Neuer Großaktionär:Sal. Oppenheim greift sich Arcandor

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Neue Aktien für mehr Bares: Arcandor-Chef Middelhoff verzichtet auf einen Verkauf von Thomas Cook, stockt das Eigenkapital auf - und bekommt einen neuen Großaktionär.

180-Grad-Wende: Der angeschlagene Handels- und Touristikkonzern Arcandor will nun doch an seiner Touristiktochter Thomas Cook festhalten. Erst in der vergangenen Woche hatte das Unternehmen mit Sitz in Essen überraschend eine Trennung von Anteilen an der profitablen Tochter nicht ausgeschlossen. Die Folge: Die Aktie stürzte massiv ab. Auch am Montag gab der Aktienkurs nach der Ankündigung weiter nach. Das Papier kostet derzeit weniger als zwei Euro.

Arcandor verschafft sich frisches Geld - mit der Ausgabe neuer Aktien. (Foto: Foto: AP)

Der Touristikriese Thomas Cook ist derzeit die umsatzstärkste und einzige florierende Sparte des Essener Unternehmens. Es erwirtschaftet rund 60 Prozent des Konzernumsatzes und praktisch den gesamten Gewinn. Der Konzern hält zurzeit gut 50 Prozent der Aktien des Konzerns und konsolidiert in voll in seiner Bilanz.

Eine Entscheidung zur Warenhaustochter Karstadt sei dagegen in der außerordentlichen Sitzung des Aufsichtsrats am Sonntag nicht getroffen worden, hieß es. Ein Unternehmenssprecher lehnte auf Anfrage jeden Kommentar zu der Mitteilung ab.

Wert fast auf ein Zehntel geschrumpft

Mit der Ausgabe von rund 23 Millionen neuer Stückaktien will sich der MDax-Konzern zügig frisches Kapital beschaffen. Das ist auch dringend notwendig: Allein am vergangenen Donnerstag brach die Acandor-Aktie um mehr als 25 Prozent ein. Der Wert des gesamten Konzerns betrug damit nur nur noch knapp 570 Millionen Euro. Zum Vergleich: Vor einem Jahr war das Unternehmen von der Börse noch mit mehr als 5,3 Milliarden Euro bewertet worden.

Gleichzeitig bekommt das Unternehmen einen neuen Großaktionär. Das Bankhaus Sal. Oppenheim springt Arcandor zur Seite und wird offenbar größter Anteilseigner des MDAX-Unternehmens. Die Kölner Privatbank erwirbt rund ein Fünftel der Anteile von der Hauptaktionärin Madeleine Schickedanz und steigt zudem im Rahmen einer zehnprozentigen Kapitalerhöhung bei dem Konzern ein. Die Privatbank ist gleichzeitig die Hausbank der Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz, die derzeit 53,3 Prozent der Anteile des Handels- und Touristikkonzerns hält.

Sal. Oppenheim bezeichnete den Einstieg bei Arcandor als "unternehmerische Entscheidung". "Wir unterstützen den Vorstand und seine Strategie für die Zukunft des traditionsreichen Unternehmens und werden ihn bei der Umsetzung seiner Ziele eng begleiten", hieß es in einer Mitteilung. Für 23 Millionen neue Aktien - das sind zehn Prozent des Grundkapitals - zahlt Sal. Oppenheim je 2,60 Euro, vier Cent mehr als den vorgeschriebenen Mindestbetrag. Von Schickedanz kauft die Privatbank weitere 19,5 Prozent. Fünf Prozent davon müssen aber noch vom Kartellamt genehmigt werden. Schickedanz hatte sich Berichten zufolge für die Aufstockung ihrer Arcandor-Beteiligung bei Sal. Oppenheim verschuldet. Anfang des Jahres war ihr Paket noch 1,9 Milliarden Euro wert, heute sind es gerade noch 225 Millionen Euro.

Für den Hauptaktionär - den Pool "Madeleine Schickedanz" - würde dies den Verlust der Mehrheit bedeuten, wenn er sich an der Kapitalerhöhung nicht beteiligt. Dann würde sich der Anteil der Quelle-Erbin Schickedanz nach Berechnungen der Nachrichtenagentur Reuters auf rund 48 Prozent von derzeit 53,3 Prozent verwässern. Arcandor wollte sich zu Details zunächst nicht äußern. Seit Mai 2005 führt Ex-Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff auf Wunsch von Großaktionärin Madeleine Schickedanz Arcandor (ehemals KarstadtQuelle) an. Zuvor war Middelhoff ein knappes Jahr lang Aufsichtsratsvorsitzender von KarstadtQuelle gewesen. Seit Juli2007 heißt KarstadtQuelle Arcandor.

Bislang hat Arcandor laut Geschäftsbericht 230,2 Millionen Aktien ausgegeben. Das Grundkapital der Gesellschaft erhöhe sich mit der Ausgabe frischer Aktien um knapp 59 Millionen Euro auf 648 Millionen Euro.

Refinanzierungskonzept steht

Mitte vergangener Woche hatte sich der Konzern mit seinen Gläubigerbanken auf eine Refinanzierung geeinigt. Einzelheiten waren jedoch nicht genannt worden. Dieses Refinanzierungskonzept werde nun "zeitnah" umgesetzt, hieß es in der Mitteilung.

Die Arcandor-Tochter Thomas Cook hat sich aus Gesprächen mit der Lufthansa und dem Reiseveranstalter Tui Travel über eine Fusion ihres Reisefliegers Condor mit der Lufthansa-Tochter Germanwings und der Tui-Tochter TuiFly zu einem neuen Billigflieger zurückgezogen. Ein solcher Zusammenschluss habe sich "als nicht attraktiv" erwiesen. Condor sei "ein starkes und profitables Unternehmen mit beträchtlichem Potenzial als eigenständiger Anbieter". Über den Zusammenschluss der Airlines zu einem dritten großen deutschen Fluganbieter neben dem Branchenprimus Lufthansa und Air Berlin war seit Wochen spekuliert worden.

© sueddeutsche.de/Reuters/AP/dpa/mel/hgn/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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