Arcandor in der Insolvenz:Pleite, Pech und Pannen

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Arcandor im Insolvenzverfahren: Was ändert sich nun für die Kunden des Handels- und Touristikkonzerns? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Stefan Weber

Pech und Pannen begleiten Arcandor auch auf der letzten Etappe der Unternehmensgeschichte: Weil das Amtsgericht Essen am Dienstag seine Informations- und Datenverarbeitung umstellte, verzögerte sich die zunächst für den Vormittag vorgesehene Eröffnung des Insolvenzverfahrens für den Touristik- und Handelskonzern Stunde um Stunde. Erst kurz nach 14 Uhr teilte die Behörde mit, dass das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Damit beginnt für den früheren Karstadt-Quelle-Konzern, der am 9. Juni seine Insolvenz erklärt hatte, eine neue Zeitrechnung.

Trotz des Insolvenzverfahrens geht der Geschäftsbetrieb weiter. (Foto: Foto: dpa)

Geht der Geschäftsbetrieb weiter?

Ja. Für die Kunden ändert sich vorläufig nichts. Die Karstadt-Häuser sind weiter zu den gewohnten Zeiten geöffnet. Auch die zum Konzern gehörenden Versender - insbesondere Quelle - wickeln Bestellungen wie gewohnt ab.

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Wer hat im Konzern jetzt das Sagen?

Arcandor-Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg gibt nun das Kommando. (Foto: Foto: dpa)

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entscheidet allein der Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg. Der Vorstand hat keine Befugnisse mehr.

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Was wird aus der Arcandor-Aktie?

Das Unternehmen wird voraussichtlich noch eine Weile an der Börse gelistet sein - schon allein, um die Kosten des Delisting zu sparen. Die Papiere sind ein Spielball für Spekulanten. Ihr Wert beträgt nahezu null, denn Aktionäre gelten im Insolvenzverfahren als benachrechtigte Gläubiger und haben kaum etwas zu erwarten.

Verlassen die Vorstandsmitglieder das Unternehmen?

Ja, nahezu alle. Neben Vorstandschef Karl-Gerhard Eick räumen Finanzchef Rüdiger Günther sowie Arnold Mattschull, Stefan Herzberg, Zvezdana Seeger und Manny Fontenla-Novoa ihren Schreibtisch. Allein Marc Sommer, der das Versandgeschäft verantwortet, bleibt. Seine Expertise wird für die beabsichtigte Sanierung beziehungsweise Weiterentwicklung von Primondo noch gebraucht.

Was hat der Insolvenzverwalter vor?

Aufgabe von Klaus Hubert Görg ist es, das Vermögen von Arcandor zu verwerten und aus dem Erlös die Gläubiger zu bezahlen. Das wird nicht in vollem Umfang gelingen, sondern nur in Höhe einer sogenannten Insolvenzquote. Nach Abzug der Forderungen bevorrechtiger Gläubiger - zu denen auch der Insolvenzverwalter zählt - kann eine Quote von wenigen Prozent stehen. Das Institut für Mittelstandsforschung hat 15.000 Insolvenzverfahren der vergangenen Jahre analysiert und festgestellt, dass die Gläubiger im Durchschnitt nur 3,6 Prozent ihrer Forderungen erfüllt bekamen.

Etliche Karstadt-Häuser werden wohl schließen müssen. (Foto: Foto: AP)

Was wird aus Thomas Cook?

Der Reisekonzern, an dem Arcandor eine Beteiligung von 53 Prozent besitzt, wird sich voraussichtlich in Kürze von seinem Großaktionär abnabeln. Das geschieht auf Betreiben einiger Gläubigerbanken, die ihre Kredite mit Thomas-Cook-Aktien abgesichert haben. Deshalb hat Insolvenzverwalter Görg von dem möglicherweise über die Börse erfolgenden Verkauf keine Aufbesserung der Insolvenzmasse zu erwarten.

Vorläufig wird es keinen Zusammenschluss zwischen Karstadt und Kaufhof geben. (Foto: Foto: dpa)

Was wird aus Karstadt?

Den Warenhauskonzern will Görg im Wege eines Insolvenzplanverfahrens sanieren. Das wird nicht ohne die Schließung von Häusern und Stellenstreichungen gehen. 19 der insgesamt 126 Waren- und Sporthäuser stehen bereits zur Disposition. Ein detaillierter Insolvenzplan soll spätestens auf der in der ersten Novemberhälfte stattfindenden Gläubigerversammlung vorgestellt werden.

Radikalkur bei Quelle: Hunderte Jobs fallen weg. (Foto: Foto: dpa)

Kommt es zu einem Bündnis von Karstadt und Kaufhof?

Der Protest der Mitarbeiter hat nichts gebracht - Arcandor musste Insolvenz anmelden. (Foto: Foto: dpa)

Vorläufig nicht. Der Kaufhof-Mutterkonzern Metro hat zwar nach wie vor Interesse an der Übernahme einzelner Häuser. Wann unter welchen Bedingungen es zu einem Bündnis kommen könnte, ist unklar. Görg versucht es zunächst im Alleingang. Vor dem für den Handel wichtigen Weihnachtsgeschäft wird es voraussichtlich keine Annäherung geben.

Was wird aus dem Versandhandel?

Hatte wenig Erfolg an der Arcandor-Spitze: Thomas Middelhoff. (Foto: Foto: AP)

Nach Auskunft von Quelle-Gesamtbetriebsratschef Ernst Sindel gibt es 18 potentielle Investoren für das Versandgeschäft. Beschlossen ist, dass die 109 Quelle Technik-Center geschlossen werden und die Zahl der Quelle-Shops von 1450 auf 1000 verkleinert wird.

Was wird aus den Mitarbeitern?

Seit 9. Juni, dem Tag, an dem Arcandor Insolvenz angemeldet hat, zahlte die Arbeitsagentur Löhne und Gehälter der Beschäftigten. Damit ist es nun vorbei. Das Unternehmen muss die Bezahlung der Mitarbeiter nun wieder selbst stemmen. Unklar ist, wie viele Stellen der Konzern streichen wird. Für die Karstadt-Warenhäuser liegt noch kein ausgearbeiteter Insolvenzplan vor. Dagegen sollen im Versandgeschäft 3700 von 10500 Arbeitsplätzen wegfallen. Von den knapp 100 Mitarbeitern in der Essener Konzernholding werden die meisten eine Kündigung erhalten.

Was wird aus Arcandor?

Arcandor, der Kunstname, den Vorstandschef Thomas Middelhoff der Holding vor knapp drei Jahren verpasste, um Aufbruchstimmung zu signalisieren, ist eine leere Hülle.

© SZ vom 02.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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