Absturz an den Börsen:Warum die Entzauberung gut für Apple ist

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Tim Cook bei Apples World Wide Developers Conference in San Francisco: An der Börse schwindet der Glaube an die Zaubermaschine Apple. (Foto: Justin Sullivan/AFP)

Ihm fehlen die Visionen seines Vorgänger Steve Jobs, heißt es: Unter Tim Cook wird Apple ein ganz normales Unternehmen. An der Börse kommt das nicht gut an, dennoch könnte sich die neue Strategie auszahlen - wenn Cook aus dem Absturz von Nokia lernt.

Varinia Bernau

Es heißt, auf dem Schreibtisch von Tim Cook stehe ein Bild von Robert F. Kennedy. Der Manager, so hat er einmal gesagt, schätze den Politiker als jemanden, dem es genügt habe, im Schatten seines Bruders zu stehen - und das Richtige zu tun. Cook, 52, geht es ähnlich wie Bobby, dem jüngeren Bruder des einstigen US-Präsidenten John F. Kennedy, der später Justizminister wurde. Seit acht Jahren ist Cook fürs tägliche Geschäft bei Apple zuständig; seit 18 Monaten steht er an der Spitze des Technologiekonzerns. Und noch immer muss er sich messen lassen an dem Gründer und langjährigen Chef Steve Jobs.

Nun heißt es wieder einmal, dass Cook die Visionen und die Akribie seines Vorgängers fehlten. An der Börse schwindet der Glaube an die Zaubermaschine Apple. Elf Prozent hat das Papier am Donnerstag zum Handelsauftakt in New York verloren. Grund dafür war die Bilanz des Weihnachtsgeschäfts, die Cook wenige Stunden zuvor vorgelegt hatte. Nicht, dass diese schlecht gewesen wäre. Sie war nur nicht das, was die Analysten von Apple gewohnt sind. Der rasante Wachstum des Unternehmens gerät ins Stocken.

So seltsam das klingen mag: Für Apple ist das gut. Es kann nicht schaden, wenn der Konzern ein wenig entzaubert wird. Das Höher, Schneller, Weiter musste irgendwann an Grenzen stoßen. Je eher, desto besser. Denn je höher die Erwartungen sind, die ein Unternehmen bei Börsianern schürt, desto höher ist auch die Gefahr, diese zu enttäuschen. Wer hinter den selbstgesteckten Zielen zurückbleibt, wird gnadenlos bestraft. Apple hat dies am Donnerstag schmerzhaft zu spüren bekommen: Binnen weniger Minuten waren immerhin 52 Milliarden Dollar des Börsenwerts vernichtet.

Um auf Dauer Erfolg zu haben, muss ein Konzernchef auch Entscheidungen treffen, die über die Bilanzberichterstattung im Drei-Monats-Takt hinausweisen. Tim Cook hat genau dies getan. Vor allem dort, wo Jobs auf Konfrontation gegangen war, suchte er den Dialog. Cook ist zum Beispiel bereits mehrmals nach China gereist. Er hat dort mit dem Minister für Industrie und Informationstechnologie über mögliche Geschäfte in der Volksrepublik mit 1,3 Milliarden Einwohnern gesprochen.

Er hat in der Provinz Hebei aber auch eines der Werke besucht, in denen all die iPods, iPhones und iPads zusammengeschraubt werden. Steve Jobs war nie dort. Angesprochen auf eine Serie von Selbstmorden unter Arbeitern des Zulieferers Foxconn, hat er entgegnet, dass es auf dem Fabrikgelände in Shenzhen auch Restaurants, Kinos, Krankenhäuser und Schwimmbäder gebe. "Für eine Fabrik ist es da ziemlich nett."

Unter Cook wurde erstmals seit 17 Jahren wieder eine Dividende gezahlt. Jobs hatte sich einer Ausschüttung an die Aktionäre verweigert - und darauf verwiesen, dass das viele Geld besser in Ideen investiert werden soll. Tatsächlich sinkt der Anteil, den Apple vom Gewinn in die Forschung und Entwicklung steckt, bereits seit mehr als vier Jahren. Und dennoch gab es seither das iPad. Gut möglich also, dass demnächst doch noch ein Fernseher aus dem Hause Apple kommt. "Ich glaube, dass wir auf diesem Gebiet viel zu bieten haben", sagte Cook zu den Gerüchten. Mehr nicht. Zumindest mit der Geheimniskrämerei um neue Gadgets hält es Cooks ganz so, wie es einst Jobs hielt.

Noch läuft das Geschäft bei Apple ohnehin gut: Auch im vergangenen Jahr hat der Konzern zum Weihnachtsfest wieder eine Rekordmarke beim Absatz seiner iPhones geknackt. 47,8 Millionen gingen im jüngsten Quartal weltweit über die Ladentische. Zum Vergleich: Nokia, vor einem Jahr noch der größte Handyhersteller der Welt, wurde in dieser Zeit nur 6,6 Millionen Smartphones los.

Nokia, das ist das mahnende Beispiel. An dem finnischen Konzern zeigt sich, wie schnell es bergab gehen kann, wenn man Neuerungen nicht anstößt, sondern selbstgefällig wird. 2007 kam das iPhone. Damals bildeten sich die Finnen noch ein, es reiche, wenn man mit einem Handy telefonieren kann, statt mit vielen Apps alle möglichen Alltagssorgen zu lösen. Vier Jahre später rutschte Nokia in die roten Zahlen.

Und nun, da der Konzern zur Aufholjagd ansetzt, ist die Konkurrenz groß. Nicht nur Apple, auch kleinere Anbieter bearbeiten Kunden. Vor allem in China und Europa musste Nokia zuletzt Einbrüche verkraften. Zwar schafft es die Finnen nun endlich wieder in die Gewinnzone, denn im abgelaufenen Quartal blieben unterm Strich s255 Millionen Euro Gewinn, wie Nokia am Donnerstag mitteilte - doch dies liegt vor allem daran, dass die Finnen sparen. 16.500 Mitarbeiter hat der Konzern im vergangenen Jahr entlassen, selbst die Konzernzentrale in Espoo wurde verkauft.

Und vor allem: An der Börse glaubt niemand mehr an die glorreiche Rückkehr von Nokia. Anders als Apple haben die Finnen die Analysten dieses Mal zwar positiv überrascht - doch die Aktie sackte trotzdem um mehr als sieben Prozent ab.

© SZ vom 25.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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