Versicherung:Allianz scheitert mit IT-Strategie

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2018 fasste der Konzernvorstand unter Oliver Bäte einen kühnen Plan: Sie wollte ihre Software auch Dritten zur Verfügung stellen. (Foto: Sven Simon/imago stock&people)

Der Versicherungskonzern wollte in einer Liga mit professionellen Software-Anbietern spielen. Jetzt gibt er den Plan auf.

Von Herbert Fromme, Köln

Die Allianz steht kurz vor einem massiven Schwenk in ihrer IT-Strategie. Nach Informationen der SZ gibt der Versicherungskonzern das Projekt auf, ihre eigene Software Allianz Betriebssystem (ABS) auch anderen Versicherern anzubieten. Damit ist der Versuch des Konzerns gescheitert, selbst als Software-Anbieter eine Rolle zu spielen.

ABS ist eine eigens für den Konzern entwickelten Software. 2018 fasste der Konzernvorstand unter Oliver Bäte einen kühnen Plan: Weil immer mehr Versicherer ihre Programme modernisieren müssen, könnte die Allianz doch ihre Software auch Dritten zur Verfügung stellen. Das würde die Kosten der teuren Entwicklung auf mehrere Schultern verteilen und die Allianz auch global in eine Liga mit professionellen Software-Anbietern bringen.

Um Bedenken wegen der Eigentumsrechte zuvorzukommen, transferierte die Allianz die Rechte an dem Kernsystem in eine Stiftung und erklärte sie für allgemein zugänglich. Für die kostenpflichtige Anpassung an die Bedürfnisse der unterschiedlichen Nutzer gründete sie 2018 Syncier, ein Software-Unternehmen mit heute 288 Beschäftigten.

2019 vereinbarte die Allianz eine Kooperation mit Microsoft. Das Unternehmen übernahm damals zehn Prozent, heute hält es noch drei Prozent der Syncier-Anteile. Langfristig wollte die Allianz noch mehr Anteile verkaufen und nur eine Minderheit behalten.

Die Umstellung auf eine andere Software ist eine heikle Angelegenheit

Aber im Versicherungsmarkt kam die Initiative nicht so gut an wie von Bäte und seinen Kolleginnen und Kollegen erhofft. Eine genaue Zahl nennt die Allianz nicht, doch dürften es höchstens zehn andere Versicherer sein, die sich für das System entschieden haben. Darunter ist die Versicherungsgruppe Frankfurter Leben, die als Spezialist Bestände anderer Gesellschaften übernimmt und abwickelt. Auch die Wiesbadener Athora, die ein ähnliches Geschäftsmodell verfolgt, soll zu den Syncier-Kunden gehören, daneben eine Reihe von österreichischen Versicherern.

Dass es nicht mehr sind, liegt wohl auch daran, dass ABS bei den Gesellschaften für sehr hohen Anpassungsbedarf sorgt, für den sie zahlen müssen. Die Tatsache, dass mit der Allianz ein großer Wettbewerber Syncier kontrolliert, schmälert ebenfalls die Begeisterung vieler Vorstände für die Kooperation.

Die Lebensversicherung ist klar der Schwerpunkt für Syncier. In dieser Sparte haben viele Versicherer Uralt-Systeme im Einsatz, die gelegentlich falsch rechnen und Kunden zu viel oder zu wenig auszahlen. Die Finanzaufsicht Bafin verlangt dringend Änderungen.

Doch die Umstellung großer Bestände mit hunderttausenden von teils sehr alten Verträgen auf eine andere Software ist eine heikle Angelegenheit. Nur wenige große Versicherer trauen sich noch, neue Systeme selbst zu bauen. Die meisten kaufen Standardprogramme. In diesem Bereich aktiv sind vor allem die Münchener Softwarefirma MSG, IBM und SAP, teils auch zusammen.

Mit Syncier scheidet jetzt der jüngste Wettbewerber aus. Ein Allianz-Sprecher erklärte, es bleibe als Firma erhalten. Aber weiter sagte er: "Syncier wird das Angebot von Software für Drittkunden reduzieren." Einzelheiten wollte er nicht nennen.

Syncier hat wichtige Fürsprecher im Konzern verloren

Der Entscheidung soll ein handfester Krach zwischen der Konzernzentrale in München und der Lebensversicherungstochter in Stuttgart vorangegangen sein, heißt es im Unternehmen. Die Stuttgarter haben die meiste Arbeit mit Synciers Lebensversicherungs-Software und der Übertragung von Fremdbeständen.

Inzwischen hat Syncier wichtige Fürsprecher im Konzern verloren. Der Österreicher Christof Mascher, 62, war bis Ende 2020 im Vorstand der Allianz für die IT zuständig. Er brachte das ursprünglich in Österreich programmierte ABS zur Allianz. Jetzt ist Mascher im Ruhestand, ebenso der langjährige Chef der Allianz Leben, Markus Faulhaber. Die jetzige Führung des Lebensversicherers unter Katja de la Viña zeigt deutlich weniger Enthusiasmus.

Jetzt will die Allianz das Projekt jedenfalls für neue Kunden nicht weiterführen. Einfach schließen kann sie Syncier kaum: Wer sich auf eine andere Software einlässt wie die Kunden von Syncier, rechnet damit, dass er auch noch in Jahrzehnten mit dem Programm arbeiten kann. Denn so lange laufen viele Lebensversicherungen.

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