Arcandor in der Bredouille:Das politische Kaufhaus

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Karstadt braucht privates Geld - und nicht Millionen vom Staat. Darum ist es richtig, dass sich die Regierung gegen staatliche Hilfen ausgesprochen hat.

Ulrich Schäfer

Sollte Karstadt untergehen, wären Deutschlands Innenstädte ärmer - auf den ersten Blick jedenfalls. 90 Warenhäuser würden im schlimmsten Fall verschwinden und bis zu 30.000 Jobs. Auch der eine oder andere Zulieferer dürfte in Not geraten, falls Arcandor, der Mutterkonzern von Karstadt, in den nächsten Tagen Insolvenz anmeldet. Mit Karstadt würde eine weitere Traditionsmarke sterben; ein Name, an den die Menschen sich gewöhnt haben; ein Stück Heimat.

"Und was wird aus uns?" Verkäuferin Nadine Kowalla am Montag während einer Mahnwache in Potsdam. (Foto: Foto: AP)

All dies jedoch kann nicht als Rechtfertigung dafür dienen, nach Opel nun Arcandor mit Geld aus der Steuerkasse zu retten. Denn auch in diesem Fall gilt, was Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg schon bei Opel zu Recht eingewandt hat: Dass ein Staat, der weitsichtig handelt, die langfristigen Kosten einer Rettung beachten sollte. Und dass ein Staat, der klug ist, es zunächst den beteiligten Unternehmen und deren Eigentümern überlassen sollte, privatwirtschaftliche Lösungen zu finden.

Solche Lösungen gibt es immer noch, auch nach dem klaren Nein aus Berlin; man muss sie nur wollen. Und wenn Einzelne sich dagegen sträuben, etwa die Großaktionäre von Arcandor, also die Familie Schickedanz und die Bank Sal. Oppenheim oder die Besitzer der Karstadt-Immobilien, die teils überzogene Mieten kassieren, muss der Staat eben ein wenig nachhelfen. Dann muss ein Guttenberg oder Steinbrück die Beteiligten zu etwas zwingen, was sie vielleicht auch freiwillig tun würden, wenn nicht die Hoffnung auf Staatshilfe bestünde.

Deshalb ist es richtig, dass die Bundesregierung am Montag staatliche Hilfen verweigert hat. Und deshalb ist es richtig, dass die Kanzlerin verlangt, erstmal sollten Schickedanz und Oppenheim mit ein paar hundert Millionen Euro helfen. Wenn die Eigentümer nicht mehr an ihr Unternehmen glauben, wer soll es tun?

Auch die Eigentümer der Karstadt-Immobilien, also Deutsche Bank oder Goldman Sachs, müssen ihren Beitrag leisten und die Mieten senken. Arcandor könnte zudem seine profitable Reisesparte verkaufen und als reiner Handelskonzern weiterbestehen. Oder Arcandor wird zum Reisekonzern und verkauft die Kaufhäuser an die Metro, den Mutterkonzern des Konkurrenten Kaufhof.

Das Nein aus Berlin muss also nicht das Ende sein. Und selbst eine Insolvenz muss es nicht sein, denn auch sie bietet die Chance zum Neuanfang. Man kann den Beschäftigten von Karstadt dennoch nicht verdenken, dass sie seit Wochen so vehement um ihr Unternehmen kämpfen, dass sie Mahnwachen errichten und die Schaufenster mit dem Slogan "Hier darf das Licht nicht ausgehen!" zukleben. Doch selbst wenn am Ende alle Zugeständnisse von Eigentümern, Vermietern, Banken und Beschäftigten nicht ausreichen, sollte die Politik genau überlegen, ob sie Arcandor doch noch rettet.

Denn dass der Warenhaus-Konzern in Not ist, hat ja nicht nur das Management zu verantworten. Vielmehr haben Politiker eben jene Verödung der Innenstädte befördert, die sie nun beklagen. Sie haben Einkaufszentren auf der grünen Wiese zugelassen oder gefördert, sei es durch neue Gewerbegebiete samt Autobahnzufahrt, sei es durch niedrige Steuern. Sie haben zudem in vielen Städten beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs versagt, stattdessen die City mit Autos verstopft und damit unattraktiv gemacht. Auch deshalb sterben die Kaufhäuser.

Und noch etwas gilt es zu bedenken: Wer die Jobs bei Karstadt mit Staatshilfe erhält, gefährdet sie beim Einzelhändler nebenan, beim kleinen Schreibwarenladen ebenso wie beim traditionsreichen Herrenausstatter. Denn die Deutschen werden keinen Euro mehr ausgeben, nur weil Karstadt gerettet wird. Sie werden insgesamt weniger ausgeben. Sie wissen, dass die Krise längst nicht vorbei ist. Die kleinen Händler jedoch, die für das Bild der Innenstädte viel wichtiger sind als ein einzelnes Kaufhaus, werden nie staatliche Hilfe bekommen. Die jüngsten Umfragen und die Niederlage der rettungsgläubigen SPD bei der Europawahl zeigen jedenfalls, dass die meisten Bürger für teure Hilfsaktionen kein Verständnis haben. Denn ihnen ist klar, wer am Ende dafür zahlt.

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© SZ vom 9.6.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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