Arcandor: Schluss mit Middelhoff:Big T lächelt nicht mehr

Lesezeit: 4 min

Erst bei Bertelsmann, nun bei Arcandor ein Opfer eigener vollmundiger Ankündigungen: Thomas Middelhoff. Der große Vorsitzende hatte einen letzten Auftritt.

Hans-Jürgen Jakobs

Sein größter Freund ist zugleich auch sein größter Feind: die Öffentlichkeit.

Letzter großer Auftritt als Arcandor-Chef: Thomas Middelhoff. Ende Februar tritt er ab. (Foto: Foto: dpa)

Selten hat Thomas Middelhoff eine Gelegenheit ausgelassen, sich als dynamischsten, innovativsten, agilsten Manager Deutschlands darzustellen - überhaupt als jemand, dem die große Welt der Wall Street und der City in London näher ist als die überall anzutreffende Piefigkeit. "Big T", wie ihn Freunde nennen, lebt vom Glanzbild im Spiegel der Medien.

An diesem Montag hatte Thomas Middelhoff noch einmal einen großen Auftritt: bei jenem Essener Handels- und Touristikkonzern, der früher Karstadt Quelle hieß und dem der große, frei über den Dingen schwebende Vorsitzende den kunstvollen Namen "Arcandor" verpasste.

Der Evergreen

Noch einmal konnte der Mann mit den streng zurückgekämmten Haaren und der schlanken Gestalt seinen Evergreen präsentieren von der Rettung eines fast insolventen Unternehmens und den "bereinigten" starken Betriebsgewinnen von mehr als 800 Millionen Euro. Noch einmal stellte er wie gewohnt Großes in Aussicht, den Aufstieg von Arcandor in die Champions League der Branche im Herbst - doch Thomas Middelhoff lächelte dabei nicht mehr.

"Sie können mich abstrafen", sagte er selbst einmal zur Dauerkrise bei den Karstadt-Warenhäusern.

Die Wahrheit ist auch beim scheidenden Arcandor-Chef angekommen, jener selbststilisierten Galionsfigur des modernen Kapitalismus. Wie soll es auch anders gehen bei einem Gesamtverlust von 746 Millionen Euro für das Geschäftsjahr 2007/08? Schon viele Monate zuvor hat kaum noch einer den vollmundigen Sprüchen des Managers geglaubt, der das Scheitern mit sich zu ziehen scheint wie eine vom Wind zerschlissene Fahne.

Middelhoff selbst wird nicht dabei sein, wenn seine neuesten Prophezeiungen wahr werden sollen. Er räumt bekanntlich am 28. Februar 2009 den Vorstandschefposten für Karl-Gerhard Eick, der von der Telekom kommt. Er schildert das als normalen Vorgang, doch bleibt der Eindruck, der Rettung von Arcandor täte es gut, wenn Middelhoff dabei keine Verantwortung trägt.

In dem Handelskonzern ist der 55-Jährige, anders als auf seinem früheren Top-Posten bei Bertelsmann, nicht an einer Frau gescheitert. Im Gegenteil: Die Großaktionärin Madeleine Schickedanz vertraute offenbar viel zu lange darauf, dass der Verve der Middelhoff'schen Ankündigungspolitik ausreiche, um das Imperium auf Vordermann zu bringen. Die Folge: Ihr Aktienbesitz verlor beständig an Wert. Am Ende übernahm die Kölner Privatbank Sal. Oppenheim die Regie. Der Börsenkurs von Arcandor liegt nicht, wie von Middelhoff versprochen, bei 40 Euro, sondern bei weniger als drei Euro.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum Middelhoffs Ego einen Riss bekam.

Bei Bertelsmann dagegen hatte Elisabeth ("Liz") Mohn, die Frau des Konzernpatriarchen Reinhard Mohn, die Karriere des alerten Machers jäh gestoppt - der Vorstandschef wollte aus dem Gütersloher Familienunternehmen einen internationalen Börsenstar machen, mit den Mohns als Zuschauern. Das hässliche Ende ("Thomas, es ist vorbei") hat der promovierte Betriebswirt vermutlich nie richtig verkraftet. Sein Ego hatte einen Riss.

