Adidas-Chef Hainer:"Viele Mitläufer haben viel Geld verdient"

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Adidas-Chef Hainer über die goldenen Jahre des Sponsorings, die Folgen der Krise und den Zweikampf FC Bayern gegen Hoffenheim.

C. Busse, U. Ritzer, U. Schäfer

In der Krise liegt auch eine Chance, meint Herbert Hainer, 54, Vorstandschef der Adidas AG. Die immer horrenderen Ausgaben für Ausüsterverträge und Sponsoring würden sich wieder auf ein Normalmaß einpendeln. Was sich bei Adidas und bei Olympia ändern muss und wie es bei Reebok weitergeht, sagt Hainer im SZ-Interview.

Adidas-Chef Hainer: "Ich bin sicher, dass am Ende der FC Bayern Meister wird." (Foto: Foto: AP)

SZ: Herr Hainer, die TSG Hoffenheim, ausgestattet von Puma, ist in aller Munde und hat dem Adidas-Club Bayern München die Herbstmeisterschaft weggeschnappt. Ärgert Sie das?

Hainer: Hoffenheim spielt kontinuierlich einen wirklich guten, herzerfrischenden Fußball. Da sieht man die Handschrift von Trainer Ralf Rangnick. Es wird aber nicht zwangsläufig weiter so nach oben gehen. In einer langen Saison kann viel passieren was zurückwirft. Ich bin sicher, dass am Ende der FC Bayern Meister wird.

SZ: Stört es Sie, dass Hoffenheim vom Konkurrenten Puma ausgerüstet wird?

Hainer: Man kann nicht immer alles haben. Wichtig für uns ist, dass unsere Mannschaften über einen längeren Zeitraum erfolgreich sind. Das sind die großen Clubs wie der FC Bayern, Real Madrid, AC Mailand, Liverpool oder Chelsea. Eine Mannschaft aus einer Millionenstadt hat zudem eine andere Breitenwirkung wie der Club aus einem kleinen Ort wie Hoffenheim.

SZ: Wird die Wirtschaftskrise das Sportsponsoring verändern?

Hainer: Viele Firmen überprüfen derzeit ihr Engagement nicht nur im Sport, sondern auch in der Kultur oder im sozialen Bereich. Da werden sicher Budgets gekürzt, nicht nur im Profibereich, sondern auch bei Amateurvereinen.

SZ: Gilt das auch für Adidas?

Hainer: Sport ist unser Geschäft, also werden wir dort auch im Sponsoring aktiv bleiben. Wir haben gerade einen langfristigen Vertrag mit dem Leichtathletik-Weltverband abgeschlossen. Aber auch wir gehen kritischer ran und werden öfter Nein sagen.

SZ: Wie in der US-Immobilienwirtschaft ist auch im Sport eine Blase entstanden: Ausrüster- und Werbeverträge, Fernsehhonorare - alles wurde erheblich teurer.

SZ: Ist die Zeit des großen Geldes nun vorbei?

Hainer: Top-Leute werden immer top bezahlt werden. Das war schon bei Max Schmeling vor 60, 70 Jahren so; das wird sich auch nicht ändern. Aber durch den Sportboom haben auch viele Mitläufer viel Geld verdient. Ich hoffe, dass die Summen sich wieder auf ein vernünftiges Maß einpendeln und nicht weiter ins Uferlose abdriften.

SZ: Wird das Wettrennen zwischen Adidas und Nike um werbewirksame Ausrüsterverträge zum Stillstand kommen?

Hainer: Das müssen Sie Nike fragen. Wir haben zwei-, dreimal bewiesen, dass wir nicht alles mitmachen, zum Beispiel bei der französischen Fußballnationalmannschaft, weil uns das zu überzogen war. Nun rüsten wir anstelle von Nike künftig für weit weniger Geld die russische Fußball-Mannschaft aus. Das war sowohl unter sportlichen als auch unter marktpolitischen Gesichtspunkten ein guter Tausch.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, in welchen Ländern Adidas die Zurückhaltung der Konsumenten besonders spürt.

