern werde es "eine schmerzhafte Operation" geben, kündigte der vorläufige Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg an.

Massiver Jobabbau: Bei Quelle fallen Tausende Jobs weg. (Foto: Foto: AP)

Von allen Arcandor-Sparten trifft es Primondo und vor allem Quelle am schlimmsten. Sämtliche 109 Quelle-Technik-Center, die durchweg rote Zahlen schreiben, werden dicht gemacht. Die Zahl der Quelle-Shops wird von 1450 auf etwa 1000 reduziert. In den Zentralabteilungen und der Verwaltung sowie einigen Service-Einheiten vorwiegend in Fürth und Nürnberg werden zahlreiche Stellen gestrichen. Wie die Süddeutsche Zeitung bereits vorab berichtete, gehen allein in dieser Region mindestens 1500 Arbeitsplätze verloren. Insgesamt werden bis Januar 2010 bei Primondo und Quelle 3700 Stellen reduziert. Görg informierte die Betroffenen darüber am Donnerstag bei Betriebsversammlungen in Nürnberg.

Die Zukunft heißt Homeshopping

Vor der Presse sprach er anschließend von "harten strukturellen Sanierungsmaßnahmen", die notwendig seien, "um den profitablen Kern von Quelle frei legen zu können". Wo die Zukunft des entsprechend verkleinerten Versandhauses liegt, steht für den vorläufigen Insolvenzverwalter fest. Quelle müsse sich "als europäischer Marktführer im integrierten Homeshopping aufstellen". Die Chancen dazu seien angesichts von sechs Millionen Kunden nicht schlecht.

Selbst in den vergangenen Krisen-Wochen, in denen das Versandhaus vier Wochen ohne eigene Einnahmen und ausschließlich von der Großzügigkeit seiner Lieferanten lebte, ehe ein staatlicher Massekredit von 50 Millionen Euro die Geschäfte wieder in Gang brachte, habe das sogenannte E-Commerce-Geschäft gemessen am selben Vorjahreszeitraum um zehn Prozent zugelegt. Das zeige das Potential dieses Geschäftsfeldes, hieß es.

Die "neue Quelle", wie Görg es formulierte, solle Internet- und klassisches Kataloggeschäft sowie Universal- und Spezialversand in sich vereinen. Dazu könnten die unter dem Primondo-Dach seperat firmierenden Spezialversender wie Baby-Walz, Planet Sports, Madeleine oder Bon'A Parte integriert werden. Quelle müsse den Kunden "virtuelle wie reale Berührungs- oder Kontaktpunkte anbieten, nicht zuletzt über den Kundendienst der Profesctis" bieten, erläuterte Görg.

Weniger konkret als bei Primondo und Quelle äußerte sich Klaus Hubert Görg zum anstehenden Personalabbau bei den Karstadt-Warenhäusern. Dass ein solcher kommen wird, daran ließ er jedoch keinen Zweifel. Soll eine Sanierung im anstehenden Insolvenzverfahren überhaupt gelingen, benötige man "wesentliche Sanierungsbeiträge", sagte Görg. Er kündigte entsprechende Verhandlungen mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und Betriebsräten an. Daneben müssten die Verträge mit Vermietern, Dienstleistern und Lieferanten neu verhandelt und günstiger gestaltet werden.

19 Häuser auf der Kippe

Ungeachtet dessen stehen von insgesamt 126 Karstadt-Waren- und Sporthäusern 19 akut auf der Kippe. Man werde ihre Fortführungsperspektive noch einmal prüfen, kündigte Görg an. Sein Ziel sei es, so viele Häuser wie möglich zu erhalten. Die neuen Sporthäuser in Münster, Essen und Dresden werde man übernehmen. Generell will Görg in den kommenden Monaten mit den Instrumenten der Insolvenzordnung Karstadt umfassend restrukturieren. Dahinter steht die Absicht, die Warenhaus-Sparte für einen potenziellen Übernehmer attraktiv zu machen. Erste Ergebnisse will Görg bei einer Gläubigerversammlung in der ersten Novemberhälfte vorlegen.

Keine definitive Aussage traf er zum Reiseveranstalter Thomas Cook. Man sei nach wie vor im Dialog mit den Banken was die Verwertung des 43,9-Prozent-Anteils an Thomas Cook angehe.

In einem Brief hat sich unterdessen Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick direkt an die Konzernmitarbeiter gewandt. Der Vorstandsvorsitzende bittet darin die Beschäftigten, auf dem Sanierungsweg mitzuhelfen. "Wir sind uns bewusst, welche Unsicherheit für Sie mit der gegenwärtigen Situation verbunden ist. Dennoch möchten wir Sie bitten, auch in dieser schwierigen Zeit weiterhin konstruktiv und mit Ihrer ganzen Kompetenz die jetzt anstehenden Prozesse zu begleiten", schrieb Eick.

Dass die Arcandor AG in ihrer bestehenden Struktur keine Zukunftschance hat, zeichnete sich bereits länger ab. Vorstandschef Karl-Gerhard Eick hatte die Suche nach einem Investor am Mittwoch für erledigt erklärt. Es finde sich kein Investor, der Interesse hat an dem weit verflochtenen Konzern, der nun zerschlagen wird. Das hat unmittelbare Auswirkungen auf die Arcandor Holding als Dachgesellschaft. Klaus Hubert Görg will "ihre Rolle auf den Prüfstand stellen". Anfang Oktober will Görg klären, wie viele der 94 Mitarbeiter für das anstehende Insolvenzverfahren überhaupt noch benötigt werden.

© SZ vom 14.8.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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