Jüngst erst initierte Middelhoff, dass sich die frühere Bertelsmann-Top-Riege ("Kitzbühler Kreis") mit dem Ex-Chef Mark Wössner traf. Auch jetzt, beim Abschied von Arcandor, redet Middelhoff wieder von Bertelsmann. Er habe den Essener Handelsbetrieb gerettet, entschuldet und durch den Großeinstieg ins Touristikgeschäft (Thomas Cook, My Travel) verändert - dieser Erfolg sei "vergleichbar mit dem einstigen Aufbau der RTL Group bei Bertelsmann". Thomas Cook sei wie RTL "eine Geldmaschine erster Güte".

Die Botschaft der Prahlerei: Ihr verkennt mich alle. Was wäre Bertelsmann, was wäre Arcandor ohne mich? Wer sagt, ich sei ein "Blender", der irrt. Ein Middelhoff schafft Werte, er vernichtet keine.

Von der Revolution weit entfernt

Zur Inszenierung seines Abschieds hat der selbstverliebte Manager mit Anspruch und ohne Glück dem Spiegel sein großes Rechtfertigungsinterview gegeben und dabei Fehler eingeräumt. Mit dem Nachrichtenmagazin hatte er auch in der Anfangsphase seiner Tätigkeit in Essen - damals war er Aufsichtsrat - gesprochen. Im September 2004 versprach Middelhoff so etwas wie eine Revolution. Bei den Kaufhäusern wollte er gleichzeitig sanieren und motivieren: "Es geht ums Überleben."

Weil in den Folgejahren im Konzern Krise auf Krise, Problem auf Problem folgte, und Middelhoff zunehmend wie ein Getriebener seiner selbst wirkte, nahmen sich die Wirtschaftsblätter mit kühler Präzision des Falls an. Vom Heldenimage blieb immer weniger übrig - mit der Folgeerscheinung, dass hier und da eine Gegendarstellung aus dem Hause Middelhoff durchgesetzt wurde.

Das Steuern und Managen über die Öffentlichkeit, wie "Big T" das bevorzugt, erzeugte hässliche Umkehreffekte. Am Ende war für manche klar, dass Middelhoff nicht überleben kann, wenn Arcandor überleben soll.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Middelhoffs Abschied von Arcandor nur konsequent ist.

Juristische Hakeleien halfen wenig. Zu offensichtlich war, dass Middelhoff mit häufigen Bereinigungen und Umstellungen in der Bilanz für Intransparenz gesorgt hatte, dass der Verkauf von Immobilien wenig mehr als Tageskosmetik war, dass die versprochene Sanierung des Warenhausgeschäfts lahmte und dass auch die Idee, mit Air Berlin zu fusionieren, eine Luftnummer war. Kurz vor dem Weihnachtsgeschäft 2008 musste Arcandor bangen, ob die Banken überhaupt einen nötigen Kredit ausliehen.

Da erschien es schließlich logisch, dass Sal.-Oppenheim-Banker Friedrich Carl Janssen in der neuen Rolle des Arcandor-Aufsichtsratschefs durchgriff. Vorstände gingen - und auch Middelhoff wurde zum Abschied gebeten. Dessen Kronprinz Marc Oliver Sommer ist nicht mehr erste Wahl.

Middelhoff, der Banker

Nach den Erprobungsfeldern bei Bertelsmann und Arcandor dürfte es für Manager Middelhoff schwierig werden, noch einmal einen Konzern zu leiten. Er selbst hat ja davon gesprochen, wieder in die Private-Equity-Branche zu gehen, wo er als Partner von Investcorp in London gearbeitet hat. Investmentbanking ist nun einmal die Sphäre, in der sich der Freund des deutschen Goldman-Sachs-Chefs Alexander Dibelius am wohlsten fühlt.

Als "Berater" soll er künftig noch ein wenig Arcandor helfen - aber Beratung fällt bekanntlich nur an, wenn man gerufen wird. Thomas Middelhoff, das ist nur zu offensichtlich, hatte seine Zeit.

"Big T" lächelt nicht mehr.

© sueddeutsche.de/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: