Luftverkehr:Freispruch für Air France und Airbus

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Überreste des abgestürzten Flugzeugs. (Foto: Handout/AFP)

2009 stürzte ein Airbus "A330" der Air France ab, 228 Menschen kamen ums Leben. Ein Pariser Gericht entschied nun: Die Fehler der beiden Unternehmen reichen nicht aus für eine Verurteilung.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Zunächst war der Flug Air France 447 am 1. Juni 2009 die reine Routine. Ungewöhnlich vielleicht nur, dass die Strecke Rio de Janeiro-Paris die Reichweite des Airbus A330-200 bei voller Auslastung arg strapazierte. Aber Kapitän Marc Dubois hatte vorgesorgt und den Jet volltanken lassen. Dann der Start gegen 19.30 Uhr Ortszeit und der Flug in die lange Nacht Richtung Norden über den Südatlantik. Kurz nach 22.30 Uhr überflog die Maschine die brasilianische Ferieninsel Fernando de Noronha auf dem Weg in Richtung der westafrikanischen Küste.

Etwa 40 Minuten später war nichts mehr zu spüren von Routine, es herrschten Chaos und Kontrollverluste, der am Ende zum Absturz des Langstreckenjets führte. 228 Menschen kamen vor knapp 14 Jahren ums Leben, 28 der Passagiere stammten aus Deutschland. Angehörige der Opfer argumentierten seither, Airbus und Air France trügen Schuld an dem Absturz, weil der Hersteller die Folgen eines Instrumentenausfalls unterschätzt und die Fluggesellschaft die Piloten für ein solches Szenario nicht ausreichend geschult habe. In dem Verfahren um den Verdacht der fahrlässigen Tötung hat nun ein Pariser Gericht das Urteil verkündet und die beiden Unternehmen von den Vorwürfen freigesprochen.

In der Begründung des Gerichtes heißt es, die beiden Unternehmen hätten zwar teils nachlässig und unvorsichtig gehandelt. Man könne aber keinen eindeutigen Kausalzusammenhang zum Absturz des Fluges AF447 herstellen. Im schlimmsten Fall hätten beiden nur Geldstrafen in Höhe von bis zu 225 000 Euro gedroht. Auch die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Schlussplädoyer deutlich gemacht, dass sie angesichts der Faktenlage keine Verurteilung fordern könne. Airbus und Air France hatten für sich Freisprüche gefordert. Ein erster Prozess war 2019 geplatzt, doch 2021 entschied ein Berufungsgericht, die Klage doch zuzulassen.

Der Autopilot schaltete sich ab

Kapitän Dubois hatte in jener Nacht, wie vorab geplant, das Cockpit seinen beiden Co-Piloten überlassen, um in eine mehrstündige Pause zu gehen. Fünf Minuten, nachdem er gegangen war, informierten die beiden Piloten die Kabinenbesatzung, dass sie für die nächste Zeit mit Turbulenzen rechnen, weil sie durch ein Schlechtwettergebiet fliegen würden. Vier Minuten später schaltete sich der Autopilot ab, der Erste Offizier Pierre-Cédric Bonin musste die Maschine manuell fliegen. Auch die Schutzfunktion des Bordcomputers, die unter anderem ein Übersteuern verhindern soll, schaltete sich ab. Ursache war, dass die Flugsteuerung mit unterschiedlichen Daten zur Geschwindigkeit gefüttert wurde. Laut Abschlussbericht der französischen Untersuchungsbehörde für Flugunfälle BEA waren die sogenannten Staudruckrohre, die am vorderen Rumpf befestigt sind und die Geschwindigkeit messen sollen, vereist und nicht mehr funktionstüchtig.

Danièle Lamy hat ihren Sohn durch den Absturz verloren. (Foto: Bertrand Guay/AFP)

Vier Minuten dauerte es auch vom Ausschalten des Autopiloten bis zum Absturz. Vier Minuten, in denen es den zwei Ersten Offizieren und dem auf das Flugdeck zurückgekehrten Kapitän nicht gelang, die Kontrolle über das Flugzeug zu erlangen, nachdem sie es manuell in einen Strömungsabriss gesteuert hatten, bei dem der Auftrieb über den Flügeln nicht mehr ausreicht, um Höhe und Geschwindigkeit zu halten. Kurz vor dem Aufprall rief Bonin: "Wir werden abstürzen. Das kann nicht wahr sein. Aber was passiert?"

In ihrem Abschlussbericht aus dem Jahr 2012 kam die Unfallbehörde BEA dann auch zu eindeutigen Schlussfolgerungen. Sie identifizierte die divergierenden Geschwindigkeitsdaten als Auslöser, betonte dann aber vor allem die Fehler der Besatzung, die auf den Ausfall der Geräte nicht wie vorgesehen reagiert und durch unbedachte Steuerimpulse die Lage verschlimmert hätten. Nichtsdestoweniger wurden die Staudruckrohre nach dem Absturz auf allen Maschinen der A330-Baureihe durch andere Modelle ersetzt, auch nachdem dies die europäische Flugsicherheitsbehörde European Union Aviation Safety Agency angeordnet hatte.

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