SZ: Sie hatten vor den Olympischen Spielen damit gedroht, ihr Engagement in Randsportarten zu reduzieren, weil das IOC die drei Streifen an Ärmeln und Hosen als unerlaubte Werbung verboten hat. Werden Sie sich nun zurückziehen?

Hainer: Wir haben klar gesagt, dass wir nicht bereit sind, kleine Olympia-Teams auszustatten, wenn wir sie nicht mehr mit der normalen Kollektion mit den drei Streifen versorgen können. Denn eigene Olympia-Kollektionen für diese Länder wären zu aufwändig. Die Folgen hat man bereits in Peking gesehen. Dort hatten über 70 NOKs bereits keinen Ausstatter im herkömmlichen Sinne mehr und dieser Trend wird noch weiter zunehmen.

Bei der Eröffnungsfeier marschierte ein Sportler in kurzer Hose mit drei Streifen ins Stadion ein. Die weißrussischen Handballer spielten in alten Trikots mit drei Streifen am Ärmel, weil sie keine neueren hatten. Das hat auch das IOC registriert. Ich glaube daher, dass das IOC bereit ist, seine Position zu überdenken und seine Prioritäten zwischen den bislang dominierenden TV-Interessen und denen seiner weiteren Partner zu überprüfen.

SZ: Wie sehr spüren Sie die globale Wirtschaftkrise in ihrem Geschäft?

Hainer: Es ist eine allgemeine Verunsicherung und Zurückhaltung der Konsumenten zu spüren. Das hängt vom Land ab. Am schwierigsten sind Nordamerika, Großbritannien und auch Spanien, die am stärksten unter dem Ende des Immobilienbooms leiden. Wir müssen aufpassen, dass die Händler unsere Ware nicht zu billig verschleudern. Das würde die Marken schwächen.

SZ: Sie haben in Amerika mit Reebok vor drei Jahren eine große Marke übernommen, die Probleme hat. Erschwert die Wirtschaftskrise die Sanierung?

Hainer: Es wird jedenfalls nicht einfacher. Denn die Kunden kaufen weniger. Zudem konzentrieren sich die Händler auf die großen, vermeintlich sicheren Marken, die hohe Umsätze bringen. Unabhängig davon haben wir unsere Hausaufgaben abgeschlossen. Wir haben Reebok neu im Fitness- und Trainingsbereich positioniert. Und im Februar werden wir mit einer ganz neuen Initiative im Fitnessbereich kommen. Was genau, kann ich noch nicht verraten. Nur so viel: Reebok hat vor 20 Jahren auch den Aerobicmarkt geschaffen.

SZ: Sie haben neulich gesagt, sie seien enttäuscht von der aktuellen Leistung von Reebok. Haben Sie die Übernahme schon bereut?

Hainer: Mir ging bei Reebok vieles nicht schnell genug. Wir haben Probleme entdeckt, die wir beim Kauf nicht sehen konnten. Vielleicht sind wir auch manches nicht konsequent genug angegangen. Sicher habe da auch ich Fehler gemacht. Aber am strategischen Sinn dieser Übernahme kann niemand ernsthaft zweifeln. Wir haben dadurch alle US-amerikanischen Profiligen bekommen, wir konnten unsere Kosten beim Einkauf senken und zahlreiche Synergien heben.

SZ: Wann wird es mit Reebok aufwärts gehen?

Hainer: Reebok hat immer Gewinn gemacht, nur nicht so viel wie Adidas. Hätte die Wirtschaftskrise nicht eingeschlagen, hätten wir 2008 bereits ein leichtes Wachstum. Ich gehe davon aus, dass wir mit Reebok nun 2009 besser abschneiden.

SZ: Ein anderes Dax-Unternehmen, nämlich Daimler, ist mit seiner transatlantischen Chrysler-Übernahme gescheitert. Haben Sie keine Angst, dass es Ihnen ähnlich ergeht?

Hainer: Nein, denn Reebok arbeitet profitabel. Zum Umsatz der Adidas-Gruppe steuert Reebok 20 Prozent bei. Man muss das also auch immer in der richtigen Relation sehen.

