Affäre um Betriebsratsgehalt bei Siemens:Raus ans Tageslicht

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Eine sechsstellige Gehaltserhöhung für den Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats sorgt beim Technologiekonzern Siemens für Unruhe. (Foto: Bloomberg)

Ein Siemens-Betriebsrat, der ein sechsstelliges Gehalt kassiert. Klar, dass der Verdacht der Mauschelei aufkommt. Doch die grundsätzliche Frage lautet: Wie viel dürfen führende Arbeitnehmervertreter verdienen? Im Gegensatz zu vielen Topmanagern müssen sie ihre Einkünfte nicht genau aufschlüsseln - das sollte sich ändern.

Ein Kommentar von Caspar Busse

Ist ein Jahresgehalt von bis zu 300.000 Euro hoch? Die allermeisten Menschen in Deutschland werden sagen: Ja. Lehrer, Polizisten, Krankenschwestern, Richter oder der durchschnittliche Siemens-Facharbeiter - sie alle erhalten deutlich weniger. Lothar Adler, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats des Münchner Konzerns und gelernter Fernsehtechniker, bezieht ein Fixgehalt von mindestens 200.000 Euro im Jahr, dazu können erfolgsabhängige Zahlungen von noch einmal 100.000 Euro kommen. Vor fünf Jahren, als er die Leitung des Betriebsrats übernahm, hatte er eine deutliche Gehaltserhöhung bekommen. Zu Recht? Steht ihm das zu? Oder wollte Siemens sich damit das Wohlwollen des mächtigen Arbeitnehmervertreters sichern?

Dieser Verdacht liegt natürlich nahe, die Aufregung ist groß. Die Bezüge des Siemens-Betriebsrats sind in der Tat hoch, zu hoch. Viele schütteln darüber den Kopf. Natürlich ist der Fall Adler derzeit nicht mit den früheren Zuständen bei Volkswagen zu vergleichen, als Betriebsräte unter der Ägide von Klaus Volkert noch deutlich höhere Gehälter bezogen und außerdem Luxusreisen auf Firmenkosten absolvierten.

Trotzdem: Es ist nicht ausgeschlossen, dass hier etwas nicht korrekt abgelaufen ist. Der neue Siemens-Chef Joe Kaeser lässt den Fall arbeitsrechtlich prüfen - spät, aber immerhin. Der für Deutschland zuständige Personalchef ist bereits vorläufig freigestellt worden. Nach dem schweren Korruptionsskandal vor ein paar Jahren muss gerade der Münchner Industriekonzern in solchen Dingen besonders sensibel sein.

Abseits von Siemens lautet die grundsätzliche Frage: Wie viel dürfen führende Arbeitnehmervertreter überhaupt verdienen? Das Problem dabei ist die mangelnde Transparenz. Während inzwischen in vielen Geschäftsberichten die Einkünfte von Topmanagern genau aufgeschlüsselt werden, sind die Bezüge der Arbeitnehmervertreter weitgehend unbekannt. Vorstände haben die Regelungen nur widerwillig akzeptiert, auch Betriebsräte werden nicht begeistert sein, wenn ihre Gehälter veröffentlicht werden. Aber es muss ein.

Betriebsräte stecken in einem Interessenskonflikt

Die Leitlinien der IG Metall für gute Betriebsratsarbeit fordern bereits transparente Vergütungssysteme. Doch umgesetzt wird das nicht. Raus ans Tageslicht, Hosen runter - so muss die Devise für führende Betriebsräte heißen. Die Vergütungen von freigestellten Betriebsräten sollten öffentlich sein. So kann der Verdacht, dass da irgendetwas gemauschelt wird zwischen Arbeitnehmervertreter und Unternehmen, ausgeräumt werden. Vor eine Veröffentlichungspflicht hat sich die Politik bisher aber gedrückt.

Gerade Betriebsräte stecken in einem Interessenskonflikt. Auf der einen Seite sind sie beim Unternehmen angestellt, beziehen ein mehr oder weniger üppiges Gehalt, sitzen oft auch noch im Aufsichtsrat (und erhalten dafür weitere Vergütungen). Auf der anderen Seite müssen und sollen sie Missstände anprangern, die Unternehmensführung kritisieren und sich für die Belange der Arbeitnehmer einsetzen. Es stimmt: Betriebsräte tragen auch eine hohe Verantwortung. Siemens zum Beispiel beschäftigt weltweit 370.000 Menschen, davon in Deutschland 130.000 Menschen, die Adler zum Betriebsrat gewählt haben.

Die Mitarbeitervertreter sollen mit dem Vorstand auf Augenhöhe verhandeln. Gehört dazu auch ein überhöhtes Gehalt? Sicher nicht, für ihre Machtposition dürfen sie nicht bezahlt werden. Aber Betriebsräte, die oft einen Fulltime-Job ausfüllen, haben trotzdem Anspruch auf eine angemessene Entlohnung. Betriebsratsarbeit, zumal in international tätigen Unternehmen, ist heute in der Regel kein unentgeltliches Ehrenamt mehr - wie es noch im Betriebsverfassungsgesetz steht.

© SZ vom 12.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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