Aktionärsdemokratie:Wer hat, muss handeln

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Der Fall Infineon belegt, dass sich deutsche Anteilseigner in ihren Unternehmen immer öfter einmischen. Bessere Kontrolle durch die Eigentümer ist auch bitter nötig.

Karl-Heinz Büschemann

In den deutschen Aktiengesellschaften bewegt sich etwas. Das Selbstbewusstsein der Aktionäre wächst. Bei der Hauptversammlung von Thyssen am Donnerstag und beim Aktionärstreffen von Siemens, das am Dienstag der nächsten Woche stattfindet, werden die Anteilseigner erstmals über die Struktur der Einkommen der Manager abstimmen.

Hauptversammlung bei Infineon mit dem bisherigen Aufsichtsratschef Max Dietrich Kley: Den Aufstand des Hermes-Fonds hätte es nicht gegeben, wenn die Arbeit des Aufsichtsrates keinen Grund zur Klage gegeben hätte. (Foto: Foto: dpa)

Beim Münchner Chiphersteller Infineon will die britische Fonds-Gesellschaft und Infineon-Aktionärin Hermes verhindern, dass auf der Hauptversammlung im Februar der frühere Siemens-Manager Klaus Wucherer zum Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt wird.

Nach fast zwei Jahrzehnten zäher Diskussionen über das Verhältnis von Aktionären und Managern zeigen sich in der Praxis die ersten Ergebnisse, die für einen Wandel sprechen, auch wenn das wachsende Selbstbewusstsein der Anteilseigner nicht revolutionär über das Land kommt, sondern nur langsam.

Aber es ist eine Veränderung in die richtige Richtung. Die kleinen Aktionäre haben in den Unternehmen bisher noch zu wenig Einfluss. Sie wurden von den Management-Etagen lange nicht ernst genommen, weil sie kaum eine Möglichkeit hatten, ihre Interessen wahrzunehmen.

Das ändert sich. Der Grund dafür sind katastrophale Fehlentwicklungen, die dem Ansehen der Vorstände schadeten und den Ruf nach besserer Kontrolle durch die Eigentümer laut werden ließen.

Zwei Beispiele: In Deutschland galt lange als normal, dass sich ein paar einflussreiche Manager oder Ex-Firmenchefs gegenseitig die Posten in den Aufsichtsräten zuschanzten und eine effektive Kontrolle der Vorstände unmöglich wurde. Das ist zum großen Teil vorbei.

Die wechselseitige Verflechtung der Konzerne löste sich auf und die Öffnung des deutschen Kapitalmarktes verlangte ein transparentes Verhalten, das den Regeln guter Unternehmensführung (Corporate Governance) entspricht. So wurden Mauscheleien erschwert.

Auch Exzesse in der Gehaltsentwicklung von Vorständen führten zu einem Wandel. Zweistellige Millionengehälter für Manager hatten die Öffentlichkeit in Aufruhr versetzt. Die Regierung machte die Veröffentlichung der Bezüge zur Vorschrift und ermöglichte 2009 mit einem neuen Gesetz die öffentliche Debatte der Bezüge in den Hauptversammlungen.

Es geht voran mit der Aktionärsdemokratie, auch wenn die Fortschritte schneller gehen könnten. Aber nicht jede Veränderung ist eine Verbesserung. So könnte man gegen den Hermes-Fonds einwenden, dass er im Falle Infineon die Trommel sehr laut rührt.

Die britische Gesellschaft hält Infineon-Aktien im Promillebereich und hat wenig Einfluss auf das Geschehen. Mancher, der vorgibt, im Interesse aller zu handeln, hat seine ganz eigene Agenda. Im Falle von Infineon sei eingeräumt, dass es viele Gründe gibt, gegen das Management und den Aufsichtsrat zu rebellieren.

Aber am Ende zählt, ob ein Kritiker im Kreis der Mitaktionäre für seine Sache Mitstreiter findet. Dann kann echte Aktionärsdemokratie entstehen, die den Chefs das Leben schwer macht. Ein Beispiel dafür war, wie 2005 ein paar Hedgefonds, die an der Deutschen Börse AG beteiligt waren, den Chef feuerten, dessen Expansionspläne ihnen zu großspurig waren.

Eine perfekte Aktionärsdemokratie, die Managern klare Grenzen setzt und die Selbstherrlichkeit der Vorstände eindämmt, bleibt jedoch ein frommer Wunsch. Der kleine Mann mit ein paar Aktien bei der Sparkasse kann keinen qualifizierten Einfluss auf Konzerne nehmen.

Dazu sind Aufsichtsräte da, die im besten Fall die nötige Erfahrung besitzen und gut bezahlt werden, um dem Management mit kompetenten Fragen Grenzen zu setzen. Bei der Besetzung der Kontrollgremien liegt aber noch viel im Argen.

Mancher Aufsichtsrat ist den großen Anforderungen nicht gewachsen. Deshalb ist die wichtigste Aufgabe der Aktionäre, geeignete Aufsichtsräte zu wählen. Dabei müssen sich die Anteilseigner noch mehr Mühe geben als bisher. Auch bei Infineon hätte es den Aufstand des Hermes-Fonds nicht gegeben, wenn die Arbeit des Aufsichtsrates keinen Grund zur Klage gegeben hätte.

© SZ vom 20.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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