SZ: Ein anderer wichtiger Markt neben USA ist China. Nun gerät die Wirtschaft auch dort in Schwierigkeiten. Was bedeutet das für Adidas?

Hainer: Wir werden in China weiter wachsen, aber sicher nicht mehr um mehr als 50 Prozent pro Jahr wie bislang. Wir reden hier über ein Land mit 1,3 Milliarden Menschen. Wenn sich davon nur zehn Prozent unsere Produkte leisten können, bietet das ein enormes Potential.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wo Adidas "Fett" abbauen will.

SZ: Der amerikanische Markt ist problematisch, der europäische stagniert und das China-Geschäft flacht ab. Kann Adidas insgesamt noch wachsen?

Hainer: Davon gehe ich aus, aber wir müssen abwarten, was die nächsten Monate bringen. Adidas ist heute ein internationaler Konzern, der nicht auf das ein oder andere Land angewiesen ist.

SZ: Wird es bei Adidas ein Sparprogramm geben?

Hainer: Wir sind jetzt acht Jahre lang immer im zweistelligen Prozentbereich gewachsen. Da legt man auch ein bisschen Fett an. Das wollen wir abbauen.

Natürlich schauen wir im administrativen Bereich genauer hin, verzichten auf Weihnachtsfeiern oder kürzen Reisekosten. Das kann im Einzelfall zu Stellenverlusten führen, etwa wenn aus vier Lägern eines wird. Aber nach heutigem Stand müssen wir flächendeckend kein Personal abbauen. Wir werden sogar einstellen, wo es nötig wird. Ich bin mir sicher, dass wir in einem Jahr mehr als die momentanen 37.000 Mitarbeiter weltweit haben werden.

SZ: Einige Konzernchefs haben beim Konjunkturgipfel versprochen, dass sie im nächsten Jahr auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten. Was halten Sie davon?

Hainer: Das wird in der Praxis schwierig durchzuhalten sein. Denn wenn der Abschwung weiter anhält, müssen die Firmen reagieren. Und Personalkosten sind nun mal ein wichtiger Kostenblock. Bevor ein Unternehmen in den in Abgrund gerissen wird, muss man da rangehen.

SZ: Was kann oder soll die Politik tun, um die Wirtschaft anzukurbeln?

Hainer: Es gibt kein Allheilmittel und nicht die eine, glorreiche Idee. Dafür ist die Weltwirtschaft auch zu kompliziert miteinander verwoben. Ich glaube aber schon, dass der Staat etwas tun kann. Er muss gezielt in Infrastruktur investieren, in Straßen, Schulen...

SZ:...und Sportplätze?

Hainer: Ja, auch die, denn sie sind Beiträge zur Gesundheit der Menschen. Auch ein einfacheres Steuersystem würde definitiv helfen. Niedrigere Steuern schaffen Vertrauen, weil die Menschen vom Brutto wieder mehr in der Tasche haben und mehr konsumieren können. Vertrauen ist wichtig, denn es ist genug Geld da. Nur wird es im Zweifel gespart, statt ausgegeben. Auch eine kurzfristige Mehrwertsteuersenkung wäre sinnvoll.

SZ: 2009 wird Adidas 60 Jahre alt. Wie viel Adi Dassler steckt noch in dem Konzern?

Hainer: Adi Dassler war immer darauf bedacht, die Produkte noch besser zu machen, damit der Sportler damit noch bessere Leistung bringt. Dieser Anspruch steckt bis heute in uns. Wir müssen pro Jahr mindestens eine revolutionäre Innovation auf den Markt bringen, denn die Sportartikel-Industrie ist produkt- und damit innovationsgetrieben. Adidas steht in erster Linie für Sport, ohne deswegen den damit verbundenen Lifestyle zu vernachlässigen. Mehr als drei Viertel unseres Umsatzes erwirtschaften wir mit Performance-Produkten. Ich glaube, das ist im Sinne und im Geiste von Adi Dassler.

SZ: Und wo landet am Ende der Bundesliga-Saison im Frühjahr 2009 die TSG Hoffenheim?

Hainer: Auf einem Champions-League-Platz, also unter den ersten Drei.

© SZ vom 20./21. Dezember 2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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